Hallo Dominik,
diese Unterscheidung gibt es in den Quelltexten der Tantras nirgends.
Siehe
http://helmutpoller.eu/text/linkshaendiges.tantra.pdf
Da ist vieles zu dem Thema erklärt. Ein Tantra ohne Benutzung des Körpers ist nicht existent.
LG
wenn es diese Unterscheidung in den Quelltexten der Tantras nicht gibt, dann ist das ja erst einmal eine Beobachtung und Feststellung. Daraus lässt sich noch nicht ersehen, dass die Unterscheidung unsinnig ist.
Die Frage ist meines Erachtens, ob es praktischen Sinn macht.
Nun ist es beispielsweise so, dass Yogi Bhajan eine Kundalini-Yoga-Tradition begründet hat und dass er diese Tradition als weißes Tantra versteht.
http://www.3ho.de/web/service-termine/termine-vorschau/weisses-tantra.html
DAs ist ein Beispiel.
Ach wenn die Unterscheidung rot, weiß und schwarz auf der Seite unzutreffend definiert wird, so ist doch bei all den unzutreffenden Unterscheidungen klar, welchen Weg das Kundalini-Yoga im Sinne des weißen Tantra verfolgt.
Natürlich wird hier der Körper einbezogen und ist der Körper die Grundlage der Praxis. Auch gibt es viele Praktiken mit Mann und Frau. Entscheidend ist, dass bestimmte Praktiken durchgeführt werden und bestimmte Praktiken nicht.
Was nun aber die Unterscheidung links-rechts angeht:
Poller macht deutlich, dass der linkshändige Pfad nicht bedeutet, dass er sich auf Unreines bezieht (z.B. Alkohol, Blut, etc.) oder etwa dadurch definiert wird, sondern dass es gerade um die NICHT-Unterscheidung von Reinem und Unreinen geht. Der linkshändige Pfad bedient sich eines breiten Spektrums, das auch vieles umfasst, was aus der Sicht des rechtshändigen Pfades "unrein" ist. In diesem Sinne der Nicht-Unterscheidung von Reinem und Unreinen, also der nicht-wertenden Haltung, ist der linkshändige Pfad nicht-dualistisch und soll er auf direktem Wege zur Erfahrung der nondualen Welt führen.
Der rechtshändige Pfad bezieht sich hingegen ausschließlich auf "reine" Praktiken. Daher ist er - aus der Sicht Pollers - dualistisch orientiert: er unternimmt duale Unterscheidungen, um bestimmte Elemente aus der Praxis auszuschließen und die Praxis auf bestimmte Elemente zu konzentrieren.
Wir können aber leicht sehen, dass die Unterscheidung, die Poller zwischen nicht-dualistischem und dualistischem vornimmt, letztlich auf dieser Ebene noch nicht zwingend entscheidend ist. Letztlich ist entscheidend, wie ein Pfad wirkt: ob er zu einem non-dualistischen Ergebnis führt - oder nicht.
Nur damit, dass der linkshändige Pfad Unreines nicht ausschließt, ist nicht gesagt, dass er tatsächlich zu einer Erfahrung des Non-Dualen führt.
Und nur damit, dass der rechtshändige Pfad Unterscheidungen vornimmt, um Praktiken anzuleiten, ist nicht gesagt, dass er in diesem Dualismus verhaftet bliebe und nicht zur ERfahrung des Non-Dualen führe.
Das eine sind die Praktiken, das anderen sind die Erfahrungen, die die Praktiken ermöglichen. Oder noch allgemeiner: Das eine sind Ermöglichungsbedingungen, das andere ermöglichte Erfahrungen.
Um das einmal an einem anderen Beispiel zu verdeutlichen: Wenn ich in meiner Ernährung bestimmte Dinge ausschließe und mich auf bestimmte Dinge einschränke, dann kann es sein, dass diese Ernährung zu einem wesentlich anderen Bewusstsein führt als wenn ich mich von weißem Zucker, Schweinefleisch und Wein ernähre.
Oder als Extrem-Beispiel: wenn ich beschließe, mich von Kaliumcyanid zu ernähren, dann wird das tödliche Folgen haben.
Es kann also sein, dass Unterscheidungen Sinn machen. Auch Tantriker des linkshändigen Weges werden sich nicht von Kaliumcyanid ernähren und werden in diesem Sinne die Unterscheidung "essbar und tödlich-giftig" respektieren und also in diesem Sinne auch dualistisch ihre praktischen Essenzen einschränken.
Mit all dem möchte ich sagen:
ob eine Unterscheidung rot, weiß, schwarz oder links und rechts Sinn macht oder nicht, lässt sich nicht dadurch belegen, dass Unterscheidungen nicht in klassischen Schriften vorkommen oder dass ein Pfad dualistische Einschränkungen vornimmt und der andere Pfad nicht.
Das, was zählt, ist vielmehr das, was aus der Praxis über Jahre folgt.