Lieber Yogiraj,
wie schade! Ich schätze deine warmherzige Gegenwart sehr!
Vielleicht darf ich ein wenig aufklären? Weißt Du, mein Lehrer sagte mir zu diesen Dingen folgendes: Es gibt in jeder lebendigen Organisation oder Gruppe immer welche, die den "linken" Weg gehen und andere, die den "rechten" Weg gehen. Es ist ein Naturgesetz.
Versucht man nun, dieses alles auszumerzen, die "anderen" auszuschließen in dem Sinne, daß man nur noch die "Guten" (zu denne man selbstverständlich auch gehört) unter sich hat, dann erstarrt es. Die Lebendigkeit erstarrt. Man hat sich ein Bild gemacht. So ist "das Gute"!
Doch der Erzengel, der vor dem Paradies, vor dem Garten "Eden" (das bedeutet Wonne) steht, hat ein kreisendes Schwert. Es wird zwar oft als flammend übersetzt, doch in der Wortwurzel ist vor allem das kreisende.
Die Dinge drehen sich. Wie das daoistische Zeichen für das Yin und Yang, das in sich eine Dynamik trägt. Es dreht sich. So drehen sich die Dinge, die "gut" sind und die "schlecht" sind. Die "guten" zeigen plötzlich ihre Schattenseiten, und die "schlechten" wachsen plötzlich in lichte Gebiete.
Das alles würde man zerstören, wenn man die "anderen" ausschließt. Als wenn man eine Pflanze so sehr schätzt, daß man sie herausreißt, nur das nimmt, was sich aus der dunklen Muttererde ans Licht gewagt hat. Was passiert mit einer solchen Pflanze? Verliert sie nicht ihre Wurzeln, ihre Nahrung?
Deshalb erstarren viele Foren...
Die Versuchung ist stets da. Doch es gehört Weisheit dazu, ihr zu widerstehen.
Und die andere Möglichkeit, die du nun angekündigt hast, ist auch nicht besser. Du gehst einfach ganz weg. Damit läßt du "die anderen bösen dunklen" unter sich sein. Doch verlierst du nicht deine Nahrung dadurch? Es gibt keine "besseren" Foren oder schlechtere, weil überall Menschen sind wie du und die "anderen" *lach*
Aber zugegeben, sie ist ein "bißchen" besser. Im Zweifelsfall soll man weichen, das stimmt. Jesus geht aus ihrer Mitte hinaus, als sie ihn steinigen wollen. Doch nicht etwa, weil er glaubt, ihnen ausweichen zu können, nur weil die Zeit für die tatsächliche Begegnung mit dem "anderen" noch nicht gekommen ist. Wer erkennt, daß er diesem "anderen" noch nicht gewachsen ist und sich selbst ein wenig schützen kann, der kann gehen. Nicht in der Hoffnung, daß ihm in Zukunft solche "dunklen" Menschen erspart bleiben, sondern nur in der Bescheidenheit die erkennt, daß er selbst noch nicht reif genug ist.
Die Jünger Jesu werden angewiesen in jede Stadt hineinzugehen. Doch in den Städten, in denen man ihr Wort nicht hören will, brauchen sie nicht zu bleiben. Das ist dann die Entscheidung der Bewohner der Stadt. Dann sollen die Jünger auch aus ihr herausgehen.
Doch wenn es dort welche gibt die das Wort schätzen, dann soll man nicht hinausgehen. Dann ist es die Kunst und die Weisheit, gerade dort zu wirken.
Das gilt übrigens nicht nur für dich, lieber Yogiraj, sondern genauso für einen Oriano. Egal, wer nun der "lichte" ist oder der "dunkle".
Wer in Demut handelt, bleibt und lernt. Und wenn es im Stillen ist. Es kann sein, daß man eine Zeitlang schweigen muß, aber das wahre Licht wirkt auch durch Schweigen! Bis wieder ein offenes Ohr entsteht, und das Licht auch im Reden wirken darf.
Was kann man denn von sovielem "dunklen" lernen? Nun, dasselbe dunkle ist ja auch in dir. Wäre dein Dunkles schon licht, könntest du ihnen leuchten - egal ob im Schweigen oder im Reden. Das Bleiben fördert also eine Begegnung mit Dir selbst, wahres Wachstum ist möglich.
Ich habe mir öfter die Mühe gemacht, als ich gerade einmal Zeit hatte, einen thread mit über tausend Antworten durchzulesen. Und wie oft ist dann diese Regung da, daß man dazu etwas schreiben mag. Doch die Antworten sind alles Schnee von gestern oder letztem Jahr. Aber die Resonanz, die es in mir weckt, die ist Thema von heute und von mir. Und dann still zu sein, wirklich innerlich still und es lassen zu können wie es ist.
Ich denke da oft an dieses Kapitel 27 aus dem Dao De Jing:
Ein guter Wanderer läßt keine Spur zurück.
Ein guter Redner braucht nichts zu widerlegen.
Ein guter Rechner braucht keine Rechenstäbchen.
Ein guter Schließer braucht nicht Schloß noch Schlüssel, und doch kann niemand auftun.
Ein guter Binder braucht nicht Strick noch Bänder, und doch kann niemand lösen.
Der Berufene versteht es immer gut, die Menschen zu retten;
darum gibt es für ihn keine verworfenen Menschen.
Er versteht es immer gut, die Dinge zu retten;
darum gibt es für ihn keine verworfenen Dinge.
Das heißt die Klarheit erben.
So sind die guten Menschen die Lehrer der Nichtguten,
und die nichtguten Menschen sind der Stoff für die Guten.
Wer seine Lehrer nicht werthielte
und seinen Stoff nicht liebte,
der wäre bei allem Wissen in schwerem Irrtum.
Das ist das große Geheimnis.
Geht es nicht gerade darum, das kleine Licht, das man eventuell in sich erahnen kann, in der Dunkelheit leuchten zu lassen?
Wo willst du hingehen? Da wo es schon licht ist? Schön! Aber mußt du dazu im Äußeren wandern oder im Inneren?
Aber wo du auch immer hingehst, wisse daß ich dich sehr liebe.

in Liebe und Wahrheit,
eva-maria