Hallo zusammen!
Liebe Regina, eigentlich thematisieren unsere beiden Threads das selbe Thema aus einem anderem Blickwinkel... Nämlich das Tabuthema: Tod. Du bist ein sehr mitfühlender Mensch und ich respektiere Deine Gedanken sehr.
Aber sie würden sich relativieren, wenn ein geliebtes Familienmitglied auf ein dringendes Spendeorgan angewiesen wäre. Wenn dein Vater, dein Bruder, dein geliebter Mann ein neues Herz bräuchte und sich über das Netzwerk ein geeigneter Spender finden würde... Würdest Du ihm diese Information vorenthalten können? Besonders dann, wenn dein Mann, Bruder, Vater überzeugte Rationalisten/Atheisten sind und nicht an ein Weiterleben nach dem Tod glauben? Wenn sie lebensfrohe Menschen sind und dich lieben und noch viel Zeit mit dir verbringen wollen? Könntest Du einem in der Wüste verdurstenden Menschen ein Glas Wasser vorenthalten, wenn Du es direkt in der Hand halten würdest? Wenn Du es ihm vorenthältst, wäre es automatisch unterlassene Hilfeleistung und Du würdest Dein eigenes Karma belasten!? Wenn Du es ihm aber gibst, zeigst Du Mildtätigkeit und löst Karma auf?!
Ärzte, liebe Regina, befinden sich in einer ganz schwierigen Lage. Sie sind seit der Antike (->
Eid des Hippokrates ) unbedingt dem Leben verpflichtet. Sie dürfen sich gleichzeitig aber nicht zum Herr über Leben und Tod machen. Dann sind Ärzte naturwissenschaftlich orientiert und dürfen nur an das glauben was quantifizierbar ist. Auch wenn ich persönlich an ein Leben nach dem Tod glaube, habe ich dennoch ein großes Problem... Ich weiß es nicht 1000%ig. Es besteht immer noch eine Restwahrscheinlichkeit, daß es kein Leben nach dem Tod gibt. Aufgrund dieser Restwahrscheinlichkeit definiert sich für mich der Wert des Lebens. Es ist unendlich kostbar. Kein Wissenschaftler hat jemals eine Seele vermessen... Eine Seele wird oft mit "Energie" gleichgesetzt. Aber eine Energie muß doch physikalisch meßbar sein?
Ich bin sehr weit davon entfernt eine Debatte über pro und contra der Organtransplantationen führen zu wollen und möchte zumindest versuchen eine objektive Haltung zu beziehen. Die Artikel, die Du präsentiert hast, sind sehr gut geschrieben worden und gut recherchiert. Sie decken sich in etwa mit meinen damaligen Erfahrungen als Medizinstudent.
Die Texte zeigen vor allem, daß es große Mißstände in unserem System gibt:
-Menschen wird mitunter der Anspruch auf einen würdevollen Tod verwehrt
-Ärzte/Pflegepersonal sind oftmals überfordert und alleingelassen
-Ärzte/Pflegepersonal sind oft überlastet
-Definition von Tod (->Hirntod) bedarf dringend einer erneuten Debatte bzw. etwaigen Verbesserung der Gesetzgebung
-Politiker gehen dieser Thematik lieber aus dem Weg bzw. treffen populäre Entscheidungen
-Tabuisierung des Todes
-usw.usw.usw.
Gott:
Wenn ich ein todkrankes Kind, daß dringend eine Knochenmarkspende benötigt weil es z.B. an Leukämie erkrankt ist, als Arzt behandeln würde, dessen Eltern aber gegen eine Knochenmarktransplantation sind, dann würde ich gegen den Willen der Eltern und zum Wohle des Kindes entscheiden. Es gibt Menschen die lehnen aus religiösen Gründen eine Knochemarktransplantation oder Bluttransfusion oder sogar eine medizinische Behandlung generell ab. So ein Verhalten finde ich unverantwortlich, besonders dann, wenn ein dritter (Kind) geschädigt wird.
Denn meine Philosophie sieht so aus: Gott ist allmächtig! Wen Gott zu sich berufen will, den wird er auch berufen; ob mit hightech Medizin oder ohne. Nach meiner Meinung stellen "tiefreligiöse" Menschen, die eine medizinische Betreuung ablehnen, Gott sogar in Frage!
Psyche:
Irgendwo in Südamerika(?) existierte vor langer Zeit ein Indianderstamm, von dem mir folgendes von meinem Philosophielehrer in der Schule berichtet wurde... Dieser Indianerstamm hatte eine territoriale Grenze abgesteckt, an der das Reich der Toten, daß nur von einem Priester betreten werden durfte, begann. Es hieß, daß außer einem Priester niemand das Recht habe diese Grenze zu überschreiten und augenblicklich sterben müsse. Nachdem sich ein Krieger dieses Stammes auf der Jagd nach Fleisch verirrt hatte, bemerkte er, daß er die Grenze zum Reich der Toten bereits überschritten hatte. Er bekam einen Schreck und fiel tot um.
