Nachtgedanken

„Wuwei“ bedeutet (für mich) nicht „nichts tun“, sondern „nicht tun“. Was „nicht tun“ bedeutet, kann man, unter anderem, bei Freund Carlos nachlesen. Aber es geht auch anders. „Nicht tun“ bedeutet (für mich) etwas zu tun, ohne sich etwas zu erwarten. Ein schwieriges Unterfangen, denn immer wieder wartet man auf Applaus, auf gute Kritik, auf „like it“ und anderem Honig, den sie uns ums Maul schmieren. Es ist ja nett, wenn anerkannt wird, was man getan hat, aber man darf nicht vergessen, dass jeder anders wahrnimmt.

He, das Buch ist der Hammer! Das musst du unbedingt lesen! Spannend bis zum Ende! Und als der Freund oder Bekannte dir das Buch, bald mal, mit langem Gesicht und mit den Worten „So was von fad. Nach den ersten Seiten hab ich's zur Seite gelegt“ zurück gibt, verstehst du die Welt nicht mehr.

Leute, jeder nimmt anders wahr und wenn es nur eine winzige Abweichung ist. Sie sehen es nicht wie ihr. Sie lesen nicht wie ihr und sie denken nicht wie ihr. Das, was ihr toll findet, finden andere scheiße. So ist das in dieser verzwickten, komplizierten Menschenwelt nun mal. Keine Einheit. Jeder ist für sich alleine mit seinen Gedanken und Gefühlen und kann sie, nie und nimmer, anderen verständlich übermitteln.

Also tun wir etwas nur für uns selbst. Etwas, das uns Freude macht und wo wir nicht denken: „Wie das wohl bei den anderen Leuten ankommt?“ Wissen wir nicht. Können wir nicht wissen, weil wir, verdammt noch mal, in keinen reinschauen können. Auch wenn sie sagen: „Super! Toll!“ heißt das noch lange nicht, dass es für sie tatsächlich so super und toll ist.

Also verlassen wir uns nur auf uns selbst. Wir sind, jeder für sich, alleine in dieser beschissenen Welt. Wir kamen alleine (hat jemand von euch einen Zwilling oder Drilling oder mehr, dann nicht!) auf die Welt und wir gehen allein von dieser Welt.

Im fröhlichen Park und in den Lustpavillons wissen sie das alles noch. Noch! Was aber, wenn die Teilung weiter greift wie eine unheilbare Seuche? Was, wenn sie vergessen? Lasst es nicht zu, ihr dunklen Götter! Arima! Pama? Sila! Last es nicht zu!


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Sie kamen in Scharen und verwüsteten das Land. Sie kamen und rotteten alle Tiere aus. Sie rissen die Tempel nieder und ließen keinen Stein auf dem anderen. Sie zerstörten alles, bis auf einen Baum, unter dem sie Platz suchten, als sie des Terrors müde wurden.

Wir haben zugesehen und uns gewundert, wie viel Kraft in ihnen steckt und wie gefährlich es sein könnte, wenn es wahr wäre. Wir wollen nicht glauben, dass all diese Schrecklichkeiten wirklich passieren. Wir dürfen es auch nicht, sonst verleihen wir all dem Wirklichkeit und verstricken uns darin wie in einem Labyrinth.

Die nächste Seite. Die nächste Teilung. Es gibt Wesen, die Bewusstsein entwickeln. Es gibt Wesen, die von sich selbst sagen, dass sie Intelligenz besitzen. Sie besitzen. Sie besitzen alles. Vor allem das böseste aller Zeitalter.

Einst gab es fünf Zeitalter: Das Goldene, das Silberne, das Bronzene, das Heroische und das Eiserne. So nannte man sie in der Antike.

Die Inder sahen es ähnlich und waren wohl auch früher dran. Immerhin sind ihre Schriften angeblich die ältesten.

