Kameltreiber Ali beim Psychiater

jetzt weiss ich gar nicht ob der Teil oben bereits gelesen?:unsure:
aber anyway hier geht es weiter:

„Wenn ihr glaubt, auf diese Weise euch ins Paradies einschleichen zu können, zu den Zweiundsiebzig Jungfrauen“, sagte Ali in Arabisch zu Hassan. „Da wird nichts draus, beim Worte des Propheten Mohammed. Denn wir wissen inzwischen alles über eure Pläne.“ Sie war bei zwölf Peitschenhieben angelangt, aber Hassan schwieg weiterhin. „Euer Paradies wird Guantanamo sein, und Jungfrauen gibt‟s dort keine!“ - Wir wissen von eurer Revolution des heiligen Dschihad.“

Ali führte die Strafe der zwanzig Peitschenhiebe bis zum Ende durch. Hassan krümmte sich vor Schmerzen, aber sonst tat sich nichts.

„Gut! Dann müssen wir zu härterer Folter übergehen!“ Ali setzte sich und blickte ratlos zum Shrenk.

„Werte Ali, die ganze Zeit versuche ich euch klar zu legen, dass wir bei ihm mit Peitschenhieben nicht klarkommen. Die einzige Lösung ist Hypnose.“

„Hypnose?“ Der Doktor nickte bedächtig. „Es kann natürlich auch zu einer Übertragung kommen.“

„Übertragung?“

„Eine Übertragung bedeutet. Hm. Dass der Patient sich in den Psychiater verliebt.“

„Ja warum nicht?“ antwortete Ali geradezu erleichtert. „Der Zweck heiligt die Mittel!“ Sie blickte auf die Uhr. „Es ist gleich Acht und Zeit zu Frühstücken.“ Worauf sie die Fesseln von Hassan überprüfte und ihm den Knebel erneut in den Mund stopfte. Der Shrenk gähnte. „Kommen sie Doktorchen, es wird Zeit, dass wir uns einen Kaffee zu Gemüte führen, ihr seht blass aus.“
 
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48.

„Es ist genau das eingetreten, was ich befürchtet hatte, Ali!“, sagte der Kapitän.

„Ich hätte es nie erlauben dürfen, dass sie ihre Kamele an Deck bringen. Sie wissen ganz genau was wir ausgemacht haben, oder nicht?“ Ali nickte und versuchte ein nettes Lächeln in ihr Gesicht zu bringen. Sie wollte dem Kapitän nicht in ihre Sorgen einweihen, dann wäre er nicht nur ärgerlich, sondern würde in helle Panik geraten.

„Gestern Abend saβen über Tausend Passagiere in der Vista Lounge. Sie wissen ja, die Vista Lounge ist ein Theater mit Zuschauertribünen die sich über drei Stockwerke erstrecken.“ Ali nickte. „Der Doktor und ich kennen die Vista Lounge. Wir haben dort die Vegas Show gesehen.“

„In der Tat, Herr Kapitän“, meldete sich nun auch der Shrenk. „Es war ein unvergesslicher Abend für uns.“

„Nun, der gestrige Abend war so unvergesslich, wie er es nie wieder an Bord sein wird“, fuhr Kapitän Van Schloos ungehalten fort. „Plötzlich kamen ihre Kamele auf die Bühne. Das Glück war, dass die Illusionisten Show lief und nicht die Vegas Girls tanzten. Die Clowns und Zauberer waren so geistesgegenwärtig, das Beste aus diesem Fiasko zu machen und versuchten die Kamele in die Show mit zu integrieren. Das Publikum reagierte auch mit viel Applaus.“ Der Kapitän hatte nun die Stirn in Sorgenfalten zusammengezogen und schwieg erbost.

„Dann können wir doch zufrieden sein“, meinte Ali beschwichtigend, anderseits fragte sie sich, was das alles nur zu bedeuten habe. Was hat Akhbar nur im Showtheater zu suchen gehabt? Aber natürlich wusste sie genau, was Akhbar im Showtheater zu suchen gehabt hatte. Ali wartete ab, was nun aus des Kapitäns Schilderungen folgen würde und versuchte ihre Gesichtsmimik so harmlos wie nur möglich zu behalten.

