@ Jovannah
Klar, kann ich dir gerne erklären. Ist leider ein längerer Text, aber auch kein einfaches Thema...
Ok, es gibt ja immer eine offizielle Version und die Tatsächliche die offizielle geht davon aus das Ein Euro Jobs keine regulären Stellen verdrängen dürfen. D.h. Sie dürfen keine Vollzeitarbeit darstellen (38,5 Std. Woche), sondern sollten sich im Rahmen von 30 Stunden pro Woche laufen. Der Sinn der Sache soll es sein Arbeitslose für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren, wobei ich mich offen gestanden Frage was ein Informatiker oder Metallbauer beim Spargelstechen lernen sollte...
...womit ich beim Thema Gemeinnützigkeit wäre: Der Job soll einen gemeinnützigen Charakter haben, also entweder man tut etwas für bedürftige Menschen oder für die Gesellschaft. Gute Idee, miese Durchführung. Was beispielsweise das oben erwähnte Spargelstechen betrifft entzieht sich mir die Erkenntnis was daran gemeinnützig sein sollte. Gemeinnützig, bzw. öffentliches Interesse ist bereits, wie im anderen Beitrag geschrieben, dann gegeben wenn du einen Auftrag durch die entsprechende Städtische Verwaltung erhältst. Das bedeutet Bauunternehmer A kennt Stadtratsmitglied B, B spielt A einen Auftrag zu und kümmert sich die ARGEn laufen unter kommunaler Verwaltung darum das A in der zuständigen ARGE als Anbieter einer Wiedereingliederungsmaßnahme geführt wird. B ordert darauf hin bei der ARGE einen oder mehrere Arbeitslose an, bekommt dafür eine Vergütung von 250 bis 500 Euro von denen er 120 Euro an den Arbeitslosen abführt und den Rest einfach behalten darf.
Jetzt kommt der Arbeitslose C ins Spiel der muss die Wiedereingliederungsmaßnahme annehmen, da er sonst 30% seiner ALG II Regelleistung (Ehemals Sozialhilfe) gekürzt bekommt. Bei 347 von denen Strom und Telefon bezahlt werden müssen und die zudem für Essen, Kleidung und eventuell Schulmaterial für die Kinder ausreichen müssen, ist das hinreichend Geld um die Existenz zu gefährden. C wird nun von A auf seiner Baustelle beschäftigt zwar nicht wirklich gemeinnützig da vielleicht nur ein Bürogebäude entstehen soll, dafür aber mit Gewinn. A spart sich: Die Kosten für die Krankenkasse, die Steuer für einen regulären Arbeitnehmer, Rechtsstreitigkeiten wenn er mehr Aufgaben verteilt die ein normaler Arbeitnehmer nicht ausführen dürfte und noch einiges mehr.
Wird C krank, kümmert es A nicht besonders er muss kein Krankengeld zahlen, ebensowenig wie Fahrkosten für A. Und wenn A sich als unbrauchbar erweist? Dann wird A nach Hause geschickt. Um Ärger mit der ARGE zu vermeiden schreibt A dieser dann das C unbrauchbar sei oder gar mutwillig schlecht gearbeitet hätte C bekommt das Geld trotz Arbeit gekürzt und steht dumm da. Und was die 30 Stunden Regelung betrifft daran hält A sich nicht, weil er zum einen weis das die meisten Arbeitslosen ihre Rechte nicht kenne und zum zweiten A erstmal Klage beim zuständigen Sozialgericht einreichen müsste. Was er nicht kann weil er ja arbeiten muss und Arbeitsverweigerung von der ARGE mit Sanktionen belegt würde...
Weiterhin sollte Ein Euro Jobs offizielle Bezeichnung Wiedereingliederungsmaßnahme - natürlich dazu dienen die Arbeitslosen wieder in eine Beschäftigung einzugliedern. Tatsache hier ist aber das bislang kaum jemand vermittelt wurde. Diese Arbeitsgelegenheiten dauern ein halbes Jahr, danach steht man wieder dumm in der Gegend herum.
Zum Lohn; der Beträgt eben einen Euro, manchmal auch eins fünfzig, und nennt sich im offiziellen Amtsjargon Aufwandsentschädigung. Von dieser Aufwandsentschädigung muss man sich selbst Fahrkarten kaufen und ggf. Essen bezahlen. Kleidung wird nur in dem Fall bezahlt in dem eine Kleidungsvorschrift vorliegt. Beim Spargelstechen oder auf der Baustelle gibt es natürlich keine derartigen Vorschriften, was den Arbeitslosen in den Zwang bringt seine eigene Kleidung zu verwenden und zu verschleißen.
Von den 120 Euro die man für eine vollwertige Beschäftigung erhält, kann man direkt, zumindest hier in Köln, 64,30 für eine Monatskarte ausgeben damit man seine Arbeitsstelle erreicht. Die verbleibenden 55,70 stehen dann, plus der 347, zur freien Verfügung. Das für eine Vollzeitstelle. Macht man nicht mit, wird man hart bestraft.
Die gesetzliche Theorie sieht in der Kurzform folgendermaßen aus:
Wiedereingliederungsmaßnahmen sollen dazu dienen in eine reguläre Beschäftigung zu gelangen.
Wiedereingliederungsmaßnahmen dürfen keine richtigen Stellen verhindern.
Wiedereingliederungsmaßnahmen dürfen nicht unter Zwang stattfinden
Wiedereingliederungsmaßnahmen müssen klar definiert sein.
Und die alltägliche Realität:
Wiedereingliederungsmaßnahmen ersetzen Vollzeitjobs und verhindern dadurch die Schaffung neuer Stellen.
Wiedereingliederungsmaßnahmen demütigen die Menschen, denn unabhängig vom Bildungsstand müssen die gestellten Arbeiten ausgeführt werden.
Wiedereingliederungsmaßnahmen setzen sich aus nicht definierten Tätigkeiten zusammen.
Das wirklich interessante in diesem Zusammenhang wieder Beispiel Köln: Die Ratsherren sitzen zumeist in den Aufsichtsräten jener Unternehmen die Wiedereingliederungsmaßnahmen als finanzielle Gesundheitsspritze verwenden und die Regelmäßig gegen geltendes Recht verstoßen. Urteile vom zuständigen Sozialgericht gegen diese Praxis gibt es massenhaft, aber das hindert niemanden daran es immer wieder zu machen.
Hatten wir eigentlich schon einmal, nur damals trug unser Kanzler einen Oberlippenschnäuzer und anstelle von AWB oder SBK Köln und Caritas waren die beglückten Firmen in einer IG Farben untergebracht...