Man kann sie sehen, wie man will. Mikro oder Makro oder wie auch immer. Im Bauch der Mutter das goldene Zeitalter der Einheit. Als Baby, noch viel in den Armen der Mutter, das silberne Zeitalter. Als Erwachsener, selbständig, das bronzene Zeitalter. Und schließlich als Alter, gebrechlich und krank, dem Tode nahe, das eiserne Zeitalter. Oder die vielen, vielen tausend Jahre, die so ein Zeitalter dauert und dabei die gesamte Menschheit einschließt.

Gott sieht es nicht. Die Quelle hat keine Augen. Sie nimmt nichts wahr. Sie ist Geist. Formlos, rein und unverwundbar. Unsere wahre Heimat, die wir nie hätten verlassen dürfen. Haben wir ja auch nicht. Wir träumen nur...

Und nun, ihr tapferen Helden unter dem einen Baum, die ihr eure Fahne direkt darunter in die Erde pflanzt? Meint ihr, der Baum und die Erde, die ihr eben so schändlich malträtiert habt, gehört euch? Und falls, geht man so mit einem Eigentum um? Sollte man es nicht hegen und pflegen? Jetzt schaut ihr blöd in die Luft und fragt euch, wie ihr das nur anrichten konntet. Nie wieder Krieg! - ruft ihr aus und wisst nicht mehr, dass ihr damit angefangen habt. Stellt euch vor, es ist Krieg und keiner geht hin. Der uralte Spruch, der mehr als paradox ist. Entweder ist Krieg oder es ist nicht Krieg. Wenn Krieg ist, dann ist er bereits, und jene die nicht hingehen, werden freiweg erschossen. So ist das! Und nun steht ihr da mit euren Pseudosprüchen und Pseudoweisheiten.

Wir dürfen die Natur der Menschheit nicht vergessen. Die Natur der Wahrnehmung. Die Natur des Bewusstseins. Im Bewusstsein kann es keine Einheit geben, denn ich kann mir nur gegenüber anderen selbst bewusst sein. Wenn ich kein Gegenüber habe, bin ich nicht. Dann ist „ich“ sinnlos. Nur im Geist ist alles und nichts vereint. Arima wusste es schon und Sila auch, als sie in zärtlicher Umarmung in die Quelle eingingen, obwohl sie eh schon drin waren. Aber auch Götter geben sich Illusionen hin. Das müssen sie sogar, um irgendwelche Idioten aus dem tiefen Schlaf zu wecken. Und sie nehmen dabei viele Formen an, bzw. nehmen sich als unterschiedliche Formen wahr. Auch wir tun das. Wir nehmen uns nur als Menschen wahr. Aber das habe ich schon zu oft erwähnt. Auch das mit dem Schlaf und dem Trip (LSD-Baum?) oder was auch immer.

Und Geschichte entsteht keine. Es sind immer nur Wiederholungen, die aber tief ins Bewusstsein wandern sollten. So tief wie ein unlöschbarer Virus, dass er das Bewusstsein endlich zerstört und zu Geist wird, was ja das einzige ist, was ist.

Oder schauen wir, was die tapferen Helden weiterhin tun? Sie können nicht blättern. Ihnen blüht das Schicksal, für immer diese eine Seite im großen Buch zu zieren. So wie der alte Mann und der kleine Michel, die dann ja doch durch die kleine, feine Stadt wandern und auch ab und zu in der Landwirtschaft mithelfen und schließlich ebenso laut wie alle „Party all the time“ rufen. Sie sind noch so feinstofflich, um sich durch die nächste Seite zu schwindeln. Jene Seite, auf der die tapferen Helden zerschunden und blutend unter einem Baum hocken, meiden sie. Dorthin wollen die beiden nicht. Nur Arima wirft besorgte Blicke hindurch. Er, die Liebe selbst, kann nun mal nicht anders, als für andere da zu sein. Egal, ob sie wirklich sind oder nicht.


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Namen haben keine Bedeutung. Wir sind es, die den Göttern die Namen geben. Wenn ich Arima sage, sagen andere Krishna, oder Shiva oder Apollo oder Amor oder Anubis oder Jahwe oder Jehova oder wie auch immer. Untereinander erkennen sie sich an der Energie. Denke ich mal. Denn nur im Geist herrscht Einheit. Wahre Einheit. Das Wahre.

