Ich möchte euch einmal den interessanten Lebenslauf eines Späthippies und Osho-Sanyassin vorstellen. Quelle:
oshotimes.de
Nie wieder Unternehmer immer Unternehmer
Über Atirup, den Mann, der den Tofu in die Bioläden brachte
Ein erfolgreiches Unternehmen kann zum Alptraum werden, wenn es zu erfolgreich wird. Also sagte sich Atirup nach zehnjähriger Tätigkeit als selbstständiger Geschäftsmann: Nie wieder Unternehmer!
In den achtziger Jahren war Atirup ein Pionier in der Biomarkt-Szene. Als einer der ersten in Deutschland produzierte er Tofu und brachte ihn mit großem Erfolg auf den Markt.
Ein ganz normaler Späthippie
Zum Unternehmer geboren? Nein, überhaupt nicht, sagt Atirup und erzählt über seine Herkunft aus einem katholisch linksorientierten Elternhaus. Geschäftemachen und Geldverdienen sind mir also überhaupt nicht in die Wiege gelegt worden und im Grunde hat mich beides nicht interessiert. Ich war eigentlich ein ganz normaler Späthippie, als ich 1977 mit zwanzig mein Abi machte. In der Schule waren wir meistens bekifft, haben in der Zehn-Uhr-Pause erst mal einen durchgezogen. Danach fanden wir das meiste ziemlich lächerlich, was die Lehrer so von sich gaben. Allerdings hatte die Montessori-Schule, die ich in Köln besuchte, den großen Vorteil, dass sie mich in einem mir eigenen Charakterzug sehr gefördert hat: meiner Wissbegierde. Ich war unglaublich interessiert an Philosophie und wir hatten einen phantastischen Unterricht auf sehr hohem Niveau.
Das, was den zukünftigen Kaufmann eigentlich hätte interessieren müssen, die Welt der Zahlen, fand er nur langweilig. Mathe habe ich, sobald es ging, abgewählt und gerade noch eine Vier bekommen. Und das eigentlich auch nur, weil der Lehrer auch ein Freak war. Eigentlich hätten wir alle eine Sechs haben müssen.
Schlüsselerlebnis: Tao-Te-King
Entsprechend seinen Neigungen beginnt Atirup, Philosophie, Sinologie und Japanologie zu studieren. Schon während seiner Schulzeit lernt er seine spätere Frau, die Chinesin Yin Yin kennen. Sie ist sicher ein Grund, aber nicht der einzige Grund, dass er die chinesische Sprache studiert. Ein Schlüsselerlebnis meiner Jugend war das Buch Tao-Te-King, das Hauptwerk der taoistischen Weisheitslehre. Eigentlich hatte ich mich schon früh vom Christentum meines Elternhauses losgesagt. Ich war zehn oder elf, als ich schockartig realisierte, dass ich all das nicht glaubte, was ich in der Kirche hörte. Da war also erst mal religiöses Vakuum. Aber schon wenig später kam aus meinem Inneren das Bild einer weltumfassenden Ganzheit. Es gibt irgendetwas, das alles zusammenhält. Als ich dann später das Tao-Te-King las, fand ich das in Worte gefasst, was ich irgendwo in mir gespürt hatte.
Der Weg zum Bio-Unternehmer
Erstaunlicherweise ist der Weg vom Taoismus zum Bio-Unternehmer gar nicht so lang, wenn noch ein kleiner Zwischenschritt hinzukommt: die Makrobiotik. Mit der ihm eigenen intensiven Wissbegierde studiert Atirup diese Ernährungsphilosophie, die auf der traditionellen chinesischen Medizin beruht. Heute sagt er: Die Makrobiotik, besonders in ihrer Variante der siebziger Jahre hatte etwas Extremistisches. So nach dem Motto: je mehr brauner Reis, desto besser. Und wer sich nur noch von braunem Reis ernährt, wird erleuchtet!
Natürlich kauft Atirup seinen braunen Reis im Bioladen und irgendwann fragt ihn der Besitzer ein Freak mit langen blonden Haaren ob er nicht jemanden kenne, der seinen Laden kaufen wolle. Das ging mir nicht mehr aus dem Kopf! Und dann habe ich meine Mutter überzeugt, all ihr Erspartes herauszurücken, damit ich diesen Laden kaufen konnte. Ohne jegliches unternehmerisches Know-How fingen wir an. Wir waren so naiv und weltfremd! Funktionieren konnte das nur, weil Yin Yin meine Partnerin war. Sie, vom Sternzeichen Jungfrau, ist ein Naturtalent für alles Geschäftliche! Ich war der Visionär und sie hat es in praktische Bahnen gelenkt, sodass es funktionieren konnte.
Tofu,Tofu,Tofu!
