Nachtgedanken

Natürlich legt uns die Quelle Steine in den Weg. Natürlich schwört sie auch das Böse hervor. Aber nur deshalb, weil dies der einzige Weg ist, uns zu ihr zurück zu locken. Uns, die wir auf biegen und brechen sich von ihr lösen wollten, um ein eigenes Reich zu kreieren, was ganz schön in die Hose gegangen ist. Für Arsch, wie man so schön sagt. Das Universum ist für Arsch. Es hat nichts zu bieten als Leid, Krankheit und Tod. Optimisten würden es anders sehen, da es ja auch Glücksmomente gibt, die wohl auch an die Quelle erinnern sollen.

Und doch ist die Quelle nicht davon betroffen. Angeblich weiß sie gar nichts über dieses oder ein anderes Universum. Ihre Kinder sind einfach nur spielen gegangen oder in einen tiefen, kurzen Schlaf gefallen, weil sie von einem Baum Früchte genascht haben, den sie selbst kreiert haben und gar nicht bemerkten, dass die Früchte sie auf einen sehr langen Trip schickten.

Das war mal die grobe Zusammenfassung. Aber warum ein Baum? Warum die alte Bibelgeschichte ausgraben? Weil Bäume sind wie sie sind. Sie verstellen sich nicht. Bei Tieren bin ich mir nicht mehr so sicher. Vor allem nicht bei denen, die schon sehr lange bei den Menschen sind.

Unsere Katze schmiegt sich an uns, schnurrt und „spricht“ sogar mit uns, um Futter zu bekommen, da sie mindestens fünf mal am Tag am verhungern ist. Hatte sie ihr Futter, geht sie hoch erhobenen Kopfes und Schwanzes von dannen, als würde es uns gar nicht geben. Unsere Katze bemerkt uns meist nur dann, wenn sie was will. Typisch menschlich. Oder?

Bäume, Büsche, Pflanzen, die gesamte Flora, - sie ziehen nicht vom Menschen an, auch wenn sie vom Menschen aufgezogen und verunstaltet werden. Das berührt sie nicht. Selbst wenn sie dann auch so wachsen, wie Mensch das möchte. Das haben sie mit der Quelle gemeinsam. Auch die Quelle berührt es nicht, was hier alles passiert. Nicht mal, wenn Menschen in ihren ärgsten Schmerzen schreien und sich krümmen. Alles nicht wahr. So grausam kann kein Gott sein. Die Quelle auch nicht. Es sind wir selbst. Es ist dieser Geist, der sich abgespalten hat und alleine auf Wanderschaft ging. Der verlorene Sohn.

Noch ist der abgespaltene Geist einigermaßen ruhig. Das Meer wirft kaum Wellen. Und das Boot gleitet lautlos dahin. Und der Himmel? Mal hell. Mal dunkel. Wie Tag und Nacht. Auch die Delphine haben sich bereits an hell und dunkel gewöhnt. Wenn diese Gedanken fixiert werden, kann es gefährlich werden.


Es ist ja nichts da! Nie! Das muss immer wieder betont werden. Aber wir können uns unter „Nichts“ nichts vorstellen. Geist ist nichts. Geist ist Leere. Absolute Leere. Geist ist nicht mal etwas Abstraktes. Geist ist Vollkommenheit. Immer! Geist ist rein und unverwundbar. Und doch ist da bereits ein winziger Traum von einem neuen Universum, das die Form eines Baumes hat.

Seht ihr bereits das Nadelöhr, ihr Unglückseligen? Seht ihr es, alter Mann, kleine Michel, ihr Delphine, du Boot, du Meer, du Himmel? Gespaltener Geist wieder und wieder gespalten. Womit immer wir uns später identifizieren, - es ist alles nicht wahr. Auch wenn es so scheint, als wäre aus dem alten Mann unzählige Wurzeln geworden, aus dem kleinen Michel ein Stamm, aus dem Boot tausende von Ästen und Blätter, aus dem Meer die unterschiedlichsten Früchte und aus dem Himmel all die Lebewesen die auf dem Baum leben und sterben werden, bis sich auch der Baum wieder in Nichts auflöst, indem er sich erinnert, immer nur ein Nichts gewesen zu sein.

Seht ihr das alles, ihr Unglückseligen? Noch könnt ihr umkehren, ihr Narren auf eurem Narrenschiff. Noch...

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("Das Narrenschiff" - Hieronymus Bosch)

***

Es gibt kein Umkehren. „Kein Fluss kehrt jemals an seine Quelle zurück“, sagte mir einst ein guter Freund. Dann muss es also sein, dass wir noch immer IN der Quelle sind und niemals von ihr getrennt waren. Denn wenn, wäre es unmöglich, zu ihr zurück zu kehren.

Und der Geist? Darf er weiter träumen? Ja. Er darf. Und das tut er multidimensional. Untrennbar und doch ein Hans Dampf in allen Gassen. Er strahlt in alle Richtungen. Heller als die Sonne. Und es liegt nur an uns, die Wahrheit heraus zu finden. Selbst dann, wenn es an Trennungen immer mehr wird.

Einerseits ist da die Einheit der reinen und unverwundbaren Quelle. Die nächste Seite, die wir in der Akasha-Chronik aufschlagen, zeigt uns (geistig!) den alten Mann und den kleinen Michel mitten in einem stillen Meer auf einem prächtigen Segelschiff, umgeben von fröhlich dahin schwimmenden Delphinen. Und all das unter einem strahlend blauen Himmel. Wir blättern weiter und sehen das Bild (geistig!), das ich immer wieder in den Sägespänen, die von der dunklen Seite der Sonne abgefallen sind, beschrieben habe. Die seltsamen Engelwesen und ein Turm im Meer. Es ist nur eine kleine Seite, denn die nächste offenbart Pama als Wirtschaftsminister. Verantwortlich für Landwirtschaft und allerhand Nahrung. Daneben Bürgermeister Sila in einer kleinen, feinen Stadt. Die Stadt, in der menschenähnliche Wesen alle möglichen Dinge hin und her schieben. Und schließlich Parkwächter und Vergnügungsminister Arima, für all jene, die Erholung brauchen. Und selbst das ist geistig, auch wenn sich bereits eine Art Wahrnehmung einstellt. Man darf halt nicht vergessen, dass Wahrnehmung immer nur geistig ist, selbst wenn wir der „festen“ Meinung sind, „Formen“ zu erkennen. Wir erkennen nichts. Wir nehmen bloß wahr. Das darf niemals vergessen werden. In keinem Universum. Sonst wird die Entfernung (gibt eh keine!) zu groß.