Das Wahre? Wir wissen es nicht. Ich weiß es nicht. Intuition? Phantasie? Sagt uns das die Wahrheit? Und immer wieder diese Zweifel! Woher sind wir gekommen? Wohin gehen wir? Wir gehen dorthin, woher wir gekommen sind. So einfach und so unklar.

Einmal sagt mir die Phantasie, dass die Quelle sich materialisiert, dass aus ihr alles hervorgeht als so genannte Emanationen. Dann wieder sagt mir die Phantasie, dass die Quelle von all dem nichts weiß. Phantasie ist für nichts. Bringt nichts. Aber sie unterhaltet. Was anderes ist die Intuition. Und dann immer diese Zufälle, obwohl es keine gibt. Dieser latente sechste Sinn, der meist zu spät kommt. Hätte ich doch! Hab aber nicht, weil ich diesem Humbug nicht vertraue. Ich bin Realist. Ich stehe mit beiden Beinen auf dem Boden. Ha, ha, ha.

Da lachen die Hühner. Die tapferen Helden sowieso. Auch wenn sie müde und hungrig sind. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig als zu lachen. Soll gesünder sein als weinen. Weinen macht krank. Lachen macht gesund. Deshalb gibt es die Clowns in den Krankenhäusern, die besser Gesundmachhäuser genannt werden sollten. Klingt positiver. Man soll ja auch alles positiv sehen in dieser beschissenen Welt.

Da hocken sie um den Baum und lachen wie die Verrückten. Ist ja auch zum verrückt werden. Und nun? Was tun wir nun? Verhungern? Verdursten? Ja, löscht euch selbst aus. Ist das Beste für Mutter Erde, die sich ganz außen an ein riesiges Blatt des Universumbaumes gedrückt hat. Ihr habt eh schon genug angerichtet. Alles Grün, bis auf diesen Baum, unter dem ihr hockt, ausgelöscht. Nieder gebrannt. Die Erde raucht. Brandwunden. Schnittwunden. Sie hält das aus. Muss das aushalten.

Und nun? Ihr könnt nicht immer nur lachen. Zur Party seid ihr auf jeden Fall nicht eingeladen. Ihr würdet euch blöde besaufen und Stunk machen. Wild durch die Gegend schießen und die schönen Mädchen vergewaltigen. So seid ihr nun mal. Kriegerisch bösartig. Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt. So sagt ihr. Und wisst nicht mehr, was Liebe ist.

Arima äugt noch immer durch das Blatt auf die andere Seite. Tu es nicht, Arima! Bleib bei deinen Mädchen im Park und verwöhne sie in den Pavillons. Götter sollen glücklich sein und nicht Opfer spielen. Wenn du dich unter die tapferen Helden begibst, die nichts anderes als Kriegsverbrecher sind, tun sie dir wieder weh. Die Menschen. Sie werden dir immer weh tun, weil sie deine Liebe und deinen Sanftmut nicht verstehen. Und du kannst sie nicht ändern. Nicht einmal, wenn du als Vorbild agierst, ihnen zeigst, wie man richtig lebt. Sie sind nun mal anders als du. Die Menschen. Sie sind wie sie sind. Sagst du ja auch immer. Und doch willst du es nicht wahr haben. Ja, ja, sie sind aus der Quelle hervor gegangen. Dein Spruch. Und du weißt es. Du weißt, dass wir nicht ganz verloren sind, dass da etwas ist, das uns auffängt.

Dazu fällt mir doch das ein: „Du kannst nicht tiefer allen als in Gottes Hand. Nur blöd, wenn Gott die Faust ballt.“ (aus „Alles Amok“ von Anita Augustin.)


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"Hand of God" Lorenzo Quinn
 
Ein tapferer Held war anders. Ein wenig zumindest. Er machte zwar bei allem mit, was die anderen Berserker zerstörten, aber etwas in ihm unterschied ihn von den anderen. Er begann zu denken. Nachzudenken, ob man da vielleicht etwas falsch gemacht haben könnte. Oder so ähnlich, denn woher soll ich wissen, was und wie man im so genannten (so genannt deshalb, weil eh alles gleichzeitig und außerdem gar nicht wahr ist) nächsten Universum denkt. Die Phantasie kann hier durchaus auch anderen überlassen sein.

