Manisch-Depressiv oder bipolare Störung

Ereschkigal

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bei Köln
Hallo Ihr Lieben,

ich war in der Kindheit und auch letztes Jahr nochmal durch Kontakte zu Menschen mit einer bipolaren Störung (alter Begriff mansich-depressiv) sehr verunsichert.

Ich weiß nur heute aus der Literatur, daß eine euphorische Phase mit sehr viel Aktivität und eine depressive Phase mit typischen Merkmalen einer Depression sich abwechseln. Die euphorische Phase ist durch sehr große Aktivität mit vielen Plänen und nicht zur Ruhe kommen können gekennzeichnet. Die Menschen schlafen kaum noch und sind in Hochstimmung von sich überzeugt und wollen berühmt werden, die Welt verändern ...
Darauf folgt dann oft das zu Tode betrübt und eine riesige körperliche Erschöpfung, kaum noch aus dem Bett kommen, Gedankenkreise ...

Wie schnell die Phasen wechseln ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Bei manchen mehrmals am Tag und bei anderen bleibt monatelang eine Phase bevor sie in die andere kippt.

Hat von Euch jemand Erfahrungen zum Umgang mit solchen Menschen gemacht? Kann jemand was dazu sagen, wie sich diese Störung auf Kinder auswirkt, wenn die Bezugspersonen davon betroffen sind? Oder ist jemand selbst erkrankt und möchte erzählen, wie sich das ganze anfühlt?

Liebe Grüße
Ereschkigal
 
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Hi Ereschkigal,
ich kann dich gut verstehen. Heute bin ich 45 und seit undgefähr 8 Jahren habe ich diese manisch-depressive Phasen im Griff.
Ich glaube es ist ein bischen "Widderkrankheit" denn ich kenne einige die so sind. Ich habe auch drei Kinder und sie haben es voll miterlebt als sie klein waren. Diese Unbeständigkeit ist Gift für die Kleinen.
Wenn du mich persönlich fragen möchtest, maile mir, ich kann dir bestimmt ein paar Tips geben wie du es besser in den Griff bekommst.
Gruß Josephine33
 
Liebe Ereschkigal

Ja, ich habe erfahrung mit dieser krankheit. mein partner ist davon betroffen. seit ich ihn kenne hatte er bereits 2 manische und 2 extrem schwer depressive phasen. du hast übrigens die krankheit sehr gut beschrieben.

manisch ist für den erkrankten ein enorm tolles gefühl - für angehörige etwas vom schwersten das es gibt. mein partner ist in seinen manischen phasen extrem spirituell. er redet ohne unterbruch von erleuchtung, buddha, jesus, engeln. er schläft nicht mehr (da erleuchtete auch nicht mehr schlafen..) und er redet mit allen darüber, egal ob fremde oder bekannte personen. schwierig zu erklären im detail.

ganz schwierig in manischen phasen ist es mit den finanzen. er hat sich selber ruiniert und enorm viele schulden gemacht. er hat geld ausgegeben, jedoch nicht für sich. er hat gespendet, wollte retten, helfen, etc. eigentlich ein feiner zug. nur hat er vergessen, dass er gar kein geld mehr hat...

irgendwann kam die erschöpfung. all diese aktivitäten und schlaflosen nächte. er ist total zusammengebrochen und lag 8 monate in einer tiefsten depression mit suizidgedanken. erst durch die regelmässige einnahme von medikamenten und einen klinikaufenthalt ist er nun seit letztem januar stabil.

vorher bei der ersten phase hat er sich geweigert medikamente zu nehmen. das ganze ging wieder von vorne los. ich glaube er hat jetzt eingesehen, dass er auf diese angewiesen ist. auf jeden fall nimmt er sie regelmässig.

er hat eine 14 jährige tochter, die das alles zwar nicht hautnah (aus erster ehe) mitbekommen hat, aber doch genügend davon. sie hatte in der manischen phase enorme hass und wutgefühle ihrem vater gegenüber. in seiner depression, starkes mitgefühl und wollte eigentlich fast als seine mutter auf ihn schauen.