„Eben nicht!“, kam es aus dem Mund vom Kapitän. „Wo waren sie eigentlich gestern Abend gegen 22 Uhr?“

„Oh, ich habe geschlafen.“

„Ich auch, Herr Kapitän.“

„So früh waren sie beide schlafen gegangen?“

„Ihr müsst wissen, werter Kapitän“, beeilte sich der Shrenk zu sagen. „“Gestern lag ein anstrengender Tag hinter uns.“

„Anstrengender Tag?“ Kapitän Van Schloos nickte ungehalten und fuhr fort:

„Ihre Kamele blieben leider nur ein paar Minuten auf der Bühne und wandten sich plötzlich entschieden in die Richtung der Kulissen. Vergeblich versuchte man sie daran zu hindern. So kam es zu einen riesigen Tumult, dabei polterten mehrere Kulissen um, die Illusionisten Show verwandelte sich in eine infernalische Groteske und das Publikum tobte vor Begeisterung, während die Clowns mit ein paar Purzelbäumen versuchten die Lage zu entschärfen.“

„Oh mein Gott! Meine armen Kamele sind in Panik geraten. Ali blickte erschrocken zum Shrenk. „Doktor, ihr müsst Akhbar nachher unbedingt psychologisch betreuen. Er wird ein schweres Trauma davongetragen haben! - Herr Kapitän, es handelt sich bei unseren Kamelen um besonders sensible Tiere. Sie sind scheu und dem Stress in so einem Theater mit Tausend
Zuschauern einfach nicht gewachsen.“

„Diesen Eindruck machten sie aber ganz und gar nicht“, schnaubte der Kapitän wütend. „Denn nach kurzer Zeit tauchten ihre Kamele plötzlich erneut aus dem hinteren Bereich der Bühne auf. Jedes ihrer Tiere hatte ein Päckchen mit seltsamen bunten Plastikröhren im Maul. Rote und Blaue und ich glaube Gelbe Röhren waren es. Das Publikum rief: weiter, weiter. Die Clowns verneigten sich, als die Kamele mit ihrer seltsamen Beute von der Bühne galoppierten und die Wendeltreppe in Richtung zu der obersten Balustrade einschlugen und zum Ausgang verschwanden. Niemand versuchte sie aufzuhalten. In gebührendem Abstand folgten einige Sicherheitsleute und beobachteten etwas Merkwürdiges.“ Der Kapitän schüttelte erneut den Kopf.

Was kommt jetzt, fragte sich Ali. „Ihre Kamele nahmen den Weg zum Promenadendeck und wie auf Kommando, warf jedes der Tiere seine Beute über die Reling ins Meer. “ Der Kapitän blickte Ali fragend an.

Ali schwieg. Gestern wurde Hassan im Kamelstall hypnotisiert, überlegte sie. Gegen Abend endlich hatte der Shrenk es geschafft. Er gestand die Verstecke des Sprengstoffes, genau! Unter den Verstecken war auch der Schornstein und die Bühne der Vista Lounge. Der Shrenk und ich beschlossen am nächsten Tag den Sprengstoff aus den Verstecken zu holen und ins Meer zu werfen. Dann fielen wir erschöpft in tiefen Schlaf, denn seit über vierzig Stunden waren wir auf den Beinen. Während wir im Stall schliefen, haben wohl die Kamele den Sprengstoff entsorgt. Immerhin sind sie der arabischen Sprache genauso kundig wie der Englischen, Portugiesischen oder der Deutschen und haben jeden Satz von Hassan verstanden.