Und Arima horchte auf. Jetzt blickte er auf die andere Seite. Auf die andere Seite des großen Buches, in dem alle Universum beschrieben sind. Bildlich beschrieben. Man sollte ihn zurück halten. Aber er lächelt nur und fragt: „Was glaubt Ihr, was Ihr seid? Besser als jene? Müssen wir jene fürchten?“ Etwas geschwollen drückt er sich aus, aber wie schon gesagt, - im nächsten Universum dürfte einiges anders sein. „Bedenkt, WAS wir sind!“ ruft er weiter mit höchst angenehmer Stimme (man kann es sich so vorstellen, auch wenn es nicht so ist), „Wir sind jene Idee, die niemals hätte sein dürfen. Und auch wenn diese Idee von der Quelle nicht wahrgenommen wird, durchdringt sie sie genauso wie alles, was wirklich ist. Der Quelle bleibt im Grunde genommen nicht wirklich etwas verborgen. Das kann ich mit Zuversicht sagen. Lasst mich zu diesen Kreaturen gehen und ihnen ein wenig beistehen. Und bedenkt, dass es nur einen Geist gibt, aus dem alles hervorgeht. Wir sind nicht mehr und weniger als Geist. Und jene dort draußen sind ebenso nicht mehr und weniger als Geist. Sie sind wir. Und sie und wir sind die Quelle. Alles ist immer ein einziger Geist. Also, wo ist der Unterschied? Wo soll hier Gefahr sein?“

Es gibt keine Gefahr. Auch wenn das Leben tödlich ist. Man kann sagen, es gibt keine Sicherheit. Wer weiß schon, welcher Idiot an der nächsten Ecke lauert und dein Freund sein will? Und so stürzt sich Arima in Form eines Soldaten (nicht wieder zu erkennen!) in die Nähe des einzigen Baumes, unter dem diese wilde Horde noch immer hockt und dämlich lacht. Bis auf einen. Einem ist das Lachen vergangen, als er zu denken begann.

Denken löst etwas aus, was kaum beschrieben werden kann. Es ist wie ein Fluch. Wie eine Strafe. Man denkt sofort, Gott will einen für seine Sünden strafen. Die Erbsünde. Und wer rettet uns? Wie kann die gesamte Welt gerettet werden? Und von wem? Von was? Einem klugen Buch, in dem steht, dass nichts wirklich ist? Dass wir nur träumen und nichts anderes als eine blöde Idee sind? Welche Chance hat ein alter Indianer oder ein Buschmann, der gerade eine neue Trommel bastelt, dieses Wissen zu erfahren? Hat er! Keine Frage! In einem der nächsten tausend Leben kann es durchaus sein, dass er so ein Buch in die Hände bekommt. Wäre doch ein Witz, wenn ein Buch die Antwort auf alle Fragen wäre. Oder eine ganz bestimmte Religion oder Philosophie. Ob das ein guter oder schlechter Witz ist sei noch dahin gestellt.

Arima schleicht sich unbemerkt zu der Herde. Sein Kopf ist gesenkt unter dem Helm. Olivgrün ist die neue Farbe. Nur kurz blickt er zu dem Soldaten, der als einziger ernst geworden ist. Ist der ernste Soldat der Joker, der über den Tellerrand blickt oder doch viel mehr der Narr, der vergeigt hat, stumpfsinnig glücklich zu bleiben?


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Irgendetwas fehlt. Irgendetwas ist anders. Es ist ein anderes Universum. Wie sagte Kim einst? Die Quelle der Kraft öffnet sich und schließt sich wieder. Immer wieder. So entstehen immer wieder neue Universen, die im Grunde genommen gleichzeitig entstehen. Nur wir Menschen sind eindimensional wahrnehmende Lebewesen. Es gibt Lebewesen, die durchaus multidimensional wahrnehmen können. Aber es sind wenige und diese befinden sich in so genannten höheren Welten.