das ganze geht sicher nicht spurlos an ihr vorbei. wie an niemandem, der direkt angehöriger ist. ich weiss jedoch nicht, ob ein mensch mit dieser krankheit je versteht, was er in den verschiedenen phasen anrichtet??

ich muss das ganze jedoch auch als krankheit ansehen und nicht als "fiesen" charakterzug. im "normalzustand" würde er all dies nicht tun, er ist krank. es ist die krankheit die das macht....

konnte ich dir damit etwas auskunft geben? sonst frag jederzeit!

love, shana
 
Liebe Shana, liebe Josephine,

herzlichen Dank für Eure Antworten und Eure Offenheit.

ich muss das ganze jedoch auch als krankheit ansehen und nicht als "fiesen" charakterzug. im "normalzustand" würde er all dies nicht tun, er ist krank. es ist die krankheit die das macht....
Dem kann ich nur zustimmen. Es ist so, daß die Krankheit etwas mit dem Menschen macht und er dies nicht mehr unter Kontrolle hat und demzufolge auch nur begrenzt dafür verantwortlich ist.

@Shana, was Du beschreibst zu den manischen Phasen und daß diese sehr unangenehm für Umwelt und die Angehörigen sind, das habe ich so auch erlebt. Am liebsten würde man in dieser Phase den Angehörigen verleugnen oder hasst ihn, wie die Tochter. Aber ich kenne es so, daß dann gleichzeitig Schuldgefühle wegen dieser Ablehnung oder dem Hass auftauchen. Das macht den Umgang mit dem Kranken nicht leichter.

Liebe Grüße
Ereschkigal
 
liebe ereschkigal!

ich hab eine gute bekannte, die auch in dieser weise krank war. und es waren vor allem die manischen phasen (wie ja auch von den anderen beschrieben), die schwer zu ertragen waren. nebenbei ein eigenartiges schlaglicht, dass wir uns offenbar von depressionen anderer leichter abgrenzen können als von deren euphorie...

letzten endes war es die klinische behandlung, die sie halbwegs stabilisierte - jeweils zu ende der manischen perioden ein paar tage stationär, um den physischen und psychischen zusammenbruch abzufedern. sie hatte schließlich eine so gute beziehung zu sich selbst entwickelt, dass sie aus eigenem antrieb rechtzeitig die klinik aufsuchte und daher jeweils mit minimalen überbrückungshilfen von der einen in die andere phase wechseln konnte. es waren bei ihr auch die depressiven stadien kaum ausgeprägt, das euphorische war deutlich stärker.

eine signifikante änderung trat ein, als sie zu malen begann - nicht bloß als unverbindliches hobby, sondern mit dem tiefgründigen anspruch, sich in ihren bildern auszudrücken. irgendwann war dannmal der kontakt zu ihr abgerissen, ich kann also nicht definitiv sagen, wie es weiterging - es sah aber ganz danach aus, als wäre die bipolare störung nur vorübergehend gewesen. sie hatte es auch vorher nicht gehabt, es trat erstmals mit ca. 20 auf und war mit ca. 25 wieder vorbei. kinder hatte sie keine.

phantasievolle theorien dazu erspare ich euch, da gibt es berufenere :)

alles liebe, jake
 
Lieber Jake,

jake schrieb:
ich hab eine gute bekannte, die auch in dieser weise krank war. und es waren vor allem die manischen phasen (wie ja auch von den anderen beschrieben), die schwer zu ertragen waren. nebenbei ein eigenartiges schlaglicht, dass wir uns offenbar von depressionen anderer leichter abgrenzen können als von deren euphorie...

