Gibt es ein Regelwerk bzgl. des Schamanismus
Ursprünglich war es die Mittlerposition zwischen materieller Welt und Geisterwelt. Und nicht Beruf, sondern Berufung. Wer Schamane werden wollte, aber nicht dazu bestimmt war, hatte Pech, ebenso wie jeder, der dazu bestimmt war, aber es nicht werden wollte.
Zynisch betrachtet waren Schamanen körperlich und/oder psychisch auffällige Stammesangehörige, die für weltliche Positionen nicht in Frage kamen, aber aufgrund ihrer ungewöhnlichen Art mit der Geisterwelt assoziiert wurden. Daraus erwuchs eine lange Tradition, die wohl manchem Menschen das Leben rettete, der andernfalls ausgestoßen worden wäre.
Ich würde es auch heute noch so sehen, wollte ich dem Begriff noch Sinn abgewinnen: Der Schamane ist ein Mensch, der von klein auf nicht ganz im materiellen Leben steht und die drei Kennzeichen des Paranormalen - liminality, marginality und anti-structure - in sich vereint. "Liminal" beschreibt im Wesentlichen Schrödingers Katze: einen Zwischenzustand, in dem weder A noch B zur Gänze verwirklicht ist und der die Voraussetzung dafür darstellt, dass sich paranormale Phänomene äußern können. "Marginal" bzw. "marginalisiert" ist, wer sich in einer Gesellschaft aufgrund deren Regeln nicht auf die dort bevorzugte Weise entfalten kann, und "Anti-Struktur" steht für eine gewisse korrumpierende Wirkung auf sich selbst und die Umwelt, derer sich die betroffene Person nicht erwehren kann.
Wenn du also jemandem begegnest, der a) zwischen grundlegend unterschiedlichen Zuständen zu irrlichtern scheint, b) von der Gesellschaft selbst dann, wenn sie ihn akzeptiert, scheel angesehen und nach Möglichkeit gemieden wird, c) z.B. mit sinnlosen Betrügereien auffällt oder allgemein das Talent hat, immer und überall Unfrieden zu stiften, und d) etwas von Geistern erzählt, dann hast du wahrscheinlich einen Schamanen vor dir. Oder eine Hexe, je nach Perspektive.
Wer voll im Leben steht, geistig stabil erscheint, dir aus dem Gedächtnis die Mythologien aller möglichen exotischen Völker herunterbeten kann und am besten noch einen Lebenslauf herumreicht, der mit Expertise auf mehreren Gebieten der Esoterik wirbt, dessen Schamanismus ist wahrscheinlich nur ein oberflächlicher Lifestyle. Man kann es sich aber auch noch einfacher machen und sagen: Wer Mythologien zitiert, als handelte es sich dabei um verbindliche Gesetzestexte, hat nicht den Hauch einer Ahnung von irgendeiner anderen Welt als der materiellen. Er ist höchstens Magier, also jemand, der versucht, das Paranormale als eine Art Wissenschaft zu praktizieren.