Die Quelle hat sich wieder geöffnet. Ich sage: Die Quelle hat sich scheinbar wieder geöffnet. Sie hat mit dieser Welt, mit all den scheinbaren Universen, nichts zu tun. Und doch! Warum nicht? Warum sollte sie gut und böse, warm und kalt, schön und hässlich, und all die Grausamkeiten der Menschen nicht zulassen? Wer weiß, ob sie überhaupt die Möglichkeit hat, irgendetwas zuzulassen. Die Quelle der Kraft ist eine Art unerschöpfliche Energiequelle, ein Geist. Unpersönlich. Kim sagte: „Persönlich wird sie aber durch uns.“ Immer diese Widersprüche! Was nun? Werden wir es jemals wissen? Oder ist es uns nur vergönnt, für immer im ewigen Dunkel zu ruhen.

Kim? Arima? Wer oder was bist du nun als gewöhnlicher Soldat? Hast du schon alles vergessen? Er hockt neben dem ernst gewordenen Berserker, der starr vor sich hin auf den Boden blickt. „Was?“ fragt Arima in einer seltsamen Sprache, die nur irgendwie an „reden“ erinnert, so wie alles in dieser neuen Welt. „Wie was?“ meint der Ernste (man könnte ihm doch den Namen Ernst geben!) nach Minuten des Nachdenkens. „Was passiert hier? Was tun wir hier?“ „Zerstören“, murmelt Ernst. Die anderen lachen noch immer. Sie lachen sich langsam zu Tode und übrigen bleiben werden nur Ernst und Arima. Arima, der immer mehr zu denselben „zurückgebliebenen“ Menschenwesen wird wie die anderen. Wollen wir das? Wollen wir Arima, den schönen, strahlenden Arima tatsächlich so sehen?

Ein seltsames Tier kommt des Weges. Die anderen Soldaten sind vor lauter Lachen bereits zu schwach geworden, um ihre Gewehre oder Messer zu nehmen und das seltsame Tier abzuschlachten. Nur Arima und Ernst starren es an, als es heran hoppelt (ähnlich einem Känguru) und vor den beiden stehen bleibt. „Ich bin's – Sila“, flüstert es auf merkwürdige Weise. „Ich konnte dich doch hier nicht alleine lassen.“ Mit dunklen, großen Augen starrt es Arima an, der nur müde die Schultern hebt, als würde er nichts verstehen.

Babylon. Sie müssen keinen Turm bauen, um sich nicht mehr zu verstehen. Es genügt die fortschreitende Teilung des einen Geistes. Kim, es macht keinen Sinn, wenn sich die Quelle immer wieder öffnet und wieder schließt. Es macht mehr Sinn, wenn sie mit all dem Quatsch hier gar nichts zu tun hat. Du, Kim, gehörst genauso wie alles andere hier zu einer fehlgeleiteten Idee, die niemals war. Ich weiß, wirklich verstehen kann man das als Mensch nicht, aber ich kann es so annehmen, indem ich mir sage, dass Gott, sollte es einen geben, sicher nichts mit dieser Welt zu tun hat. Vor allem dann nicht, wenn es sich um einen liebenden Gott handelt. Wieder Quatsch. Oder? Sicher gibt es einen liebenden Gott, wie auch einen strafenden Gott, aber sie alle sind jenseits der Quelle und auch nicht wirklich vorhanden. Auch sie werden nur geträumt. Nur geträumt.

Und Arima stiert vor sich hin. Ernst auch. Und Sila, das Känguru, (das seltsame Tier sieht so ähnlich aus) versucht verzweifelt, sich verständlich zu machen.


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„Ich musste dir folgen, aber ich vergaß, dass du vergessen könntest“, lamentiert Sila in einem der unzähligen Pavillons, als sich Arima zu ihr setzt. „Es passiert einfach zu schnell“, meint Arima und damit meint er die Teilungen. Es ist ein Blätterrauschen im großen Buch, so schnell füllen sich die neuen Seiten des neuen Universums.