„Ehrlich gesagt, kann ich gar nicht verstehen, was unsere Tiere da getan haben sollen“, erwiderte Ali. „Vielleicht hatten sie Hunger und fanden hinter der Bühne etwas Essbares?“

„Aber sie warfen die Päckchen ins Wasser! Haben sie nicht zugehört, Frau Ali?“

„Doch, doch. Hm. Wer soll schon aus einem Kamel schlau werden, Herr Kapitän. Der Doktor erforscht unsere Tiere bereits seit Monaten, aber er gelangt nicht zu wirklich befriedigenden Ergebnissen.“

„Ich kann es nur gut heiβen, wenn die Kamele einer Psychotherapie unterzogen werden“, meinte der Kapitän. „Und vor allem plädiere ich für sedierende Pharmaka und absolute Ruhe und.“ Der Kapitän machte eine Pause. „Und vor allem absoluten Verschluss unter Deck!“ Der Kapitän seufzte, der Doktor machte es ihm nach und seufzte mit.

„ Es sind noch sieben Tage bis Portimão. Ich bestehe darauf, dass während dieser sieben Tage ihre unberechenbaren Biester unter Deck bleiben. Haben sie mich beide verstanden?“ Ali und der Shrenk nickten. Ali war längst woanders mit ihren Gedanken. Da gab es nämlich ein weiteres Problem zu lösen. So wie der Doktor es vorhergesagt hatte, so war es eingetroffen: Hassan hatte sich verliebt. Aber nicht in den Shrenk sondern in Ali.
 
49.

„Doktor!“, schnaubte Ali. „Ich mag gar nicht mehr in den Kamelstall gehen, wegen Hassan.“

„Hassan? Nun, er ist gefesselt und geknebelt, da braucht ihr keine Angst vor ihm zu haben.“

„Darum geht es doch gar nicht, Shrenk!“ Ali machte vor der Tür zum Stall halt und sprach leise: „Es geht um Hassans Blick. Er hat sich in mich verliebt, habt ihr nicht bemerkt, wie seine Augen mich voller Sanftheit anblicken?“ Der Shrenk fasste sich kurz an die Nasenspitze und sagte aber nichts.

„Das ist einfach nicht auszuhalten. Und ich muss doch zu Akhbar und ihm gut zu reden. Die nächsten Tage ist es auch ratsamer im Stall zu übernachten. Shrenk! Macht das bitte so schnell wie möglich wieder rückgängig!“

„Wenn das so einfach wäre“, entfuhr es dem Shrenk.

„Was?“ Der Doktor seufzte. „Durch eine erzwungene Regression kam es zu einer Re-Aktualisierung von infantilen Selbst und Objektimagines…“

„Shrenk schon wieder dieses grauenhafte Psychogerede. - Re-Aktualisierung, Objektimagines. Das erzählt besser Akhbar, der versteht euch!“

„Werte Ali. Das Trauma hat zwangsläufig zu archaischen Verschmelzungswünschen mit dem omnipotenten Primärobjekt geführt, was sich in einer tiefen, paradoxen und unbegreiflichen Liebessehnsucht manifestiert.“

„Ist ja gut, Doktor, aber macht das sofort rückgängig.“

„Das ist nicht so einfach. Hassan sieht in euch nun das Primärobjekt, dem frühesten Elternimagines, versteht ihr nicht? Das Liebesbedürfnis und die kompulsiven Wünsche nach Vereinigung, die das Verfolgungstrauma im Opfer induziert haben.“

„Welches Opfer? Das bin ja wohl ich, Shrenk!“

„Nein, Ali. Ihr seid der Täter!“

„Nein, ganz und gar nicht! Ich bin das Opfer und fühle mich belästigt von Hassans Blicken!“

„Nein, Ali! Ihr seid der Täter, ganz definitiv, und darauf richtet Hassan nun die Delegation der Ich Funktionen. Ihr wurdet nun zum Garanten des psychischen Überlebens und erhaltet so dessen Allmacht und narzisstische Qualitäten.“

„Doktor, wie konntet ihr nur so was mit Hassan machen? - Aber so ist das mit euch Seelenklempnern. Statt zu reparieren, richtet ihr nur noch mehr Schaden an!“

„Der Schaden bei Hassan, wurde von euch Ali, durch Folter zugefügt. Immerhin habt ihr ihm zwanzig Peitschenhiebe verabreicht.“

„Das musste sein, es geht um das Leben von 2700 Menschen. Und auβerdem sind solche Dschihadhis ganz andere Sachen gewohnt, also übertreibt nicht!“