Es wird immer wieder vergessen, was für einen gewaltigen Einfluß unsere Psyche auf den Körper besitzt. Ärzte begreifen langsam, daß auch der seelische Zustand eines Patienten auf die Gesundung des Körpers eine wichtige Rolle spielt. Wenn also ein Patient glaubt, daß nach einer Herztransplantation auch etwas vom Spender in ihm schlägt, muß ich die Frage stellen dürfen, wo denn der Sitz der Seele genau ist? Die Japaner glaubten/glauben z.B. die Seele würde im Bauch sitzen, weswegen die zum Tode verurteilten Samurai auch harakiri (hara = Bauch) bzw. seppuku begingen. Sie stießen sich das Kurzschwert in den Bauch, um die Seele zu entlassen. Sitzt die Seele im Herz, im Gehirn oder im Bauch? Oder haben wir einen "Astralkörper", der unserem haargenau gleicht, und einfach nur über unserem Körper gestülpt ist? Kann die Seele in "Scheiben geschnitten" ins Jenseits kommen?
Tod:
Kann man nur ein bischen tot sein? Das scheint mir persönlich doch abwegig... Es wäre genauso wie ein bischen schwanger... Entweder die Frau ist schwanger oder sie ist es nicht. Entweder der Mensch lebt oder er ist tot.
Ich würde mich persönlich als tot definieren, wenn meine Seele den Körper verlassen hat und nicht mehr zurück kann oder zurück will... Allerdings kann ich mir nur vorstellen, daß meine Seele nicht Stückchenweise, sondern entweder ganz oder gar nicht den Körper verläßt. Das Problem dabei ist, daß es sich wissenschaftlich nicht bestimmen oder messen läßt, wann die Seele endgültig gegangen ist.
Ein per definitionem hirntoter Patient ist nach Ansicht der Medizin also tot?! Sicherlich tun sich viele Ärzte und Pflegekräfte mit dieser Definition schwer. Denn diese Frage stößt an die Grenzen der menschlichen Ethik. Aber irgendwo muß eine Grenze gezogen werden. Auch zum Schutz des Patienten, damit lebensverlängernde (mitunter quälende) Maßnahmen abgebrochen werden können. Da ist es naheliegend, daß die Medizin davon ausgeht, daß Persönlichkeit/Bewusstsein an die Funktion des Gehirns gebunden ist. Wenn das Gehirn tot ist, ist auch gleichzeitig die Persönlichkeit oder das Bewusstsein erloschen, und somit alles was den Menschen ausmachte verloren; auch wenn der Patient noch lebendig ist/wirkt (Reflexe, Körperwärme, etc.).
Wenn Ärzte mit hirntoten Patienten respektlos umgehen, so ist dieses Verhalten unmoralisch. Leider gibt es Ärzte, die den Menschen nur als Ersatzteillager betrachten... Leider!
Geschichte und Menschenopfer:
Kann man damals mit heute vergleichen? Die
Azteken vor knapp 1000 Jahren verfolgten eine Kultur, die für uns unverständlich ist. Sie brachten Menschen auf grausamste und schmerzhafteste Weise um, indem sie ihnen bei lebendigem Leib das Herz aus der Brust schnitten. Wenn wir heute darauf zurückblicken, denken wir uns, daß das wirklich primitiv war... Wie kann denn ein Menschenopfer z.B. mehr Regen bringen? Aber wir vergessen, daß es damals keine "moderne" Wissenschaft gab, keine Technik, keine Demokratie, etc... sondern es herrschte ein Aberglaube, der mit Sicherheit in direkter Beziehung zur Natur stand.
Die Menschen
glaubten an ihre Götter und opferten weil sie
glaubten, daß es ihnen helfen würde. Heute aber
wissen wir, daß es bestimmte Gesetze gibt, nach denen die Natur funktioniert. Menschenopfer werden im allgemeinen abgelehnt und durch Strafen sanktioniert.
Heute:
Kann ich aber einen Organspender mit einem Menschenopfer von damals vergleichen? Nein, denn das wäre weit über das Ziel hinausgeschossen. Bei aller Kritik an der modernen Medizin wird in der Regel alles dafür getan, um einem Menschen ein langes Leben in Gesundheit zu ermöglichen. Auch kenne ich viele Ärzte, die eine gesunde Einstellung zum Tod vertreten und Patienten würdevoll sterben lassen, ohne mit aller Macht zu versuchen das Leben eines Menschen künstlich zu verlängern. Auch wird ein Organspender nicht sinnlos sterben, sondern um einem anderen Menschen ein würdevolles Leben zu ermöglichen. Er wird nicht hingerichtet, sondern hat sein Leben, zumindest nach medizinischen Maßstäben, beendet.
Sicherlich gibt es, wie in jedem menschlichen (Gesundheits-)System, auch Schwachpunkte. Aber durch politisches und gesellschaftliches Engagement, als auch durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, können diese Mißstände behoben werden. Die Würde eines jeden Menschen ist unantastbar. Das ist ein Gesetz, auf daß wir alle weiter aufbauen können.
Liebe Grüße
Toffifee