Man hat es bereits erwähnt. Es ist bereits geschehen. Das neue Universum hat geöffnet. Immer. Auch alle alten und neuen Universen haben geöffnet. Denn genau das besagt die Gleichzeitigkeit, die wir vielleicht gerade noch mit unserem erbärmlichen Verstand erfassen können.

Und die Form des Universums? Sie kann durchaus auch heute wie ein Baum aussehen, denn wir vermuten nur die Baumkrone, die ja auch eine runde Form haben könnte. Apropos Baum! Die Orte, in denen Pama, Sila und Arima wirken, sind das Mikrouniversum. Der Baum aber stellt das Makrouniversum dar.

Man versteht? Das heißt, niemals wird irgendein Lebewesen feststellen können, dass das Universum die Form eines Baumes hat, weil es – egal, in welchem Teil des Baumes – ein so winziges Teilchen ist, dass es nicht einmal mit dem besten und größten Teilchenbeschleuniger entdeckt werden könnte. Man versteht?
 
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Zwei Männer stehen am Bug eines Schiffes. Einer zählt: „7800, 7801, 7802...“ Der andere stoßt ihn an der Schulter an und meint: „Und wenn du dich jetzt verzählt hast?“

Alles umsonst. Alles für nichts und aber nichts. Unser (mein?) Leben. Das so hoch geschätzte und hart verteidigte Leben, für das wir sogar unsere Großmutter (nicht alle Großmütter sind gutherzig!) verkaufen würden. Geht es uns wie dem eifrigen Zähler?

Ich muss es mir ständig ins Bewusstsein reden, denn nur übers Bewusstsein komme ich zum Geist, zu der Zentrale, die das Bewusstsein und all den Quatsch hier, was wir die Erde und das Universum nennen, steuert. Der Geist, der all das ins „Leben“ gerufen hat. Der Geist, der den klitzekleinen Gedanken „Was-wäre-wenn“ hatte. Der Geist, der vom Baum mit den halluzinogenen Früchten genascht hat.

Das dürfen wir nie vergessen, wenn ich weiterhin versuche zu erklären, dass es vollkommen egal ist, welche Form das „neue“ Universum hat. Es könnte sich auch um ein Hochhaus handeln, in dessen Zimmern sich weitere Dramen abspielen, wie in unseren Galaxien.

Man versteht? Wenn ich den Baum erkläre, sind wir nicht einmal ein Blatt davon. Wir leben im Blatt – in einem dieser winzigen Nervenstränge, die man in einem Blatt entdecken kann. In einem dieser winzigen Nervenstränge würde sich, hätte dieses Universum auch die Form eines Baumes, unsere (sie gehört niemandem außer sich selbst) Galaxie und in ihr unsere (sie gehört niemandem außer sich selbst!) Erde befinden. Man versteht jetzt, da bin ich mir sicher. Denn all diese Erklärungen sind für Arsch, weil eh nix da ist. Nix! Leere. Alles wieder nur Halluzinationen, in denen jede Menge Illusionen fabriziert werden. Man bohrt sich immer tiefer in all diesen Dreck, den es gar nicht gibt und erstickt dennoch daran.

Aber Pama schuftet den ganzen lieben Tag für das Volk, das ihm (oder ihr) hilft und großteils in der kleine, feinen Stadt lebt, wo es noch immer sehr oft Möbel von einem Eck in das andere schiebt. Es sind menschenähnliche Wesen, aber sie werden (so hofft man allgemein) niemals Krieg führen. Das haben sie nicht nötig, denn sie wechseln ihre Farbe, so oft sie das wollen. Einmal ist einer oder eine von ihnen braun oder schwarz, manchmal weiß bis gelblich und dann auch wieder mal rötlich, wie einst die alten Indianer, das Volk, das eigentlich hätte überleben müssen, wenn es nach mir gegangen wäre. Aber nach mir geht es nicht.

Es geht nach niemandem, weil es gar nicht geht. Nicht vergessen! Dieses Nichts und dass nichts jemals passiert, müssen wir immer in Hinterkopf behalten, um es im rechten Moment nach vorne zu schieben, wenn wir glauben, dass jetzt alles kaputt ist. (Ich wollte mich nicht schon wieder unflätig ausdrücken, wobei ich denke, was soll daran unflätig sein, wenn ich einen menschlichen Körperteil benenne? Das ist auch so eine Sache! Warum schämen sich Menschen wegen eines bestimmten Körperteils? Der ganze Mensch ist keine Schönheit, wenn man im Gegensatz dazu Tiere betrachtet. Sogar im Alter sind sie noch schöner als ein junger Mensch. Das empfinde ich nun mal so, auch wenn man mir abermals den Menschenhasser nachsagen will. Ich hasse die Menschen nicht, was ich bereits schon gesagt, bzw. geschrieben habe – ich mag sie nur nicht so sehr. Also, was ist an einem bestimmten Körperteil so hässlich, dass man ihn verstecken muss? Wer, zum Teufel, hat uns diesen Schwachsinn, wie so vieles, eingehämmert?)

Sie können aber nicht nur die Hautfarbe ändern, sondern auch ihre Form. Manche haben sogar Haare am ganzen Körper, weil ihnen die nackte Haut nicht gefällt. Man sagt übrigens, dass die Menschen einst auf Atlantis auch am ganzen Körper behaart waren. Seltsame Vorstellung, die ich mir aber vorstellen könnte, denn mir gefallen haarige Katzen auch besser als Nacktkatzen, was ja wieder mal eine der unsinnigsten menschlichen Taten ist, derartiges zu züchten.

Man wird mich jagen. Man wird mich verfolgen. Man wird mich wie eine Hexe verbrennen. Wenn, aber nur wenn, ich weiterhin so über die Menschheit (vorwiegend über die weißfarbigen) herziehe. Wenn sie nämlich die weiße Hautfarbe annehmen, sind sie am zickigsten. Dann kann es schon vorkommen, dass sie mit den Andersfarbigen Streit anfangen.