Zwei Jahre später 1982 findet es Atirup schon gar nicht mehr so spannend, immer hinter der Ladentheke zu stehen. Er hat eine neue Idee: Tofu! In der Familie von Yin Yin wurde Tofu gegessen und ich hatte die Idee, dass dieses aus Soyabohnen gewonnene Produkt gut in die Naturkost-Schiene passt. So habe ich angefangen, in großen Töpfen Tofu zu produzieren. Das waren anfangs ziemlich bröckelige Dinger, die ich aber schon verkaufen konnte. Damals gab es Tofu noch in keinem deutschen Bioladen. Wir sind dann nach Holland gefahren, wo es schon Bio-Unternehmen gab, die so etwas in größerem Stil produzierten. Das war eine ehemalige Molkerei. Wir sahen die Leute mit Schürzen und Gummistiefeln vor Riesentöpfen, wo alles dampfte, und ich war absolut begeistert. Wir haben dann kurzerhand mit einem befreundeten Lehrerehepaar die entsprechende Drucktopfkochanlage für mehrere 100 Liter in Japan bestellt, obwohl wir noch gar nicht genau wussten, was genau wir damit machen sollten geschweige denn, dass wir einen Businessplan gehabt hätten. Die Anlage kostete ca. 20.000 DM, was natürlich viel Geld für uns war. Kurz bevor die Anlage auf dem Seeweg ankam, haben wir in Siegburg eine ehemalige Metzgerei gefunden, wo wir die Anlage in der alten Wurstküche installieren konnten. Während Yin Yin weiter den Bioladen machte, produzierte ich Tofu und brachte ihn mit unserem Suzuki-Minibus in die Bioläden und Reformhäuser.
Arbeit, Arbeit, Arbeit!
Das Tofugeschäft boomt so sehr, dass Atirup und Yin Yin 1984 ihren Bioladen verkaufen. Inzwischen hat sich auch ihre Familie vergrößert: 1982 wird ihre Tochter Milena geboren, 1984 ihr Sohn Han-Yu.
Der nächste Schritt ist die Anmietung einer Gewerbehalle in Köln, die günstig neben dem Bio-Großmarkt liegt und zehnmal so groß ist, wie die bisherige Produktionsstätte. Es war Arbeit, Arbeit, Arbeit! Das Investitions-Tempo unserer Firma war so gewaltig, dass wir nie an den Punkt kamen, Geld zu verdienen. Alles Verdiente wurde sofort reinvestiert, um die wachsende Nachfrage zu bedienen. Aber gleichzeitig war die Stimmung gut, vielleicht auch wegen der vielen Sannyasins, die bei uns arbeiteten. Und wir hatten dieses tolle Produkt und fühlten uns als Teil der Öko-Bewegung zur Rettung der Welt. Allerdings hatten wir bald wieder das Problem, dass wir nicht mehr wussten, wie wir die große Nachfrage bedienen sollten. Köln war inzwischen auch zu klein geworden und die große Frage war: wohin? Bei mir kamen damals die ersten Erschöpfungsanzeichen auf, die ich mir aber nicht eingestehen konnte. Ich war nicht mehr ganz und gar bei der Sache und ließ mir von Wirtschaftsberatern den Floh ins Ohr setzen, im Ruhrgebiet eine große Immobilie zu kaufen, um dort das neue Werk zu errichten. Dafür bekam man zwanzig Prozent der Investitionssumme geschenkt und so konnten wir ohne Eigenkapital ein großes Rad drehen. Das hätte mir allerdings fast das Genick gebrochen. Ich hatte einen Molkereimeister, der die neue Anlage installieren sollte. Und der sagte: ,Wir brauchen nicht die teuren Maschinen aus Japan! Ich kann dir was Gleichwertiges mit gebrauchten HighTech-Teilen aus der Molkereiindustrie bauen. Leider war ich so naiv, ihm zu glauben! Hinterher war das ganze Geld weg, aber die Anlage funktionierte nicht. Jeden Tag sollten Tonnen produziert werden, aber nichts kam raus aus der neuen Anlage. Eine absolute Katastrophe! Zu spät hatte ich bemerkt, dass dieser geniale Molkereimeister Alkoholiker war und jede Menge spinnerte Ideen hatte, aber nicht wusste, was er eigentlich im Detail machte.
Haarscharf am Konkurs vorbei
Innerhalb von drei Monaten schnellen die Schulden auf 300.000 DM hoch und nicht nur Atirup bekommt zittrige Knie die Banken sind ebenfalls in Panik. Sie verlangen die Hinzunahme eines finanzstarken Partners. Ein großer Reformwarenhersteller zeigt Interesse, aber nur unter der Bedingung der alleinigen Inhaberschaft. Da war ich froh und habe verkauft. So bin ich um Haaresbreite am Konkurs vorbeigeschlittert. Das Ganze war ein Horrortrip, von dem ich heute noch manchmal Alpträume habe.