„In Hassan ist eine höchst prekäre Situation für den gesamten psychischen Apparat entstanden: Das Über-Ich verbietet genau das, was das Ich-Ideal fordert. Das Ich steht also vor dem Dilemma, entweder die Liebe des Ich-Ideals zu verlieren oder aber die Bestrafung und Verfolgung seitens des Über-Ichs in Kauf zu nehmen.“

„Shrenk, ihr macht das sofort rückgängig!“

Der Doktor schüttelte den Kopf. „Wenn das so einfach wäre. Das traumatische Introjekt bleibt als ein nicht assimilier barer Unruhestifter innerhalb des psychischen Geschehens bestehen und wird durch den Hauptabwehrmechanismus der Abspaltung konserviert.“

Ali drückte die Türklinke herunter und betrat den Kamelstall. „Introjekt und Über-Ich, das versteht hier im Stall sowieso kein Mensch“, murmelte sie vor sich hin. „Und schon gar nicht Hassan. Und Ich-Ideal? Ha, ha, dass ich nicht lache. Als Buddhist gibt es kein Ich und somit auch kein Ich-Ideal. Geschweige denn ein Über-Ich. Nur ihr Doktor, ihr besitzt so etwas natürlich“, zwinkerte sie ihm zu. „Nur Allah weiβ, was ihr noch so alles an Introjekten in euch selbst bereits angesammelt und abgespalten habt!“

„Das Negieren nützt nichts, Ali“, rief der Shrenk. Er wurde Rot im Gesicht und bekam einen Hustenanfall. Ali seufzte ergeben, sie wusste es, sie schaffte es mindestens einmal am Tag ihn zu ärgern und einen Hustenanfall bei ihm zu provozieren. So klopfte sie ihm geduldig auf den Rücken.

„Die Opfer werden oft durch Double-Bind-Techniken manipuliert“, versuchte der Shrenk trotz seines Hustens weiter zu referieren, während Ali weiter auf seinen Rücken klopfte und ausrief:

„Double-Bind? Oh nein, werter Shrenk, wir brauchen Hassan nicht doppelt fesseln.“

Der Shrenk hörte Ali nicht zu und redete hustend weiter:

„Was besonders zermürbende Gefühle von Scham und Schuld zurück lässt, die sich in der ähm, der sogenannten Nachfolter am quälendsten und destruktivsten auswirken.“

Ali blickte zu Hassan, der trotz des Lärms friedlich wie ein Baby schlief und nun sie, Ali als Mutter sah. Ach Unsinn, überlegte sie. Hassan träumt vom Paradies mit den zweiundsiebzig Jungfrauen und sicher nicht von mir.

„Es geht um ein überaus machtvolles Konstrukt im Unterbewussten, das besagt, dass nur derjenige, der die Herrschaft besessen hat, den Schaden anzurichten, in der Lage sein kann, diesen wiedergutzumachen“, fuhr der Doktor fort.

„Hier scheint alles ruhig, Shrenk, antwortete Ali, die ihm einfach nicht mehr zuhören wollte. „Wir sollten unsere Freunde aufsuchen und beratschlagen, wie wir weiterhin vorgehen wollen. Und wie viele Introjekte wir durch Prügelstrafe und Hypnose noch den anderen beiden zukünftigen potentiellen Opfern zu induzieren haben.“

„Ahmed und Omar?“ fragte der Shrenk. Ali nickte.
 
50.

In Kabine 372 herrschte Panik. Massoud saβ mit düsterer Miene vor seinem Laptop und las die letzten emails von Ahmed und Omar vor:

„Brüder des heiligen Dschihad. Wo ist Hassan? Hat er sich bei euch gemeldet?“

Der Shrenk trank seinen gewohnten Portwein und betrachtete dadurch die Lage eher von einer höheren Warte. Anders Manuel, der nervös mit den Fingern auf die Tischplatte trommelte. „Und jetzt?“, fragte er. „Massoud klickte mit der Maus die nächste email an: „Wenn Hassan nicht aufzufinden ist, starten wir den Angriff übermorgen. Brüder des heiligen Dschihad! Gebt uns Bescheid. Sonst starten wir übermorgen den 24 Oktober um 4 Uhr morgens. Wir können kein Risiko eingehen. Am 24 befindet sich das Schiff genau auf der Höhe der Azoren. Das Schnellboot kommt wie geplant erst am 25 Oktober. Erwarte eure Nachricht wegen Hassan.