Bei Pama arbeiten meist Braune oder Schwarze. Und sie singen bei der Arbeit. Deshalb will Pama auch nur Braune oder Schwarze. Es gefällt ihm/ihr (Haben göttliche Wesen Geschlechter? Nein, da sie Doppelwesen sind!), wenn sie zur Arbeit singen und nebenbei auch Tanzen, da sie ein höchst sensibles Gefühl für Musik haben. Erst wenn sie die Farbe wieder wechseln und vor allem wenn sie weiß werden, schicken Pama oder andere Aufseher sie nach Hause. Aufseher sind eigentlich nicht nötig, aber sie organisieren besser als die Arbeiter selbst. Sie wissen, in welchen Container welche Frucht gehört und wohin sie gefahren werden muss.

***

Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann? Negerküsse oder Mohr im Hemd? Meist sind Worte harmloser als die Bedeutungen, die wir ihnen geben. Pama weiß das und hält sich auch danach. Sie behandelt ihre schwarzen und braunen Helfer gut. Bezahlung? Gibt's hier nicht. Geld haben sie noch nicht erfunden. Wozu auch? Es gibt für alle genug. Genug was?

Man darf nicht vergessen, dass dies ein anderes Universum ist. Ein eventuell fortgeschritteneres Universum. Immerhin sind unsere Gedankengänge linear oder gehen im Kreis. Der Kopf ist rund. Sollte man auch nicht vergessen. Hier herrscht bereits etwas mehr an Gleichzeitigkeit vor, auch wenn es weder Zeit noch Raum gibt.

Es gibt also Dinge oder Begebenheiten, die man nur schwer, wenn überhaupt beschreiben kann. Also sagen wir klar heraus, dass es genug für alle und alles gibt und jeder zufrieden ist, mit dem was er hat.

Jetzt fehlt nur noch, dass es keine Religionen gibt. Dann wären wir aus dem Schneider. Schneider gibt es, denn die Wesen brauchen Kleidung. Der Schneider selbst auch. Also näht er gleich für alle, wenn er für sich auch was nähen muss. Keine Einheitstracht. Und wenn, dann nur einmalig, weil sie die Fähigkeiten haben, nicht nur ihre Hautfarbe und auch ein wenig vom Äußeren zu wechseln, sondern auch das zu ändern, was sie kleidet.

Heute kaufe ich mir ein rotes Kleid. Kurz darauf gefällt es mir nicht mehr, da ich es lieber in Blau hätte. Also färbe ich es gedanklich um. Gedanklich! Na, wie sonst? Die im anderen Universum haben es begriffen. Sie wissen um die Kraft der Gedanken, des Geistes.

Und wenn alles wirklich wäre (darf man auch nie vergessen!), wäre der Ort, von dem ich über Pama, Sila und Arima berichte, genau derselbe, wo heute unsere Erde ihre Bahnen dreht. Und es gibt genauso eine Sonne, die Tag und Nacht auslöst. Oder? Denkste! Diesmal gibt es eine Sonne, die rundum bestahlt. Immer nur Tag. Und das angenehm warm.

Jetzt wäre der Moment, wo ich den Titel „Nachtgedanken“ in „Taggedanken“ umbenennen sollte. Von jetzt an. Denn von jetzt an strahlt die Sonne für immer. Rund um. Rund herum. Und niemand fürchtet sich vorm schwarzen Mann. Wirklich niemand, denn Furcht gibt es keine mehr! Und genau deshalb gibt es auch keine Religionen mehr.


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Sila kümmert sich um ihre feine, kleine Stadt. Sila, jenes Doppelwesen, das auch Mayla in sich hat, die Baumliebende, jene, die sich schließlich, als sie nach Avalon heimkehren durfte, mit einem Baum vereinigte. Sila, die aus Manola, Maylas Mutter, Kims und Marias irdischer Tochter und Thygyrill, Kims und Marias Sohn der Leuchtenden Welt entstand. Bruder und Schwester vereinigten sich zu einem Doppelwesen.

Und Pama, der/die Landwirtschaftsminister/in? Man erinnert sich doch an das Land über dem Himalaya, als Paolo und seine Selma zusammen mit einigen Göttern ihre wahre Leuchtkraft erkannten und schließlich zu einem Doppelwesen, zu Pama, wurden.

Über Arima muss ich nichts sagen. Oder? Kim und seine Maria endlich für immer vereint. Untrennbar für immer. Auch wenn sie sich teilweise scheinbar von der Quelle trennen, voneinander trennt sich dieses Paar nie, nie, nie wieder.

Ich musste das einfach für ihn tun, für Kim, den Gott der Liebe, den Meister aller Universen, den ich als Menschenkind so sehr leiden ließ. Autoren sind manchmal wirklich grausam. Was sie alles ihren Protagonisten antun. Man könnte es abwenden, denn manchmal wehren sich die Hauptdarsteller auch, indem sie schriftliche Gespräche mit dem/der Autor/in führen, indem sie sagen: „Was hast du nur aus mir gemacht?“ Die Qualen seiner Kindheit und Jugend hätte Kim ertragen, aber einen Außerirdischen aus ihm zu machen, einen Gott der Liebe und ihm dann auch noch den Titel „König des Universums“ zu verleihen, das war für den Jungen, der nur für seine wahre Liebe lebte, dann doch zu viel. Man muss auch das immer wieder erwähnen, vor allem die Szene, als einer der Schwiegersöhne sehr richtig feststellte, dass Kim nur ein Mann ist, der seine Frau abgöttisch liebt. Kein Gott, kein König, kein Meister – einfach nur ein Mann, der wirklich liebt. Und das war und ist die Wahrheit. Deshalb gibt es Arima, die Einheit eines Mannes und einer Frau, die sich beide abgöttisch lieben.