1992 ist für Atirup das Kapitel Tofu beendet. Nach Abwicklung seiner Firma arbeitet er als Freiberufler für einen Naturkostverband. Er erarbeitet Richtlinien zur Qualitätskontrolle von Bio-Produkten. Den neuen Job habe ich nicht sehr geliebt es war eine sehr bürokratische Tätigkeit aber er war praktisch, weil ich von zuhause aus arbeiten konnte. So hatte ich wieder mehr Zeit und konnte mehr in meine weibliche Seite gehen. Dazu gehörte, dass ich wieder meine Gitarre aus der Ecke holte und anfing zu spielen. Ganz auszusteigen kam mir allerdings nie in den Sinn, schließlich hatte ich zwei Kinder, für die ich sorgen musste. Yin Yin hatte sich von mir getrennt und es brauchte Zeit, bis ich mich in meiner Rolle als allein erziehender Vater stabilisiert hatte. Ich spürte mein Bedürfnis, wieder mehr nach innen zu gehen, und so kam es, dass ich 1997 das Rebalancing Training mit Vibodha machte. Ein Verbindung zu Sannyas gab es für mich schon seit 1982. Damals fing ich an, die Dynamische zu machen, und es gab auch die Idee mit der Tofu-Crew eine Kommune aufzumachen.
Nachhausekommen
Das Rebalancing-Training habe ich unglaublich genossen. Vor allem den intensiven Herzkontakt mit den anderen Teilnehmern. Ich hatte dort immer das Gefühl, ich werde vollkommen akzeptiert, so wie ich bin auch als Nicht-Sannyasin. Es gab also eigentlich überhaupt keinen Grund, Sannyas zu nehmen, zumal der Meister ja schon tot war. Und dennoch gab es dann plötzlich diesen magischen Moment. Ich ging im Mediapark spazieren und aus dem Nichts heraus überkam es mich: Ich will Sannyas nehmen! Es war eigentlich das erste Mal in meinem Leben, dass etwas geschah, das völlig an meinem Verstand vorbei gelaufen war. Was mein Verstand gar nicht mitbekommen hatte. ,Es ist unlogisch, sinnlos und bringt nichts, sagte mein Verstand, und dennoch war mir ganz klar, dass ich Sannyasin werde. Es war ein ganz starkes Gefühl von Nachhausekommen.
Das Kapitel Software beginnt
Atirup erzählt, die entscheidenden Impulse in seinem Leben seien immer von außen gekommen. Zufälle, denen er dann aber mit intensiver Entschlossenheit gefolgt sei. So ist es auch diesmal. Das Kapitel Software beginnt. Anfang 1997 fragte mich ein befreundeter Anwalt, ob ich nicht Lust hätte, ,pro forma die Geschäftsführung einer kleinen Software-Firma zu übernehmen. Hintergrund war, dass ein Computerunternehmer hochbegabt, aber kaufmännisch untalentiert mit seiner Firma pleite gegangen war. Man brauchte also einen Geschäftsführer, um die Firma weiterzuführen. Atirup sagt zu und kümmerte sich zunächst um das Kaufmännische. Dann aber entdeckt er seine Freude am Programmieren. Das war vielleicht die beste, auf jeden Fall die stressfreieste Zeit in meinem Leben. Ich bekam einen guten Tagessatz, und das Tolle beim Programmieren: Dein Mind ist vollkommen absorbiert. Du löst Probleme, weißt, wie es geht, und um 17.00 Uhr lässt du den Griffel fallen. Wunderbar! Aber dann packte mich doch wieder mein Unternehmerinstinkt. Ich sah, dass die neuen Geschäftsführer vieles genauso falsch machen, wie ich damals in der Tofu-Zeit. Geblendet von ihrem Erfolg glaubten sie an unbegrenztes Wachstum und gingen nicht sehr achtsam mit dem Geld um. Statussysmbole und Golfen waren in der Zeit des Internet-Hypes selbstverständlich. Irgendwann konnte ich das nicht mehr mit ansehen. Und da reifte in mir die Idee: Eigentlich könnte ich das alles viel besser alleine machen. Und so gründete ich zusammen mit Yin Yin (unsere Geschäftsbeziehung überdauerte unsere persönliche Beziehung) die Firma Koan-Solution, mit der wir als Dienstleister ein kleines Segment des SAP-Marktes bedienen. Wir beschränkten uns hier auf die Entwicklung von Formularen und das Drucken. Das hört sich simpel an, ist aber ein komplizierter Vorgang im komplexen Umfeld der SAP-Programmiersprache. Die von unserer Firma vorgenommene Spezialisierung hat sich als absolut richtig erwiesen, denn der SAP-Markt ist inzwischen hart umkämpft. Da ist spezifisches Know-How gefragt, und das können wir bieten.
Der Mann, der nie mehr Unternehmer sein wollte, ist also rückfällig geworden. Ob auf Dauer ist allerdings ungewiss. Da steht eine andere Seite meines Lebens, sagt Atirup und zeigt auf seine Gitarre und sein kleines HighTech-Musikstudio. Vielleicht habe ich bald mehr Zeit dafür. Wer weiß, was passiert? Vielleicht aber gehen wir auch mit unserer Firma nach China, wo es noch ziemlich wenig SAP-Dienstleister gibt
Alles Liebe. Gerrit