Hattest Du auch mal so eine Tochter in einer solchen Phase, oder warum regst Du dich so künstlich auf?
Ich habe mehrere Töchter, wir hatten auch mehrere Phasen, wir haben - und ich denke, das kommt in allen Familien so vor - schöne und schwere Zeiten miteinander, die ich allesamt nicht missen möchte.
Ich denke, es kocht jeder nur mit Wasser - eine perfekte Familie, DIE perfekte Beziehung zu seinen Kindern gibt es nicht, sondern das sind Dinge, die wachsen und laufen völlig individuell ab. Und bei jedem Kind anders.
Es gab auch Situationen, da hab ich nächtelang nur geheult, weil ich wiedermal Sorgen um ein Kind hatte. Aber auch das ließ sich lösen - durch Gespräche, durch Geduld, Dranbleiben, Nichtaufgeben und vor allem durch Liebe.
Bei meinen eigenen Eltern damals gabs ihre strikten Regeln, die über allem standen. Als ich mich das erste Mal dagegen zaghaft auflehnte, flog ich hochkant raus. Mit 16 stand ich auf der Straße, von einem Tag auf den anderen, musste die Schule schmeissen schauen, wie ich überlebte.
Ein Kind aufzugeben, rauszuwerfen (und da ist es im Prinzip völlig unerheblich, ob die Eltern sagen "Du gehst" oder das Kind sagt "ich gehe" - denn das ist ja nur die Konsequenz von einer unerträglichen, ungelösten Situation), nur weil es den Vorstellungen der Eltern "nicht entspricht", empfinde ich auch heute noch als zerstörerisch. Es zieht unter Umständen dem Kind den Boden unter den Füßen weg...gerade in dem Alter fahren die Hormone Achterbahn, man fühlt sich unsicher und das sichere Zuhause, in dem man sich angenommen und geliebt fühlt, gibt Halt. Auch wenn es in dieser Zeit temporär zum Feindbild mutiert - es bietet einen Anker im Leben, auf den man zurückgreifen kann, wenns einen wieder mal recht beutelt.
Dass Eltern einen nicht aufgeben, zu einem stehen, egal, was passiert - das finde ich wirklich wichtig.
Ich hatte die ersten Jahre kaum Kontakt zu meinen Eltern, erst viel später fanden wir wieder zueinander - wofür ich heute sehr, sehr dankbar bin. Denn später gabs dann viele Situationen, wo ich bei ihnen (auch als Erwachsener) Halt und Annahme gefunden habe, "Kind" sein durfte.
Es gibt IMMER die Möglichkeit, Kompromisse zu finden - egal, wie sie aussehen. Jeder will leben, sich leben dürfen, seine eigenen Vorstellungen umsetzen dürfen. Auch Kinder.
Und wenn diese Vorstellungen nicht zu den Erwartungen der Eltern passen, ist für mich ein Kontaktabbruch gerade in der Zeit, in der die Kinder Eltern noch so dringend "brauchen" - als Anlaufstelle bei Problemen, als Zuhörer, als Tankstelle für Liebe, fürs Angenommensein - einfach fatal.
Ich weiß nicht, ob der Ausdruck "künstlich aufregen" hier zutrifft, denn die Problematik ist sicher komplexer.
Was mir in diesem Thread aufgefallen ist, dass Gespräche MIT der Tochter durch Gespräche ÜBER die Tochter ersetzt werden - das habe ich geschrieben, weil ich denke, dass das ein wichtiger Aspekt sein kann.
Es macht (für mich) halt keinen Sinn, in einem öffentlichen Forum auf sein Kind zu schimpfen, als Ersatz für Geduld und den Willen, einen Kompromiss zu finden, zu dem beide Teile stehen können.
Ich gebe es zu - ich bin ein Muttertier, meine Kinder hatten/haben einen großen Stellenwert bei mir, auch wenn sie heute schon größtenteils erwachsen sind. Darum fällt es mir auch sehr schwer, diese Vorgangsweise nachzuvollziehen.
Liebe Grüße
Suena