Unterschrieben von einem Mohammed“, endete Massoud und begann seinen Spitzbart zu zwirbeln.

„Es gibt zwei Möglichkeiten“, begann Ali. „Die erste wäre den Kapitän sofort einzuweihen, aber das halte ich nicht für gut.“

„Und die Zweite?“, fragte Massoud.

„Die zweite Möglichkeit wäre…“

Ali war aufgestanden und nahm sich ein Glas Portwein.

„Dass wir Ahmed und Omar gefangen nehmen. Was ab jetzt sowieso am Besten ist. Die Lage wird immer gefährlicher.“ Sie schwieg.

„Und weiter?“, wollte Massoud wissen.

„Wir sollten diese letzte email Mohammeds von Hassans Computer aus beantworten und sagen, dass der Sprengstoff deponiert wurde.“

„Hm. Und dass Hassan eine Magen Darm Grippe hatte und sich deshalb nicht gemeldet hatte“, schlug Isabel vor. Ali nickte. „Das ist eine gute Idee.“ Sie zögerte. „Aber ich weiβ nicht ob es funktioniert. Irgendwas an unserer Schreibweise könnte sie misstrauisch machen und dann könnte alles schief laufen.“

„Vor allem, wenn wir Ahmed und Omar auch hypnotisieren!“, meldete sich der Shrenk.

„Ja, Doktor, das wären einfach zu viele Introjekte.“ Die anderen sagten nichts dazu und überlegten. Der Shrenk aber hatte sich erhoben und referierte mit erhobenem Zeigefinger irgendetwas über das Kopenhagen Syndrom: „Sie muss!“ Er machte eine längere Pause.

„Und darin scheint mir der Kern der Zumutung zu liegen. Ähm ja, den Täter zunächst in seine alten Rechte, die er durch sein Verbrechen erworben hat, wiedereinsetzen.“

„Shrenk.“ Ali klopfte ihm beruhigend auf die Schulter, aber der Doktor achtete nicht darauf.

„Erst dann, jawohl genau so ist es!“, kam es triumphierend. „Erst dann kann dieser aufgegeben werden, und zwar indem sich diesmal der Patient von ihm abwendet.“

„Wir warten die Antwort von Ahmed und Omar an Mohammed ab und dann schlagen wir zu“, überlegte Ali laut, worauf der Shrenk sofort ausrief: „Nein, Ali! Ich dulde es nicht noch einmal, dass ihr diese Männer auspeitscht! Ich muss dann dafür herhalten und sie therapieren, was meine Kapazitäten bei weitem übersteigt!“

„Doktor! Zuschlagen, bedeutet, dass wir in ihre Kabine eindringen und die Brüder fesseln, mehr nicht!“

„Und was ist mit dem Kapitän? - Wir müssen ihn informieren“, meinte Miguel besorgt.

„Der Kapitän ist auf uns nicht gut zu sprechen“, rief der Shrenk. „Wegen der Kamele, auch hat er mir befohlen sie zu therapieren. Der Shrenk zählte in Gedanken auf: Ali und die Kamele und dann Hassan und womöglich noch Ahmed und Omar. Müssen die nicht dringend einer Therapie unterzogen werden? Zumal es zwei Omars gab. Das war mehr als verwirrend.

„Sobald wir Ahmeds emails gecheckt haben und eine Antwort von Mohammed kommt, werden Ahmed und Omar gefangen genommen und der Kapitän informiert, was meint ihr?“, fragte Ali in die Runde. Alle nickten.

„Übermorgen Nacht“, murmelte Ali. Ihr schauderte. Bis dahin waren es noch genau einunddreiβig Stunden.
 
51.