Wer war die Idee, die niemals hätte stattfinden dürfen und die, laut Kurs, (ja, schon wieder!) nie stattgefunden hat? Arima? War er wirklich der Erste? Zusammen mit Sila? So wie sie die letzten waren, als das Universum endete? Fragen über Fragen. Wenn es denn so war, ist Arima die Idee, die niemals hätte sein dürfen, dann ist er der Teufel, Luzifer, der Satan, Mephisto oder wie auch immer, denn auch dem Bösen gaben wir viele Namen.

Aber – laut Kurs (ja, schon wieder!) - gibt es so etwas wie den Heiligen Geist, der die Illusion (den Traum, den Trip) zur Schule macht. Eine Schule, in der man lernt, wie man wieder nach Hause kommt. Eine Art Schulung im Orientierungslauf.

„Die Liebe hegt keinen Groll“ - ist eines der wichtigsten Lehrsätze im Kurs. Was wähle ich – Angst, Hass oder Liebe? Diese beiden Möglichkeiten habe ich. Wenn Kim die Liebe selbst ist, ist es Arima auch. Maria macht ihn nicht böse, sondern glückselig.

Arima mag mit Sila der Letzte gewesen sein und das mit seiner Vorliebe für Individualismus ist auch nicht so ganz richtig. Ja, er plädiert dafür, aber auf eine ganz andere Art, die uns Menschen fremd ist. In der Quelle herrscht der wahre (unerklärbare?) Individualismus. Da sind wir zu Hause und wir selbst. Wir, die Einheit, die ständig frei und fröhlich miteinander kommuniziert.

Man soll niemandem Schuld zusprechen. Niemand hat Schuld. Dennoch vergeben wir. Aber wir vergeben uns selbst. Wir, der eine Geist, der individuell in der Quelle wahrhaft zu Hause ist, hat sich (scheinbar) in unzählige Teile zersplittert. Welcher Teil ist nicht von diesem einen Geist?

Oder wie sagt es uns Advaita Vedanta? Atman ist das Wahre und Atman ist in allen Lebewesen ein und der Selbe, weshalb man immer nur Atman in allen sehen soll, denn alles andere (Form) ist Illusion.

Wenn wir Groll hegen gegen unseren Nächsten, hegen wir Groll gegen uns selbst. So scheint es zumindest. Aber das hier hat mit dem einen Geist, der in der Quelle individuell zu Hause ist, nichts mehr zu tun. Diese Bösartigkeit, wie tagtägliche Morde und andere Verbrechen aus Habgier und Egoismus, hat nichts mit dem einen (wahren) Geist zu tun. Und doch sollten wir all dem vergeben. Und jetzt einen großen Tusch: „Tusch“ - denn all das ist nicht. Wir hegen Groll gegen nichts. Wir vergeben niemandem und nichts. Warum nicht? Weil in Wirklichkeit gar nichts da ist.

Ich verzeihe mir selbst die ständigen Wiederholungen, aber anders funktioniert die Bewusstseinsveränderung nicht. Und man darf auch nicht vergessen, dass Wahrnehmung und Bewusstsein zum falsch gesinnten Geist gehören. Im recht gesinnten Geist herrschen Erkenntnis und rein Geistiges. Da wird nicht gedacht, weil es keinen Grund zum Nachdenken gibt. Bewusstsein ist denken – grob gesagt oder zumindest gehört denken dazu.

Dennoch muss es eine Bewusstseinsveränderung geben. Ich kann nicht weiter denken wie immer, wenn ich etwas in mir verändern will. Wenn es dann verändert ist, kann ich es wegwerfen, weil es wie eine Leiter funktioniert, mit der ich zum Wahren aufgestiegen bin.

Oder so wie Ludwig Wittgenstein es in seinem „Tractatus“ formuliert hat: „Meine Sätze erläutern dadurch, dass sie der, der mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – über sie hinausgestiegen ist. Er muss sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist. Er muss diese Sätze überwinden, dann sieht er die Welt richtig.“

Aber wir suchen einen Sündenbock, nämlich den alten Mann und den kleinen Michel. Sie kamen zugleich und als Gegensätze. Oh ja, einer (in diesem Fall zwei) muss immer Schuld haben. Und wenn sie dann ihre Schuldigkeit getan haben, können oder dürfen sie gehen.