Genug der Wiederholungen, die immer wieder sein müssen, weil... Ja, weil? Weil ich sie liebe und mich immer wieder gerne daran zurück erinnere. Aber nun blicken wir nach vorne. Nun blicken wir in die kleine, feine oder feine, kleine Stadt, in der Sila das Sagen hat. Die menschenähnlichen Wesen sind glücklich. Zumindest haben sie stets ein sanftes Lächeln auf den Lippen, egal, welche Hautfarbe sie im Moment für richtig halten. Sogar als Weiße lächeln sie, wenn auch ein wenig zynisch.

Das Lächeln hat aber nichts zu sagen. Ich denke da an meinen Herrn Graudinger, der auch stets ein Lächeln im Gesicht trug. Herr Graudinger ist ein seltsames Wesen, denn er besteht hauptsächlich aus Kopf und vor allem aus unzähligem Fangarmen, mit denen er sich weiter bewegt. Und eben dieser Kopf trägt stets ein starres Lächeln im, na ja, in dem, was man schon Gesicht nennen kann.

Bei den Menschen in der feinen, kleinen Stadt ist es aber anders. Sie lächeln, weil sie wirklich glücklich sind. Viel glücklicher als die Menschen des letzten („unseres“) Universums. Sie leben ausgeglichen und haben alles, was sie zum Leben brauchen. Vor allem wird die Bevölkerung nie zu groß, da Sila und ein paar Helfer die Geburtenkontrolle über haben. Das heißt, keine Frau wird jemals wieder unter Schmerzen gebären, denn die Babys kommen alle aus einer Art Fabrik, in der sie aus Eizellen und Samen gezüchtet werden. Es ist natürlich keine Fabrik, sondern eine Geburtenstation, die sich etwas außerhalb der kleinen, feinen Stadt befindet. Es ist ein riesiger Komplex, da es sich nicht nur um eine Geburtenstation handelt, sondern um eine Aufzucht. Dort wachsen Kinder auf. Unter Aufsicht von Sila und ihren Helfern. Und das so lange, bis sie in die kleine, feine Stadt integriert werden können und dort mit einem glücklichen Lächeln ihren Alltagstrott nachgehen, der sehr gemütlich und gänzlich ohne Stress verläuft.

Schöne, neue Welt könnte man sagen und sich an Aldous Huxleys Buch erinnern. Aber dies hier ist die schöne, neue Welt. Eine fast vollkommene Welt. Natürlich ist sie nicht vollkommen vollkommen, denn Vollkommenheit ist nur IN der Quelle garantiert. Dennoch – es ist eine Weiterentwicklung, denn die Menschen in der kleinen, feinen Stadt gehen nur den Dingen nach, die sie lieben und auch gerne tun. Das wurde während der Aufzucht genauso programmiert. Nein, nein, es sind keine Roboter, sondern wirklich (!) Wesen aus Fleisch und Blut. Genmanipuliert? Na ja, ein bisschen. Ja, klar – was denn sonst?! Wie sonst sollte man genau den Ersatz wieder herstellen, der gerade im Gehen ist oder bereits gegangen ist? Gevatter Tod lässt sich halt nicht besiegen. Und warum sollte er? Immerhin ist und bleibt er die mögliche Rückfahrkarte zur Quelle, bzw. das Erwachen in ihr.

***

In der gigantischen Anlage werden also Menschenwesen gezüchtet. Schöne heile Welt – die Zweite. Aber hier ist es anders. Hier züchten Menschen keine Menschen. Hier wird vom Geist erschaffen. Im Kurs (ja, schon wieder!) benennt man es den falschgesinnten Geist. Der rechtgesinnte Geist ist wach und eins mit der Quelle. Der rechtgesinnte Geist IST die Quelle. Und der falschgesinnte Geist? Er schlummert. Er halluziniert. Er baut im Traum, auf Trip oder wie auch immer Ländereien, kleine feine Städte und riesige Parks mit Pavillons. Pama, Sila und Arima sind jene Abtrünnigen, von denen hier die Rede ist. Sie erschaffen. Zumindest glauben sie das. Im Traum. Auf (Horror?)Trip.

Aber warum nicht? Es gibt vielleicht noch so viele Seelen, die unbedingt etwas erleben wollen und wenn es sein muss als Zuchtsau. Und je mehr gezüchtet wird, um so mehr verdichtet sich der Geist und wird zur Materie. Die Götter mögen uns beistehen. Und das tun sie. Sie züchten und lassen sterben, weil auch sie über den Tod keine Macht haben.

Und schließlich erfinden wir Götter und sind der Wahrheit damit gar nicht so unnah. So schließt sich der Kreis, indem sich die Schlange immer wieder selbst verschlingt. Ouroboros, der Schwanzverzehrer, braucht keine Wahrnehmung, da außerhalb seiner nichts existiert; keine Ernährung, da seine Nahrung die eigenen Ausscheidungen sind, und er bedarf keiner Fortbewegungsorgane, da außerhalb seiner kein Ort ist, zu dem er sich begeben könnte. Er kreist in und um sich selbst und bildet dabei den Kreis als vollkommenste aller Formen. So beschreibt Platon in seinem „Dialog Timaios“ (laut Wikipedia) dieses seltsame Wesen. Der falschgesinnte Geist als Schlange, die sich immer wieder selbst verschlingt. Ouroboros tauchte schon im alten Ägypten auf, weshalb die alten Ägypter bereits in ihm die uralten Götter, von denen sie erschaffen wurden, wieder erkannten.

Warum Sila da überhaupt mitmacht? Sie, die stets für die Einheit war? Ist sie noch! Ist sie immer! Und das muss sie sein, denn nur durch sie werden die anderen Geister, die sich immer weiter von sich selbst entfernen und dann doch wieder zu sich selbst zurück finden, darauf aufmerksam, dass es noch mehr gibt, als zu sich selbst zurück zu finden. Sila weiß schon was sie tut. Auch wenn sie es ist, die das so genannte Futter des Universums zubereitet.


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Arima bleibt davon unberührt. Er flaniert im mit Blumenbeeten, Büschen und Bäumen angelegten, riesigen Park von Pavillon zu Pavillon. Manchmal scheint es, als hätte er einen eleganten Anzug an, trägt schwarze Lackschuhe, Pomade im schwarz glänzenden Haar und eine Zigarre zwischen den sinnlichen Lippen. Erinnert ein wenig an die 20iger Jahre, bevor der Krieg ausbrach, der sich bereits abgezeichnet hat. Aber die meisten Menschen schlummerten und fühlten sich in Sicherheit. Das Leben ist nicht sicher. Es endet stets tödlich. Wie oft soll ich das noch sagen, schreiben?

