Edukation, Erziehung, bedeutet im ursprünglichen Sinne "herausführen" (educere). In einem gesunden Schulsystem müsste demnach jedem einzelnen Schüler die Möglichkeit geboten werden, sich in seinem eigenen Sinne, gemäß seiner exakten Anlagen, zu ent-falten. Das heutige Schulsystem jedoch ist von der Wurzel her genau konträr ausgerichtet und führt letztenendes leider doch nur zur Faltenbildung.
Es gibt grob betrachtet zwei pädagogische Richtungsmöglichkeiten, das Studium Generale und das Studium Fundamentale. Ersteres ist das heutige dominante System. Es basiert auf einer definitiven Indifferenz, einer Nichtunterscheidung. Alles wird in einen Topf geworfen. Die Anforderungen verlangen nach einer uniformen Anpassung, wer sich dem widersetzt, hat mit Widerstand zu rechnen. Doch diese Art der Erwartungshaltung wird den fraglos vorhandenen unterschiedlichen Entwicklungsverläufen der einzelnen Schüler nicht gerecht. Jeder Schüler hat de facto sein eigenes Tempo und so sind Disharmonien vorprogrammiert, die sich zweifelsohne negativ auf das Klangfeld an den Schulen auswirken, was wiederum das an sich durchaus vorhandene kreative Potential auf unnötigste Weise karikativ verzerrt. Das Resultat ist eine reine Frustenergie, wie man täglich spüren kann.
Man kann also guten Gewissens behaupten, dass das Studium Generale auf der falschen Wurzel basiert, da es dem Lebensfluss destruktiv entgegenwirkt.
Das Studium Fundamentale hingegen ist auf der notwendigen Unterscheidung aufgebaut. Es ist ein organisches System, das von der Wurzel zur Frucht denkt bzw. von der Frucht auf die Wurzel zurückschließt. Intelligenz bedeutet ja in Wirklichkeit Unterscheidungsfähigkeit (inter-legere = zwischen etwas (zwei Dingen) bewusst wählen, unterscheiden können). Es ist zeitlich den einzelnen Tempi angepasst, fern jeglicher Eintopf-Erwartungshaltung, hat also die Burger-Geschmacksbefriedigungs-Ebene erfolgreich überwunden.
Nur ist dieses intelligente System leider auf diesem Himmelskörper recht selten anzufinden. Die Walldorf-Pädagogik nähert sich diesem zumindest auf dem Papier, wenngleich sie sich in konkreto meistens doch als Studium Generale im Mantel des Studium Fundamentale entpuppt, wie ich aus eigener Erfahrung zu berichten weiß. Dennoch ist dort die Möglichkeit einer tatsächlichen Transformation natürlich um einiges größer, daher würde ich mein Kind, falls ich eins hätte, eher auf eine Walldorfschule schicken als auf ein "Gymnasium".
Was soll ich sagen, der Turm von Pisa ist nicht umsonst schief