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Den Geist schulen und man muss glauben. Muss! Wie sieht das in der Praxis aus? Nehmen wir mal die Geschichte vom Mann mit dem Handycap „Zweig“. Das ist jener Mann von dem ein böser Gott fast überzeugt war, dass er erleuchtet ist, weil ihn im Leben überhaupt nichts mehr berührt hat. Als er seine Frau mit einem anderen Mann im Bett überraschte, zürnte er keinen von beiden. Ganz im Gegenteil! Er fragte die beiden, ob er ihnen Kaffee ans Bett bringen dürfe. Und als die 15jährige Tochter von der Polizei nach Hause gebracht wurde, weil sie einen Diebstahl begangen hatte, meinte er nur, sie solle sagen, was sie haben will und er wird ihr jeden Wunsch erfüllen. Als ihn die Frau einen Schlappschwanz nannte, weil er nicht um sie kämpfte und die Tochter ein Weichei, weil er sie nicht bestrafte, lächelte er nur und meinte, sie haben eh recht. Er meinte all das genauso. Er liebte seine Frau und seine Tochter nicht. Er war die Liebe selbst. Denn Liebe hegt keinen Groll.

Auch als ihn beide aus dem Haus warfen, war er noch immer die Liebe selbst. Ihm lag nichts mehr am Weltlichen, also ging er ins Kloster und wurde einer der vorbildlichsten Mönche. Hilfsbereit, geduldig, liebevoll, einfach perfekt. Der böse Gott, der ihn für sich haben wollte, meinte schon, ihn an den guten Gott verloren zu haben, als er einen neuen Versuch startete. Der Mann liebte es, im Kloster den Zengarten zu pflegen. Da blies der böse Gott einen Zweig auf den eben mit einem Rechen verzierten Boden. Der Mann sprang auf, nahm den Zweig weg und rechnete den Boden wieder gleich. Der böse Gott blies abermals einen Zweig auf den Boden. Im Mann regte sich plötzlich etwas. Er wurde zornig und der böse Gott hatte gewonnen. Es gibt keinen Menschen, den nichts, absolut nichts berührt und der bereits zu Lebzeiten eins mit dem Einen ist, lachte der böse Gott.

Den Geist schulen und man muss glauben. Muss! Es nützt nichts, wenn ich nicht genauso denke, wie ich handle. Klar gebe ich manchmal einem Bettler eine Münze. Die Frage ist nur, WIE gebe ich die Münze. Aus Mitleid? Weil ich mich ihm überlegen fühle? Oder bin ich Liebe und gebe einfach, weil ich geben will? Liebe braucht nichts. Sie braucht keine anderen Lebewesen. Sie will nur, dass alle Lebewesen glücklich sind. Liebe hegt keinen Groll – einer der schönsten und lehrreichen Übungen im Kurs (in Wundern).

Kim (Arima) war genauso. Als sich seine Kinder und Schwiegerkinder bei ihm bedankten, weil er ihnen viel Hausarbeit abnahm, verstand er ihren Dank nicht einmal. Für ihn war es selbstverständlich, dass er für sie da war. Liebe braucht keinen Dank.

Eigentlich benötigen wir keine Bücher, keine Lehren, um das so genannte „Richtige“ zu tun. Wenn wir Eins mit dem Einen (wie immer wir Ihn/Sie/Es auch nennen) sein wollen, gibt es keinen anderen Weg als die Liebe selbst zu sein. Was kann uns schon passieren unter den Fittichen des Einen? Nichts! Absolut nichts! Wir brauchen nichts unter den Fittichen des Einen. Doch, vielleicht brauchen wir etwas, nämlich das Glück aller Lebewesen.

Wieder einmal erinnere ich mich an Kims (besten?) Spruch: „Wenn du dich der Quelle der Kraft ergibst, führt sie dich genauso wie dein Ego dich führte, nur mit dem Unterschied, dass du dich nicht mehr fragst, was für dich dabei heraus springt.“


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