Arima, der Dandy. Der Frauenversteher. Der Charmeur. Ich sehe ihn noch immer männlich, obwohl er weder das eine noch das andere ist. Aber er kann sich geben wie er will. Die Auswahl an Kreationen ist groß. Wie ich ihn am liebsten sehe? Nicht schon wieder! Ich kann mich doch nicht ständig wiederholen, dass ich am liebsten den kaugummikauenden, barfüßigen, langmähnigen Jungen in Jeans und Trägerleibchen sehe. Aber wie auch immer, er ist stets Perfektion. Auch jetzt als 20iger Jahre Dandy. Und die Frauen liegen ihm zu Füßen. Gnädig winkt er jeder zu, wenn er an einem der Pavillons vorbei schreitet, in denen sie sich oft auch zu zehnt aufhalten und mit ihren zierlichen Händen an Champagnergläsern nippen. Fröhlich und bunt sind sie gekleidet, die kleinen Göttinnen. Die Gopis. Manche tragen sogar Pfauenfedern im Haar.

Arima, bricht wirklich bald ein Krieg aus?

Wir werden uns trennen müssen. Das Rad der Zeit hat sich zu drehen begonnen. Noch dreht es sich langsam, aber es verlangt Tribut. Da muss noch mehr kommen. Die nächste Seite im großen Buch. Das Buch, das manche die Akasha-Chronik nennen. Das Buch der Bücher, das nur wenige kennen.

Und die Götter lächeln. Sie haben ihren festen Platz, auch wenn von ihnen die Teilung ausgeht. Auf der nächsten Seite kann man schon erkennen, wer aus Arima hervor gegangen ist. Oder wer aus Pama oder Sila hervor gegangen ist. Man darf auch den alten Mann und den kleinen Michel nicht vergessen, die noch immer auf ihrem Segelschiff durch das Meer gleiten und von Delphinen begleitet werden. Es ist nur ein anderes Bild, eine andere Form der Götter, die sich scheinbar von der Quelle lösten.

Pama, der Menschengott. Er hat seine Schuldigkeit getan. Es gibt keine Schuld mehr. Sagen die Götter. Und Krieg hat eine ganz andere Bedeutung. Noch! Angstmache soll es auch keine mehr geben. Freiheit und niemals vergessen, woher wir kommen. Was wir wirklich sind. Götter, aus Götter hervor gegangen. Auch wenn es keine Bedeutung hat. Das sollten wir ohnehin weglassen. Wir brauchen keine Bedeutungen mehr.

Es sagt nichts aus, wenn ich Pama den Menschengott nenne. Es ist nur deshalb, weil er aus zwei Menschen zum Doppelwesen (Selma und Paolo) wurde. Er oder sie oder es. Und wer glaubt, dass es nur diese drei Götter gibt, irrt gewaltig. Ja, hier auf diesem illusorischem Landstück schon, aber es gibt andere Ländereien. Die Planeten haben zugenommen. Sphären entwickeln sich. Galaxien steigen höher und höher. Aus den Ästen treiben Blätter und noch mehr Äste und noch mehr Blätter. Der Stamm wird dicker und dicker und die Wurzeln suchen Halt, finden aber keinen im absolut leeren Raum. Es wird immer ein Minus geben. Die Vollkommenheit ist nur wo möglich? Richtig! In der Quelle!


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Das Huhn das goldene Eier legt. Wer kann Gold schon essen? Vielleicht die neuen Bewohner des Baumuniversums? Wer weiß schon, aus welcher Materie sie der Geist zusammen stellt? Etwas ganz Neues. Etwas Unbekanntes. Etwas, das eventuell den Tod besiegen kann. Den Tod, den es gar nicht gibt.

Wir müssen da vorsichtig sein. Mit dem Tod, den es nicht gibt. Und vor allem mit allem, das es nicht gibt. Es kann zu groben Missverständnissen führen, wenn wir sagen, dass es nur die Quelle der Kraft gibt und wir immer eins mit ihr sind. Wenn wir sagen, dass wir nur träumen und den Träumer entdecken müssen und nicht das, was rund um uns herum ist, wie der Mond, den ein Mann betreten hat und dann den Spruch äußerte, er habe nur einen kleinen Schritt als Mensch, aber einen großen für die Menschheit getan. Wozu? Um den Russen voraus zu sein? Soll das der ganze Grund gewesen sein?

Ja, wir müssen vorsichtig sein, sonst ruft uns der Entfremder. Oder wir werden gezwungen, zum Entfremder zu gehen. Dieses Wort steht für Psychiater. Genial. Ist nicht von mir, da ich es in einem Buch gelesen habe und unbedingt hier anbringen muss. Psychiater sind Ärzte, die uns von uns selbst entfremden. Sie nehmen uns das weg, was wir sind und machen uns gesellschaftsfähig.

Wir können also nicht einfach nur so sagen, dass es das alles gar nicht gibt, dass es nur wie ein böser Traum oder wie ein Horrortrip auf LSD ist. Das ist es doch nicht, denn wir nehmen doch wahr, dass wir hier sind. Wir blicken mit unseren Augen nach außen und sehen die Welt. Wir riechen die Welt. Wir sprechen mit der Welt und wir hören, wie sie uns antwortet. Wir berühren die Welt. Und manchmal fühlen wir auch voraus, was demnächst passieren könnte. Ja, wir nehmen wahr. Aber erkennen wir auch?

Wir wachen nicht einfach so auf, wie uns der Kurs (!) weismachen will. Vielleicht manche. Vielleicht haben es Buddha oder Joshua (ich nenne ihn lieber so als Jesus) geschafft. Und vielleicht wurde der Kurs wirklich von Joshua (man kann auch Josua oder Jeshua sagen/schreiben) durchgegeben. Ich weiß es nicht. Hier liegt wohl dasselbe Phänomen vor wie bei Freund Carlos' Büchern. Hat er das alles wirklich erlebt oder war er nur ein Schreibtischzauberer? Spielt alles keine Rolle, denn beide Schriften – die von Helen Schucman und die von Carlos Castaneda sind (meiner Meinung nach) genial.

