Und nein, ich wüsste nicht, worüber ich noch ein Buch in die Welt setzen sollte.
Das klingt so, als gäbe es schon genug. Freilich ist schon alles geschrieben und war in der ein oder anderen Form schon da, doch das hält die Menschen weder vom Schreiben noch vom Lesen ab. In der Werbung ist doch auch nix neu. Vielleicht ein Produkt und die Werbemittel ändern sich. Doch letztlich werden traditionelle Botschaften unters Volk gebracht. Aufsehen erregen natürlich meist die, die mit der Tradition brechen und werden dann auch gleich wieder zur Tradition.
Beim Schreiben gilt es, einen eigenen Stil zu entwickeln, um überhaupt aus der Masse herauszustechen. Was nützt die fesselndste Story, wenn sie grottendämlich geschrieben ist? Ich feile schon fast mein ganzes Leben dran rum und ich kann behaupten, meinen ganz eigenen Stil gefunden zu haben. Und der ist so gegensätzlich zu mir wie er nur sein kann. Ich hatte lange Jahre Probleme mit dieser Form der Schizophrenie, kann aber mittlerweile akzeptieren, dass es da noch das andere Ich gibt, dass beim Schreiben die Führung übernimmt. Das Verrückte ist, dass ich mich oft gar nicht mehr an meine Worte erinnern kann, wenn ich mal 'ne Nacht durchgeschrieben habe. Das geht mir mit vielen Texten so. Doch die sind verdammt gut und ich wundere mich dann immer über mich selber. Ich hab jetzt grad erst wieder beim Auspacken Texte gefunden, die ich ja irgendwann mal geschrieben haben muss. Es ist eindeutig meine Handschrift.
Naja, ich quassel darüber gerne mit einem guten Freund und Ex-Kollegen vom Radio, der eine beinahe ähnliche Bio hat wie meine Wenigkeit. Seit der Jugendzeit ein unfertiges Buch im Gepäck, dessen unerledigte Fertigstellung hindelich war, etwas Neues anzufangen. Er hat genau die gleichen Windmühlenfights ausgetragen wie ich es tat, bis er mit Anfang 40 sein Buch zu Ende schrieb, das als wirkliche kleine Entdeckung gilt. Seither lebt er von der Schreiberei, schmeisst ein Buch nach dem anderen auf den Markt und erfreut sich einer wachsenden Fangemeinde. Bis auf den Erstlings-Roman und abweichende andere Romane bedient er jedoch eine Subkultur-Nische, was ich nicht zwingend tue. Meine Prägungen sind völlig anderer Natur und ziemlich mutig. Zum Glück hab ich auch den mutigsten aller Lektoren auf meiner Seite. Ich hoffe nur, er muss nicht bis zu seiner Rente warten, bis er das fertige Manuskript auf dem Tisch liegen hat. Aber das glaub ich nicht, weil nicht mehr viel fehlt.
Ich bewundere jedenfalls Menschen, die straight nach Zeit- und sonstigen Plänen schreiben. Das ist bei meinem Thema nicht machbar. Wenn ich das tagsüber runterhecheln würde, wäre ich nur noch jenseits von Gut und Böse, weil mich die Thematik einfach überholen würde und ich nicht mehr wüßte, wo in diesem Universum ich mich befinde. Ich tummel mich ja auch im Schriftstellerforum und wir tauschen uns auch über die jeweiligen Befindlichkeiten aus. Es gibt Menschen wie mich, die die völlige Abgrenzung zum Schreiben brauchen, es gibt die, deren Tinte früh um 8 Uhr schon vorgewärmt wird, dann gibt es welche, die sich ein dreiviertel Jahr zurückziehen und danach um 20 Kilo leichter wieder auftauchen...Das ist so individuell wie jeder Mensch eben individuell ist. An einem Buch zu schreiben, ist auf jeden Fall eine sehr schwere Geburt. Vielleicht auch wie eine Geburt ein Loslass-Problem. Ich hab durchaus Ansgt vor der Fertigstellung, weil ich mein Baby dann ja gehen lassen muss. Das Problem hat man eventuell später nicht mehr, wenn es um Auftragsarbeiten geht, wovon ja so mancher Schriftsteller leben muss.
Das Erst-Buch-Problem ist wahrscheinlich bei jedem Schreiberling gleich. Du gibst ein Stück Seele ab.
Auf jeden Fall isses ein grandioser Prozess und ich bin echt gespannt, ob sich der lange Weg eines Tages lohnen wird. Doch ich bin eigentlich davon überzeugt, weil mein abgekoppeltes Ich wirklich gut schreiben kann und vorallem viel zu erzählen hat, ganz egal, ob schon alles geschrieben wurde
LG, v-p