east of the sun
Sehr aktives Mitglied
Sehe ich genauso. Der Chefdirigent der Münchner Philharmonie wurde entlassen weil er Putinfreund sei.Das hier ist m.A.n., zumindest betreffend Thema und Grundtendenz, ein kluger Artikel:
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Der heiße Draht darf nicht erkalten, sonst findet Putin keinen Ausweg aus dem Krieg
Deutschland versinkt im Hurra-Patriotismus. Doch wer im Schützengraben liegt, kann nicht argumentieren. Wir brauchen das rote Telefon zum russischen Diktator genauso dringend, wie er selbst. Doch wo steht es?www.focus.de
Zitat:
"Was wir brauchen, ist die Tugend des Verstehens. Verhandeln können immer nur die, die sich in die andere Seite hineinversetzen können, ohne ihren eigenen Standpunkt deswegen aufzugeben. Wir brauchen Putin-Versteher, die deswegen nicht gleich zu Putin-Verteidigern werden.
Gerhard Schröder könnte zum Beispiel so einer sein. Er hat Putins Handy-Nummer. Anstatt ihn aus der Partei zu werfen, sollte die Kanzlerpartei ihn zum Sonderbotschafter ernennen. In der Raserei der Selbstgerechtigkeit übersehen wir schnell die, die noch einen Draht zum Feind haben. Genau der aber ist überlebensnotwendig. Denn am Ende heißt das einzig mögliche Ziel jeder Auseinandersetzung: friedliche Koexistenz. Ob mit oder ohne Putin spielt dabei keine Rolle."
Ich weiß nicht ob Gerhard Schröder der Richtige wäre, aber der Gedanke ist richtig. Denn was nützt moralische Empörung und (vermeintliche) Geschlossenheit wenn das zum Teil einer eskalierenden Dynamik wird? Und nein, damit ist nicht gemeint man müsse zurückhaltend oder gar sanft reagieren. Man muss aber pragmatisch verhandeln, und das funktioniert nicht wenn nur Entweder-Oder-Haltungen gestattet sind.
Wenn man die bisherigen Sanktionen überdenkt, dann gibt es m.A.n. 3 Kategorien:
1) Klar richtig
2) Unklar ob richtig, weil man die Folgen kaum berechnen kann
3) Klar Falsch
Und unter klar falsch würde ich es verbuchen wenn die diplomatischen Türen ausgebaut und zugemauert werden. Wenn eine Haltung entsteht, dass man nur noch mit Russland ins Gespräch kommen will wenn Putin weg ist, dann entsteht eine Abhängigkeit genau davon -- und das wird hier niemand bestimmen können.
Ebenfalls falsch finde ich, wenn normale russische Bürger nicht nur in Russland unter Sanktionen leiden müssen, das lässt sich nicht vermeiden weil die Wirtschaft attackiert wird. Aber wenn nun z.B. Crypto-Börsen die Accounts russischer Bürger sperren wollen (gibt ein paar die das offenbar planen), wenn die eigentlich nirgends mehr hinreisen können, wenn russische Künstler gecancelt werden usw., dann sehe ich darin mehr selbstgerechten Exzess als Vernunft.
In den letzten Jahren der DDR wurde ein Zitat von Rosa Luxemburg hochgehalten: die Freiheit liegt immer in der Freiheit des Andersdenkenden. Ich denke oft darüber nach ob das wirklich nur gilt wenn man auf der benachteiligten Seite steht.