Wir wachen nicht einfach so auf, weil wir noch einiges zu erledigen haben, weil uns das Reine und Unverwundbare zu sehr erschrecken würde. Wir müssen – bzw. sollen es langsam angehen. Schritt für Schritt. Dann wäre es tatsächlich ein großer Schritt für die Menschheit.

„Geh deinen eigenen Weg!“ meinte Kim in den Gesprächen oft. Aber was ist der eigene Weg? Wir werden von klein auf beeinflusst. Man erklärt uns tatsächlich die Welt und macht uns gesellschaftsfähig. Macht uns zum Mitglied. Gliedert uns ein in eine Kette, die wir als ganzes gar nicht überblicken können. Das können nur wenige, nämlich die, die das Sagen haben. Und die kennen wir auch nicht. Das Leben ist ein Reinfall, außer, wir können uns von der Kette lösen.

„Anders sein, bedeutet nicht, du selbst du sein“, meinte er auch. Er, Kim. Es waren Selbstgespräche. Es waren und sind meine wahren Meditationen, denn ich lege keinen Wert, meine Chakras zu aktivieren. Das ist auch wieder so eine Falle, uns ruhig zu stellen. Uns von einem Traum in den anderen zu schicken.

„Why can't we be sober“, ein herrlicher Song von „Tool“, der noch immer zu meinen Lieblingssongs gehört. „Warum können wir nicht nüchtern sein?“ An nichts glauben bedeutet auch an alles glauben. Nichts wissen, bedeutet glauben zu müssen. Alles Unsinn. Alles Lügen. „Sei einfach. Sei und beobachte. Beobachte aufmerksam.“ Das wären die wahren Tipps.


 
Die Teilung verläuft langsam. Langsam, still und leise. Leise wie der Urknall, der nur ein leises „Plopp“ war. Plopp und der noch sehr junge Baum war da. Mitten im leeren Raum, obwohl es im leeren Raum keine Mitte gibt. Der leere Raum als das Nichts, das aufgefüllt wird mit dichter Leere. Vergeistigte Materie, materieller Geist. Das eine wie das andere.

Die Lebewesen entstanden nicht aus einer einzigen Idee. Sie entstanden aus Milliarden von Ideen. Sobald sich ein Gedanke im Geist breit macht, vervielfältigt er sich in Sekundenschnelle zu tausenden und abertausenden Gedanken oder Ideen. Der Geist als leerer Raum. Gefüllt mit Gedanken, die sich nach und nach materialisieren.

Noch wäre die Möglichkeit des Nichtdenkens da. Umkehr wäre das falsche Wort, da niemand voraus gegangen ist. Es war nur ein Gedanke. Eine Idee. Und aus diesem einen Gedanken, aus dieser einen Idee entstanden die Föten, die so lange zögerten, bis sie dann doch schlüpften. Jeder einzelne Fötus enthielt unzählige Gedanken. Einer davon war der alte Mann und der kleine Michel, oder Pamas Landwirtschaft, wie auch Silas kleine, feine Stadt und schließlich Arimas Vergnügungspark. Und vieles, vieles mehr, denn es waren viele Föten, die schlüpften. Und schließlich, als es der Gedanken zu viele wurden, machte es „plopp“.

Aber das ist auch nur eine Idee, wie es sein könnte oder wie es vielleicht gewesen ist. Man kann den Urknall (plopp?) noch hören, sagen die Wissenschaftler. Man kann vielleicht auch die Ursuppe noch sehen, wenn man weit genug ins Universum hinein blicken kann. Es ist wie mit den Sternen am Himmel. Wir sehen immer nur in die Vergangenheit. Da möchten sie uns weismachen, dass es keine Zeitreisen gibt. Schau in den Himmel und du bist in der Vergangenheit.

Und wie ist es, wenn der alte Mann und der kleine Michel in den Himmel sehen? Blau. Nichts als blau. Vom hellen bis zum dunklen Blau. Da sind noch keine Sterne. Aber über den Pavillons im Park, wenn die Geigen und Pianos erklingen und sich die Mädchen zur fröhlichen Musik drehen und im riesigen Park eine überdimensionale Party gefeiert wird, funkeln sie in allen Farben. Selbst wenn es sich um Lampions handeln sollte, die Idee, es seien Sterne, bringen das Universum weiter zum wachsen.


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Die Stadt die niemals schläft. Lichter der Großstadt. Sodom und Gomorrha und die Hure Babylon. Die Pavillons schießen wie Pilze aus dem riesigen Park. Der Park wird noch riesiger und die Pavillons ebenso. Der Turmbau zu Babel findet in Kürze statt. Und alle gaffen, als hätten sie noch nie gesehen, wie man Türme baut.

Arima, ich erkenne dich nicht wieder. Aber es ist okay für mich, wenn du eigene Wege gehst. Mit Maria in dir. Oder du in Maria. Wie immer ihr wollt. Oder was ihr wollt. Nur keine unglückliche Liebe und nie wieder Verwechslungsdramen.

Wenn sich Phantasiefiguren selbständig machen, kann es mitunter gefährlich werden. Man hat ihnen zwar ein gutes Herz eingepflanzt, aber man weiß nie, was sich hinter der Stirn verbirgt. Es drang aber immer durch, nur hat sie es nicht sofort verstanden. Auf Umwegen kam alles zustande. Und nun hat sie den Salat. Aber nun kann sie besser zuhören und auf ihre Protagonisten eingehen.

Der alte Mann und der kleine Michel zählen nicht. Es tut sich nichts auf dem glatten Meer. Aber auf der nächsten Seite spielt es sich ab. Die Menschenwesen aus der kleine, feinen Stadt und die Landarbeiter von den Feldern strömen in Massen zum Park. Arbeitsverweigerung auf den Feldern? Langeweile in der Stadt? Es sieht ganz so aus.

Und Arima lädt ein. Wie ein Jahrmarktprediger stolziert er mit hohem Zylinder auf dem Kopf im Park umher und ruft mit lauter Stimme den Menschenwesen zu, was es hier alles zu sehen gibt. Aus den Lampions sind längst leuchtende Sterne geworden. Und die Pavillons verwandeln sich in Spielhöllen.