„Ali. Wir sollten besser den Kapitän die Wahrheit erzählen“, meinte der Shrenk, während er versuchte mit ihr Schritt zu halten.

„Nein, Doktor!“ Kam es ungehalten.

„So geht wenigstens etwas langsamer“, rief er auβer Atem. Ali stoppte und blickte ihn eindringlich an. „Wir würden eine Panik heraufbeschwören, deren Ausmaβe wir jetzt noch gar nicht überschauen könnten.“

Ja, aber der Kapitän will uns erneut sprechen.“

„Ja und? Kommt Shrenk, wir werden erwartet.“

„Was mag der Kapitän schon wieder von uns wollen, werte Ali?“

Ali hielt an der Kabine vom Kapitän und klopfte. „Das werden wir jetzt erfahren“, murmelte sie und öffnete die Tür.

„Ah, da seid ihr Beiden ja!“, begrüβte sie der Kapitän.

„Was gibt es so Wichtiges, das sie uns erneut rufen?“, erkundigte sich Ali schnell und nahm Platz. „Wir haben uns strikt an das Abkommen gehalten. Unsere Kamele sind nicht mehr aus dem Stall herausgekommen.“

„Sie werden täglich von mir einer Psychotherapeutischen Sitzung unterzogen“, beeilte sich der Shrenk, den Kapitän aufzuklären.
„Es sind mir merkwürdige Vorkommnisse an Bord über sie berichtet worden.“

„Vorkommnisse?“ fragten der Shrenk und Ali, gleichzeitig.

„Man habe markerschütternde Schreie aus ihrem Kamelstall gehört, hieβ es.“

„Das ist jetzt aber maβlos übertrieben!“, entfuhr es Ali. Schreie können durchaus vorkommen. Dafür ist Akhbar verantwortlich, der beiβt öfters mal Miriam und Miriam…“

„Wie man mir berichtete, waren es menschliche Schreie!“

„Menschliche Schreie?“

„Wie man mir weiterhin berichtet hat, finden in der Kabine 372 auf Deck E, ständig konspirative Versammlungen statt.“

„Herr Kapitän Van Schloos, in Kabine 372 treffen wir unsere portugiesischen Freunde und trinken Portwein. Das kann schon mal ein bisschen lauter werden, aber markerschütternde Schrei werden da bei weitem nicht ausgestoβen!“

„Bitte hier nichts zu verwechseln“, korrigierte der Kapitän. „Markerschütternde Schreie drangen aus dem Kamelstall. Während Kabine 372 Tag und Nacht als Versammlungsstätte konspirativer Versammlung dient.“ Der Kapitän blätterte in einem Stoβ Papiere. „Wie ich überprüfte, sind sie beide Gäste von Karim Bin Awad aus Dschidda?“

„Ja, Kapitän Van Schloos.“ Der Shrenk nickte.

„Dieser Bin Awad hat einen berüchtigten Bruder.“

„Kapitän Van Schloss! - Sie können nicht einfach die Bin Awad Group in Saudi Arabien und ein einzelnes schwarzes Schaf in der Familie von Karim Bin Awad, in einen Topf werfen. Die Bin Awad Group ist das gröβte Bauunternehmen in Saudi Arabien. Und wir sind Freunde von Karim!“

Der Kapitän seufzte, was der Shrenk auch sofort tat, worauf der Kapitän ihn mit einem missbilligenden Blick streifte und fortfuhr: „Ich kann ihnen noch nichts nachweisen, aber meine Mannschaft wird die Augen offen halten. Sie können das alles herunterspielen, aber irgendetwas stimmt nicht mehr an Bord meiner Westerdam.“
 
52.

„Was für markerschütternde Schreie meinte nur der Kapitän?“, fragte der Doktor, während er mit Ali im Laufschritt zum Kamelstall unterwegs war.

„Das war Akhbar. Akhbar wird Hassan gebissen haben, als Strafe für seine Verbrechen, die er begangen hat“, antworte Ali.

