Lichtblick (Autor: Dan Millman)
Eines Nachts vor vielen Jahren versank ich in abgrundtiefe Verzweiflung wegen einer Frau, die ich liebte und zu verlieren drohte. Wir waren seit 6 Jahren verheiratet und wohnten auf dem Campus der der Standford University, wo wir ein Studentenwohnheim leiteten. Meine Frau hatte sich in einen gutaussehenden Tennislehrer verliebt, und wenn er auf einen Sprung bei uns hereinschaute, um sich mit ihr zu unterhalten, wie die Studenten es mnchmal taten, funkelten ihre Augen so, wie sie für mich schon lange nicht mehr gefunkelt hatten. Die beiden plauderten und lachten bis spät in die Nacht hinein, ganz in ihr Gespräch vertieft.
Ich ging ins Bett, schlief aber sehr unruhig, denn ich wartete darauf, dass sie endlich zu mir kam. Als ich um zwei Uhr nachts aufwachte, war sie immer noch nicht da. Da konnte ich es nicht mehr aushalten, geschweige denn schlafen. Niedergeschlagen stand ich auf, schlüpfte in Hemd und Hose und ging zur Haustür. Die beiden saßen noch immer auf der Couch.
Ich gehe noch ein bisschen nach draussen, murmelte ich und griff nach dem Autoschlüssel. Insgeheim hoffte ich, dass meine Frau sich besorgt zeigen und den Tennisspieler vielleicht sogar bitten würde, nach Hause zu gehen. Aber sie sagte nichts. Als ich ins Auto stieg, tobte ein wilder Aufruhr in mir: Ich fühlte mich zurückgestossen und wertlos, war voller Eifersucht und Schmerzüber den Verlust meiner Frau und vor allem voller Selbstmitleid. Gleichzeitig fühlte ich mich schwach und wie ein Idiot. Warum hatte ich dem Mann nicht gesagt, dass es höchste Zeit war heimzugehen? Warum hatte ich meine Frau nicht bei den Schultern gepackt und gerufen: Es reicht ! Das ist nicht richtig, was Du da machst ! Aber wie kann man die Gefühle eines anderen Menschen unter seine Kontrolle bringen?
In dieser trostlosen Stimmung nie war ich dem Selbstmord so nahe gewesen fuhr ich ziellos durch die Nacht und landete schliesslich in einem kleinen Wald. Ich hielt an und starrte aus das Autofenster auf den matschigen Waldboden und die Pfützen. Aus dem Wasser blickte mir kein Spiegelbild entgegen, nur undurchdringliche Schwärze. Ich hatte keine Ahnung, wohin ich gehen oder was ich tun sollte.
Da geschah es.
Plötzlich wandelte sich mein Bewusstsein, und zwar ganz von selbst. Was ich damals erlebte, lässt sich mit Worten kaum beschreiben; doch in genau dem Augenblick, in dem ich den Schmerz nicht mehr ertragen konnte explodierte mein Bewusstsein, kämpfte sich frei, und Gott berührte meine Seele.
Der Schmerz das ist sehr wichtig war nicht verschwunden. Meine Ehe und meine Lebensumstände waren immer noch dieselben; nur meine Einstellung dazu hatte sich verändert. Plötzlich spielte es gar keine Rolle mehr, was in meinem Kopf vor sich ging oder welche Gefühle mich bewegten. Das Gefühl des Verletztseins war immer noch da, aber es gab kein Ich mehr, das darunter litt. Meine Gedanken und Gefühle schienen nichts mehr zu bedeuten. Sie hatten keinerlei Wichtigkeit, keine Macht und keinen Einfluss. Ich war frei frei von der Zeit und existierte nicht mehr im Augenblick, sondern als Augenblick. In diesem Zustand der Gnade, diesem neuen Bewusstsein, das über die Grenzen meiner persönlichen Empfindungen hinausgewachsen war, dachte ich an meine Frau und ihren Freund, und plötzlich überwältigte mich Mitgefühl mit ihnen beiden und mit allen Lebewesen. Nein, es war mehr als Mitgefühl: Es war ein alles überstrahlendes Einfühlungsvermögen, ein Gefühl der Einheit. Ich existierte nicht mehr getrennt von ihnen, sondern war eins mit ihnen und auch mit den Bäumen und den Sternen.
Da begann ich plötzlich laut und schallend zu lachen, als sei das Leben ein kosmischer Scherz, dessen Pointe ich soeben begriffen hatte. Hätte mich in jener Nacht jemand beobachtet, so hätte er mich wahrscheinlich für verrückt gehalten. Aber das Paradoxe war, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl hatte, völlig normal, wirklich wach zu sein. Ich sah mich um die Nacht schien mir von Licht erfüllt. Sie spiegelte das Licht in meinem Inneren wider.
Schliesslich verblasste das Licht wieder, und der Moment der Erkenntnis ging vorbei, so wie alles im Leben vorübergeht. In den folgenden Monaten und Jahren versuchte ich immer wieder, dieses Gefühl der Einheit und göttlichen Vollkommenheit wiederzuerlangen. Ich sehnte mich nach dem Licht, so wie man sich nach einer Geliebten sehnt. Ich versuchte es mit Meditationen und Visualisierungen, Seminaren und intensiver Selbstforschung. Dabei hatte ich viele Einsichten und Erkenntnisse, aber nichts, was jenem schlichten Augenblick der Erkenntnis im Wald gleichkam.
Dennoch hat mir diese Erfahrung gezeigt, was alles möglich ist, und ich glaube, sie hat mir einen kleinen Vorgeschmack der kollektiven Bestimmung der Menschheit gegeben. Ausserdem diente sie als Katalysator in meinem Leben und weckte in mir den Wunsch, das, was ich gelernt hatte an andere Menschen weiterzugeben.
Der Schwerpunkt meiner Suche begann sich zu verlagern: es ging mir nicht mehr so sehr darum, was ich bekommen, sondern mehr darum, was ich geben konnte. Ich wusste, dass die alten philosophischen Schulen und religiösen Traditionen die verschiedensten Methoden zu persönlichem und spirituellem Wachstum entwickelt hatten von Yoga und Meditation bis hin zum Gebet - , also reiste ich und las und studierte ich, nicht für mich selbst, sondern um die Schätze, die ich dabei sammelte, mit anderen zu teilen. Und schliesslich fand ich die Antworten, nach denen ich suchte, nicht in den Tempeln des Ostens oder den Schulen des Westens, sondern jetzt und hier, im täglichen Leben.