Man hat eine „Not-to-do-list“ angefertigt, wo an erster Stelle „beten und arbeiten“ steht. Nie wieder beten. Nie wieder arbeiten. Diese Listen machen gute Laune. Vor allem am Abend, wenn man alles anstreichen darf, was man eh nicht getan hat. Man fühlt sich gut danach, die Liste geschafft zu haben. Auf diese tolle Idee brachte mich natürlich auch ein Buch. Das Buch vom Känguru (geschrieben von Marc-Uwe Kling). Empfehlenswert, wenn man schwachsinnige Tiefsinnigkeit mag oder tiefsinnigen Schwachsinn. Kann man auch drehen wie man will. Es gibt übrigens mehrere Bücher vom Känguru. Das nur, um klar zu stellen, dass ich nie (selten?) etwas klaue, außer die Buchstabenfolge, die man mir von klein auf beigebracht hat.

Also weigern sich die Menschenwesen von nun an zu arbeiten. Beten war schon immer Nebensache, denn man hat ja die vermeintlichen Götter an der Seite. Vor allem als Arima der absolute Lieblingsgott wurde. Der Gott des Vergnügens. Man will ja Spaß haben. Wozu lebt man denn? Um zu arbeiten? Niemals! Wir wollen „Party all the time“. Und Arima schenkt sie uns.

Pama und Sila schütteln ihre Köpfe. Aber sie strafen nicht wie die alten Götter es getan hätten. Sie verlangen keine Menschenopfer. Das tun sich die Menschenwesen schon selbst an, bis sie bemerken, dass Spaß nicht alles im Leben ist. Aber warum nicht? Warum sollte ihnen der Spaß – und NUR der Spaß – nicht vergönnt sein? Lebt, als gäbe es kein Morgen! Es gibt keine Götter, die strafen. Es gibt auch keine Menschen, die strafen. Gefängnisse und Irrenhäuser sind verboten, weil sie ohnehin nicht nötig sind.

Also lasst uns feiern. Tag und Nacht. Mehr brauchen wir nicht. Das Leben muss doch schön sein. „Das Leben ist schön“, sagte sich Roberto Benigni im gleichnamigen Film und wurde gleich darauf von den Nazis erschossen.


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Die Teilung ist eine andere. Man stellt sich ein Blatt Papier vor, das in der Mitte auseinander gerissen wird und die entstandenen zwei Teile werden ebenso in der Mitte auseinander gerissen, sodass vier Teile entstehen, die auch in der Mitte auseinander gerissen werden, usw. Wie gesagt, die Teilung ist eine andere. Nicht diese. Es wird nichts auseinander gerissen. Ja, klar, da eine Trennung niemals wirklich stattgefunden hat. Aber es geht um die Vorstellung des träumenden Geistes. Er stellt es sich ganz anders vor. Die Teilung besteht aus Emanationen:

Emanation – lateinisch, bedeutet ausfließen, Ausfluss; ist ein Begriff der Philosophie und Religionswissenschaft. Er bezeichnet in metaphysischen und kosmologischen Modellen das „Hervorgehen“ von etwas aus seinem Ursprung, der es aus sich selbst hervor bringt. Dabei wird metaphorisch an die Vorstellung des Ausfließens von Wasser aus einer Quelle oder der Lichtausstrahlung aus seiner Lichtquelle angeknüpft. Modelle, die sich zur Welterklärung der Emanationsvorstellung bedienen, indem sie die Existenz von Dingen auf Emanation aus einer metaphysischen Quelle zurückführen, werden als emanatisch bezeichnet.

(Quelle: Wikipedia)

Es war ein Tropfen Meerwasser, der den Weg zum Nadelöhr in die vermeintliche Freiheit gefunden hat. Zu meinen, es sei etwas aus der reinen und unverwundbaren Quelle wäre zu vermessen.

Ich brauche nur zu den ersten „Gesprächen mit Kim“ zurück gehen und hätte alle Antworten gefunden. Schreibtischphilosophie oder viel mehr Schreibtischschwachsinn. Das bringt uns (mich) nicht weiter.

Wohin wollen wir denn? In den Himmel! Gnädige Frau, der ist schon lange besetzt. Damit können wir Ihnen nicht dienen. Na, dann in die Hölle! Gnädige Frau, das ist auch so eine Sache, denn eigentlich gibt es weder den Himmel noch die Hölle. Was gibt es dann? Gnädige Frau, das ist auch so eine Sache – es gibt das Nichts und das kann sich gnädige Frau wohl kaum vorstellen, denn das Nichts ist voller als das Alles.

Nein, nein, das war nicht aus den „Gesprächen mit Kim“. Aber es hätte so verlaufen können, obwohl mich Kim niemals „gnädige Frau“ nennen würde. Seine Anrede wäre „altes Mädchen“ aber meistens nannte er mich „Mädchen“, was schon ein wenig idiotisch klang. Aber ich fühlte mich geschmeichelt, denn nur seine besten weiblichen Freunden nannte er mit liebevoll sanfter Stimme „Mädchen“.

Was wollen wir also wirklich? Ein neues Universum voll mit Glück und Sonnenschein und „Party all the time“? Ist kaum vorstellbar, denn die Medaille hat immer zwei (manchmal auch mehr!) Seiten. Auch wenn jetzt jemand schreit, dass es auch anders sein kann, dass aus den zwei Seiten eine geworden ist, weil sich da endlich jemand entscheiden konnte.

Na, was jetzt? Himmel oder Hölle? Die Hochzeit! Ja, es war genauso, wie William Blake es schon erkannte! Himmel und Hölle haben sich vereint. Und was entstand daraus? Nicht Fisch und nicht Fleisch. Alles, was Mensch anfasst, wird zur Scheiße. Ist doch so, oder? Er darf nicht eingreifen. Er soll nicht eingreifen, auch wenn er meint, es sei ihm von „Gott“ gegeben. Ist es nicht! Es ist ihm von seinem träumenden Geist gegeben und der ist so was von falsch und hinterhältig.