„Wir hätten Hassan nicht im Kamelstall auspeitschen dürfen“, überlegte der Shrenk laut. „Die Dynamik des szenischen Raumes mit drei Figuren. Hm. Entsteht bekanntlich aus der wunschgeleiteten Aktivität von Handlungsträgern.“

„Shrenk!“

„Und aus der Einschätzung der Beziehungsverhältnisse, die diesen Bestrebungen dienlich oder hinderlich sind.“

„Bezieht ihr euch auf die frühe Kindheitsphase des Menschen oder eines Kamels?“ erkundigte sich Ali vorsichtig.

Der Shrenk hörte Ali nicht zu. Er war von dem für ihn so ungemein spannendem Thema der Psychoanalyse Freuds absorbiert:

„Es geht bei Akbar aber nicht mehr um die phallisch-ödipale Phase“, murmelte er. „Hier geht es eindeutig um die genitale Phase!“

Ali öffnete den Stall und was sich dort darbot, erklärte alles eben Vorgefallene in der Kajüte des Kapitäns.

53.

Um weiteren Verdachtsmomenten zu entkommen, fand das nächste Treffen am Abend in der Kabine von Ali und dem Shrenk statt. Der Shrenk lag ausgestreckt auf dem Sofa und schlummerte vor sich hin. Er hatte in letzter Zeit kaum Schlaf gefunden. Hassan wiederum lag nebenan im Badezimmer, geknebelt und gefesselt und war hellwach, was sich ab und zu in einem Stöhnen bemerkbar machte. Akhbar hatte ihn derartig mit Kamelbissen traktiert, dass es höchste Zeit war, eine Entscheidung zu treffen: Entweder die Kamele in die Kabine von Ali und dem Shrenk zu überführen, oder Hassan dorthin zu bringen. Nach einem kurzen Wortwechsel entschieden sich Ali und der Shrenk für letzteres. Was sogleich geschah. Das Reinigungspersonal war durch Isabel eingeweiht. Trotzdem musste es eine undichte Stelle geben. Denn wer wusste von den konspirativen Treffen, auβer dem portugiesischen Kreis und Massoud?

Ali beobachtete, wie Massoud weitere Härchen aus seinem Spitzbart zupfte und dabei war, mit der Maus auf die email zu klicken, die eben angekommen war:

„ Brüder des Heiligen Dschihad! Heute Nacht um Vier Uhr. Allah ist mit den Standhaften. Mohammed. Das ist alles was hier steht“, sagte Massoud.

„Es bleiben uns noch zehn Stunden“, rief Ali. „Wir müssen die Brüder Ahmed und Omar sofort gefangen nehmen!“

„Wie wollen wir das machen?“, wollte Pedro wissen.

„Ahmed und Omar werden nach ihrem gewohnten Aufenthalt im Crows Nest, ihre Kabine aufsuchen. Wir könnten sie ganz einfach vor der Tür zur Kabine überwältigen.“

„Gut!“, kam es einstimmig.

Ali blickte erneut auf die Uhr. „Es ist fünf vor Sechs! Höchste Zeit, sie vor ihrer Kabine abzupassen. Miguel und Pedro, euch kennen die Brüder wegen der Klimaanlage. Seid ihr einverstanden, Ahmed und Omar gefangen zu nehmen?“ Miguel nickte, und eilte zur Tür. Gefolgt von Pedro.

„Und vor allem, wohin dann mit ihnen?“, fragte sich Ali laut. „Im Kamelstall käme es erneut zu Schreien. Ich habe es selbst gesehen, wie Akhbar die Knebel aus dem Mund von Hassan entfernte, um ihn erst dann zu beiβen. Akhbar scheint ein wahrer Sadist zu sein und ergötzte sich anscheinend an Hassans Schreien. Das Grunzen von Hassan schien ihm zu wenig. Danach hat Akhbar ihm fein säuberlich, den Knebel wieder in den Mund gestopft, um seine Schandtaten zu vertuschen, aber heute ertappten der Shrenk und ich, ihn auf frischer Tat.“ Allgemeines Gemurmel erfolgte wie:

“É pá! Será que o camelo é um monstro?”

