Es sind immer die "zur Recht" Empörten und die (Selbst-) Gerechten, die ausschließen und verurteilen und es sind die Gleichen, die Kriege anzetteln im "guten Gewissen" und sich auch dabei im Recht fühlen. So war es schon immer.
Was ist denn dieses Gerechtigkeitsgefühl aus dem heraus wir jemandem ans Leder wollen? Es ist nichts was man so hoch hängen müsste, wie wir es zumeist tun, denn es handelt sich nur um unser persönliches Gewissen. Dieses regelt einzig, was bzw. wer als "gut" und was als "böse" in einem System zu gelten hat. Und was ist dahinter? Täterenergie! Denn die Empörten und Gerechten tun so, als wären sie die Opfer selbst: das entehrt die Opfer (wenn es denn hier überhaupt welche gibt). Sie maßen sich an, mit dem vermeintlich Bösen zu verfahren wie sie wollen und berufen sich auf ihr "Gewissen".
Aber wer so handelt, der wird dem gleich, ja schlimmer noch als der, den er zu bekämpfen vorgibt.
Was ist mit jenen, die ihre Aufsichtspflicht nicht oder unzureichend wahrgenommen haben? Den Eltern (v.a. Müttern) der betroffenen Kinder. Was ist mit jenen, die ihre Kinder - im Wissen darum, dass sich hier ganz offensichtlich auf lange Sicht gutes Geld auf Kosten der Kinder machen lässt - hemmungslos ausnutzen?
Man schaue sich das Leben Michael Jacksons an: was war er bei seinem Vater? Ein Objekt, das man nach Belieben und mit allen Mitteln formen darf. Ein Missbrauchter. Einer, der aus Liebe zu sienem Vater mit dem Selbstmissbrauch weiter gemacht hat. Man schaue auf eine vielen "Selbstgestaltungs-Aktivitäten" wie Hautfarbänderung und die vielen OPs. Vom Objekt des Vaters wurde er zum Objekt seiner selbst.
Ein Mann, der an sich mit dem konsequent weiter gemacht hat, was sein Vater begann: Gestaltung und Veränderung auf ein irres Ideal hin. Er hat sich und das Leben nicht genommen, wie sie ihm geschenkt waren, weil er es so in der Familie gelernt hat. Kein Wunder, dass er auch jetzt solchen Angriffen ausgesetzt ist. Wie auch immer, er hat dafür gesorgt, das er nun vor Gericht steht und von so vielen verachtet wird, wie er von so vielen zuvor geliebt wurde. Eine größere Rache an seinem Vater kann gar nicht mehr sein oder? An der Oberfläche zumindest... Oder ist es viel mehr, dass er nun für die Taten seines Vaters an ihm zu sühnen sucht?
"Papa, ich wurde ein anderer, so wie du es wolltest... aus Liebe.
Papa, ich sühne auch für dich... aus Liebe."
Fraglich ob solch kindliche Versuche, seine Liebe zu zeigen, fruchten. Es darf in der Familie nicht gesehen werden.
Offenbar gilt in der Jackson-Familie etwas Anderes als anderswo und Michael Jackson hat es gelebt (was ihn nicht einer eventuellen Verantwortung gegenüber den Kindern und der gesellschaftlichen Regeln enthebt, keine Frage). Aber das systemische Gewissen ist stärker. Es duldet keine Verletzung des Ausgleiches von Geben und Nehmen.
Was steht noch dahinter? Viel mehr. Die Geschichte der schwarzen Amerikaner schlechthin, die immer noch versuchen, den Weißen gleich zu sein? Michael Jackson hat vielleicht ohne es zu wissen versucht, den Weißen gleich zu sein. Jenen weißen Tätern, die vielleicht auch seine Vorfahren verschleppt und gemordet und vergewaltigt haben.
In Indianerfamilien gibt es bei heute schwere Wirkungen des Genozids - was mag in schwarzen Familien wirken?
Meine Vermutung: es wird mit dem Tod Michael Jacksons enden.
Wir aber - wir tun m.E. gut daran, uns sehr weit zurück zu ziehen, anstatt uns weit aus dem Fenster zu lehnen mit Empörung. Hier wirken unglaubliche Kräfte, die wir uns nicht annähernd vorstellen können. Was sehen wir, wenn wir uns zurück ziehen, auf das ganz große amoralische Gewissen?
Egal was er wirklich getan hat oder nicht: für uns alle braucht er unsere Liebe.
Es hat mal einer gesagt: liebet eure Feinde. Der ist gekreuzigt worden dafür.
Christoph