Das ist es ja – es sind so viele Stimmen im Innen. Auf welche soll man denn hören? „Auf die innere Stille“, sagt Freund Carlos (Castaneda) flüsternd. „Nicht Stimme, sondern Stille“, flüstert auch Arima und schwenkt lachend seinen Zylinder.


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(Übersetzung: Die Seelen der süßen Freude können niemals verunreinigt werden.)
 
Wir verdienen das Glück nicht. Wir verdienen keinen Spaß, keine Freude. „Party all the time“ darf es nicht geben. Man würde doch Gott ins Gesicht spucken oder wie meine selige Mutter stets sagte: „Du stiehlst dem lieben Gott den Tag!“, weil ich stets sehr faul war. Was gab es denn schon zu tun für ein Kind, für einen Teenager? Für die Schule lernen, was man das ganze Leben nicht braucht? Zu Hause mitarbeiten, weil man ja ein Mädchen ist und einmal brave Hausfrau sein sollte! Jawohl! Zu Befehl, Herr General!

Frauen haben zu gehorchen. Frauen haben sich zu verstecken. Und manche wollen das tatsächlich. Kaum zu glauben. Andere wiederum schnallen sich Sprengkörper um, weil sie nur so das Haus verlassen dürfen. Dann werden sie als Huris ins Paradies kommen.Wenn sie Glück haben. Wenn nicht, kommen sie abermals als Frau auf die Welt und wenn möglich als schwarze Frau. Mehr brauchst du nicht auf dieser Welt.

Aber im neuen Universum ist es anders. Da werden Frauen nicht verurteilt, wenn sie mal fröhlich sein wollen und dem lieben Gott den lieben Tag stehlen. Es ist sogar erwünscht und der liebe Gott lächelt dazu. Er veranstaltet die Partys und all die Spiele, die uns alle die Röte ins Gesicht treiben würde. Der Gott der Liebe und der Freude.

Arima, nimm den Zylinder vom Kopf und lass dein langes, blauschwarz glänzendes Haar hervor quellen. Und bitte, zieh den Frack aus. Auch wenn dir all das gut steht, als wäre es nur für dich gemacht. Die Mädchen in den Pavillons und auf den Wiesen und in den Büschen oder hinter den Bäumen wollen das auch. Sie wollen einen Jungen sehen, der gerade erst zum Mann geworden ist. Den frechen, kaugummikauenden Lausbuben. Den, mit dem schelmischen Grinsen auf den sinnlichen Lippen. Den, mit dem Glitzern in den strahlend türkisfarbenen Augen. Türkis ist die kälteste aller Farben, aber in deinen Augen ist es die heißeste aller Farben.

Die Gopis jubeln. Die Mädchen. Eine schöner als die andere. Aber Arima ist nicht knausrig. Er vervielfältigt sich, weil die Gopis nur ihn lieben. Es gibt für jede einen Arima. So, wie sie ihn will. Von jugendlich bis reifen Mann, mit grauen Schläfen. Von lässig bis elegant. Sie wünschen, wir spielen.

Bei Arima ist alles erlaubt. Das wussten wir damals schon. Kein Wunder, wenn er in einer Welt ohne Liebe, in einer Welt, die nur aus Pflichten und aus diesem ewigen „ich muss, ich muss, ich muss“ besteht, unendliche Schmerzen erleidet hat. Da waren die körperlichen Schmerzen, die ich ihm durch Ake (der falsche König der Leuchtenden Welt, der in Wirklichkeit ein Dämon aus dem Reich des Bösen war) erleiden ließ, leicht erträglich gegen all den Seelenschmerzen, die tagtäglich durch irgendwelche Meldungen (Angstmache der Medien, um das Volk im Zaun zu halten!?) in sein Herz schnitten. Hier ein Mord, dort ein Totschlag und Krieg und Sodom und Gomorrha und die Hure Babylon.

Frauen sollen keine Pflichten haben. Männer auch nicht. Vielleicht Männer noch weniger, die so lange die Pflicht hatten, für die Familie zu sorgen. Soll jede/r schauen, wie weit er/sie kommt. Jeder ist sich selbst verpflichtet und keinem anderen, so soll sein das neue Gesetz. Jeder ist dazu verpflichtet, glücklich zu sein, so soll sein das neue Gesetz.

Und Arima begrüßt lachend seine beiden Kollegen Pama und Sila, die sich nun auch dazu entschlossen haben, bei der ewigen Party mit zu machen. Party all the time, so soll sein das neue Gesetz! Für alle! Für immer!


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Sie erkennen noch, wie sinnlos alles ist. Erkennen, dass es nichts zu erreichen, sondern nur zu verlieren gibt. Die Erkenntnis verlieren und plötzlich mit Vernunft da stehen. Vor allem da stehen und nicht mehr schwerelos schweben. Im Nirgendwo, das mehr ist als das Überall. Spaß ist nicht von Dauer und die Party auch nicht. Irgendwann endet mal alles. Auch das Leben. Vor allem das.

Und immer wieder die Frage: Warum diese Mühsal? Dieser Zwang, etwas tun zu müssen? Und wieder sind wir bei „Wuwei“. Sie wussten es. Sie wissen es noch immer, aber können dem Bewusstseinsstrang nicht mehr entkommen. Aber sie müssen nicht mit machen. Wir auch nicht. Wir hätten in den Höhlen bleiben müssen.

Und was ist die Einheit mit der Quelle? Vollkommenheit! Was ist das leise dahin schaukeln des Segelschiffes auf dem ruhigen Meer? Alles noch im Bereich des Erträglichen! Wir rufen es aus. Wir schreien es heraus, um die Buchstaben auf den nächsten Seiten der Akasha-Chronik durch zu drucken. Hört oder seht ihr die Buchstaben, ihr fröhlichen Mädchen? Ihr Gopis, die Gott liebevoll dienen.

Bhakti Yoga. Die Liebe zum persönlichen Gott. Hier ist er mehr als persönlich. Greifbar. Anfassbar. Und für jeden einen ganz eigenen Gott. In Paaren wandeln sie durch den riesigen Park und machen Halt bei jedem Pavillon, um sich allen Vergnügungen hinzugeben. Und immer lächelt der Gott. Hare Krishna. Hare Arima.


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