Der Shrenk erwachte und mischte sich sofort ein:

„Kein Monster, nein. Es handelt sich bei Akhbar um die Vorstufe und Teil der reifen, genitalen Sexualität!“

„Ich könnte im Kamelstall Wache schieben“, bot sich Manuel an.

„Oh nein!“, rief Ali aus. „Akhbar ist zu speziell, er würde euch nicht folgen, da er von Natur aus unfolgsam ist und nicht einmal mir folgt, es sei denn ich rede mit ihm über den Achtfachen Pfad.“

„Der Achtfache Pfad?“, fragte Manuel. Ali nickte.

„Ich kenne nur den Leuchtenden Pfad. Eine Terrorgruppe aus Peru zur Befreiung der Armen und Unterdrückten.“

„Keine Sorge, Manuel. Der Achtfache Pfad ist nicht aus Peru, sondern aus Indien. Mit dem Achtfachen Pfad befreit sich jeder selber durch die Lehren Buddhas und da braucht man keine Gruppe mehr und wird selbst erleuchtet.“

„Aha. Also befolgt Akhbar die Lehren des Buddha?“ Manuel blickte verwirrt in die Runde, erntete dort auch nur verständnislose Blicke.

Ali lachte. „Ja, so könnte man es auch nennen.“

„Selbstverständlich übernehme ich diese verantwortungsvolle Aufgabe. Ähm. Akhbar und die anderen Kamele zu betreuen und gleichzeitig zu therapieren. Wir wissen nicht, welch traumatische Erfahrungen Akhbar in seinem Elternhaus erfuhr, wodurch es zu Zwangshandlungen, besser: Wiederholungszwängen bei ihm kommt.“

„Einverstanden, Doktor. Ihr seid euch natürlich bewusst, dass es nicht zu weiteren Kamelexzessen an Bord kommen darf?“ Der Shrenk nickte.

„Auch sind keine weiteren Übertragungen seitens der Brüder Ahmed und Omar erwünscht.“ Ali zwinkerte dem Shrenk zu. „Hassan reicht, Doktor, den werde ich womöglich gar nicht mehr los!“ Worauf der Shrenk erneut nickte. Ali wendete ihre Augen zur Decke empor und murmelte: „Oh Allah, mein Gott und Beschützer, warum ausgerechnet ich?“

„Wann wird endlich Kapitän Van Schloos über die Lage informiert?“, wollte Massoud wissen und blickte fragend von seinem Laptop auf. In dem Augenblick klopfte es drei Mal an die Tür. Das war das abgemachte Zeichen. Manuel öffnete. Pedro kam herein. Sein Gesicht verriet nichts Gutes.

„Ahmed und Omar sind nicht aufgetaucht. Wir haben sie überall gesucht. Auch im Crows Nest. Vergeblich, sie sind spurlos verschwunden.“

Ali blickte nervös auf die Uhr. Es war inzwischen halb Acht.

„Wir müssen sie suchen!“, befand der Shrenk und seufzte.

„Aber wo?“, fragte sich Ali. „Die Zeit rennt uns davon.“

„So wie Ahmed und Omar“, meinte der Shrenk mit sorgenvoller Miene. „Auch sie rennen uns davon.“

„Wir geben sofort die Sache an ein paar Arbeitskollegen weiter“, schlug Manuel vor. „Die arbeiten als Kellner in den Restaurants.“

„Wir sollten dem Kapitän endlich alles erzählen“, wiederholte Massoud seinen Vorschlag. „Emails sind keine mehr verschickt worden. Weder von Ahmed, von Mohammed, oder der Gruppe aus Marokko.“

„Algerien“, berichtigte der Shrenk.

„Stimmt, Doktor. Den Kapitän zu benachrichtigen ist zu früh!“, entschied Ali. „Es käme zu unnötiger Panik an Bord. Das Schnellboot kommt erst am fünfundzwanzigsten, also morgen Nacht. Wir haben immer noch genügend Zeit, die Sache selbst zu regeln. Worauf sie aufstand. „Ich gehe jetzt auf Deck 4 und kontrolliere die Rettungsboote. Die Brüder könnten vorhaben, sich dort bis morgen früh zu verstecken.“
 
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