Die leichtere Abgrenzung von Depression ist auch durch die äußeren Umstände gegeben. Denn ein Depressiver zieht sich meist von der Welt zurück und weiß, daß mit ihm irgend etwas nicht stimmt. Der manische ist von sich und daß er alles richtig macht so überzeugt, daß ... ja ich weiß nicht was ... die Abgrenzung viel schwerer ist.

Gleichzeitig habe ich auch das Gefühl, daß durch die manische Phase irgendwie das Leistungsdenken der Gesellschaft angekratzt wird. Warum verstehe ich noch nicht so ganz.

Ich denke, daß der Weg für den Einzelnen da rauszukommen, wie bei vielen anderen Krankheiten auch, für jeden ganz unterschiedlich ist.

Liebe Grüße
Ereschkigal
 
Hallo Zusammen

Wie ihr schon beschrieben habt, ist es einfacher mit einem depressiven Menschen umzugehen. Klar, ich hatte damals alle 2 Stunden meinen Partner angerufen um zu schauen ob er noch lebt. Ich war mir nie sicher, ob er noch am leben ist wenn ich abends heimkomme. Das war schon enorm schwer. Aber irgendwie "machbar".

Depressive Phasen können wir ja auch eher nachvollziehen (kenne dies selbst aus Erfahrung). Manische Phasen sind nicht fassbar. Ich hatte manchmal fast Angst vor ihm, dem Redeschwall, der ganzen Spiritualität (obwohl ich mich sehr intensiv damit befasse), den Aktivitäten, dem Geld, etc...

Ich habe mich auch oft für ihn geschämt, wie er fremde Menschen in Restaurants oder auf der Strasse angesprochen hat. Oder wenn er bei meinen Eltern über Gott refereriert hat ohne Punkt und Komma.

Etwas ist mir jedoch geblieben und das kommt mir so oft in den Sinn. Als ich ihn kennen gelernt habe, war er manisch. Da bin ich erstmals mit dem Thema spiritualität näher in Kontakt gekommen. Er hat mir sehr viel erzählt davon, was er sehe (Er erzählte von Gott, dem Licht, den Aufgaben). Da mich dieses Thema seit Kindheit fasziniert, habe ich in der Zwischenzeit auch sehr viele Bücher gelesen und .... in fast jedem Buch habe ich das (oder ähnliches) gelesen, was er mir damals erzählt hat.

Oftmals denke ich, dass er vielleicht diese "Bewusstseinserweiterung" wirklich hatte und aber nicht damit umgehen konnte, sondern im wahrsten Sinne des Wortes abgehoben ist! Was meint ihr? Könnte das so sein?

Ereschkigal, ja die Krankheit. Man muss sich immer wieder ins Bewusstsein rufen, dass die Krankheit gewisse Handlungen hervorruft. Ein bipolarer Mensch muss aber auch sehr viel Kraft aufwenden, weil er immer wieder an seine "Missgeschicke" in seiner manischen Phase erinnert wird.

Alles Liebe!
Shana
 
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Liebe Shana,

ich bewundere Dich, daß Du das mit Deinem Partner durchgestanden hast, es ist schon eine enorme Belastung.

Du hast Recht nicht nur die anderen werden mit dem Manischen konfrontiert, sondern auch die Person selbst, wenn sie aus der manischen Phase draußen ist. Das ist bestimmt nicht leicht. Wie geht Dein Partner damit um?

Oftmals denke ich, dass er vielleicht diese "Bewusstseinserweiterung" wirklich hatte und aber nicht damit umgehen konnte, sondern im wahrsten Sinne des Wortes abgehoben ist! Was meint ihr? Könnte das so sein?

Auch bei Depression habe ich oft das Gefühl, daß der Mensch eigentlich gar nicht da ist, also in seinem Körper und das glaube ich ist auch in der manischen Phase so oder? Es besteht irgend eine Form von Realitätsverlust. So empfinde ich das. Aber wer sagt schon, daß ich bestimmen kann, was für andere die Realität ausmacht.

Liebe Grüße
Ereschkgial
 
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