Ich erinnere mich, dass mich Karuna einst gefragt hat, warum die Frage "Was ist das Ich?" für mich überhaupt solche Wichtigkeit besitzen würde, dass ich auf ihrer Beantwortung so sehr bestünde.
Ich glaube, dieser Thread und auch der frühere haben eindrucksvoll demonstriert, worum es geht. Die Beschäftigung der Frage nach dem Ich besitzt das Potential, einen Menschen unmittelbar mit seinem Verstand zu ent-identifizieren. Als ich zum ersten Mal diesen Vorgang an jemand anderem beobachten konnte, verstand ich erst überhaupt nicht, was da genau passierte. Ich sah nur, dass offenbar irgendwas wichtiges im Gang war, das ich aber überhaupt nicht fassen konnte.
Aber die Sache hängte sich in mir ein. Und nach längerer Zeit fing mich die Frage auch ein. Sie frass mich auf. Die Frage verselbstständigte sich. Sie führte mir die komplette, absolute Hilflosigkeit meiner Existenz vor Augen.
Das war so belastend, wie noch nichts in meinem ganzen Leben zuvor.
Ich habe erst in nachhinein die ablaufenden Vorgänge zu studieren begonnen. Und ich war dermassen verblüfft über das, was ich da sah. Noch immer begreife ich nicht wirklich, was tatsächlich passiert. Nicht alle Menschen eignen sich offenbar für diese Frage - daher dann auch die Ratlosigkeit mancher Forumsteilnehmer, wenn sie sehen, wie sehr ich dauernd drauf rumhacke, wenn es um die Beantwortung dieser Frage geht. Die Frage richtet sich an Menschen, die ähnlich funktionieren wie ich.
Was einer im Verlaufe der "Beantwortung" der Frage alles versteht und einsieht hängt von seinem Selbstwillen ab. Was ich noch nie beobachten konnte, aber nichtsdestotrotz (aus verschiedenen Gründen) vermute, ist, dass die Antwortfindung bei ganz wenigen Menschen direkt zum "point of no return" führen kann. Die meisten Menschen aber sind allzusehr in ihre "karmatischen Verhaftungen" verfangen, welche sie daran hindert, direkt bis zu diesem Punkt vorzudringen - so auch in meinem Fall.
Aber was wird erkannt? Was ist es, worauf die Frage hinausläuft? Nun, das kann nicht wirklich in Worte gefasst werden. Es ist ein Wissen, das über den Verstand hinausreicht. Die Frage führt genau auf diese Erkenntnis hinzu: Dass es etwas gibt, etwas geben MUSS, das unabhängig vom Verstand einfach nur IST, das existiert, das nicht ausgeschaltet werden kann. Es muss einfach etwas geben, das gewissermassen hinter den Dingen steht, unberührt, still, wartend. Nicht in der Zeit, nicht im Raum, etwas das Neti-neti ist - Weder dies, noch das - etwas das unser Denken und Fassungsvermögen bei weitem übersteigt.
Aber egal, wie weit wir auch vordringen, es entweicht immer wieder. Es ist wie Sand, der in den Fingern zerrinnt. Wie ein unscharfes Bild, und egal, wie scharf wir es stellen, es ist immer knapp am Rande dessen, was wir erkennen vermögen.
Und es ist real! Das ist keine Vermutung, keine Theorie, wie so oft vorgeworfen wird. Immer wieder kommen Forumsteilnehmer und behaupten, es handle sich bloss um meine Meinung, um meine persönliche Sichtweise. Natürlich dürfen sie das glauben, sollen sie, es geht mich nichts an, inwiefern sie daran interessiert sind, die Wahrheit zu finden. Sie verstehen die Frage nicht, und daraus schliessen sie dann, dass die Frage sowieso sinnlos sei, und dass es sich um herkömmliche Ansichten und Konzepte handle.
Leider kann ich an dieser Stelle nichts tun. Es liegt ausserhalb meines Einflussbereichs, hier etwas erklären zu wollen.
Aber für den, der sich der Antwort nähert, sich an sie heranbewegt, der die ganze psychische Achterbahnfahrt mit den unglaublich intensiven Gefühlswallungen durchmacht, dem Selbsthass, der Wut, der Verzweiflung, dem Gefühl, irrsinnig zu werden usw., dem eröffnet sich zum ersten Mal eine echte, eine tiefe und unwiderlegbare Ahnung von etwas, das über all unsere Massstäbe hinausgeht. Und das, diese Ahnung, ist es, was so überaus notwendig war, wessen die Menschen so überaus dringend bedürfen. Die Ich-Frage führt den Menschen dorthin, wo der Pfad erst richtig beginnt. Und ich halte die Ich-Frage darum für sehr geeignet, weil sie den Rationalisten - wie mich - genau am empfindlichen Punkt trifft: in seiner Ratio. Andere Wege, sagen wir mal etwa "Bhakti", mögen geeignet sein für andere Menschen, da kann ich nicht viel dazu sagen. Aber die Ich-Frage führt über den Verstand, und der Verstand dekonstruiert sich selbst, und dadurch wird die Transzendenz ermöglicht.
Und darum bin ich inzwischen ihr Fan.