Ich habe mich in meinem Beitrag bewusst auf Indien gestützt, um aufzuzeigen, dass solch ein Gesellschaftmodell nicht nur möglich ist, sondern zumindest in Ansätzen real existierte, indem das Brahmacharya also Teil der gesellschaftlichen Realität war.
Fragt sich, wie wünschenswert das ist.
Wer enthaltsam leben will, soll das gerne tun. Aber als Gesellschaftsbestandteil... nein danke. Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der Leute sich z.B. den Mund darüber fusselig reden, wenn eine Frau Männerbesuch über Nacht hat (oder umgekehrt). Das Sexualleben geht niemanden etwas an. Wenn es in gewissen Grenzen bleibt, hat sich da niemand ein Urteil drüber zu erlauben.
Aber am Modell Indien kann man den moralischen Werteverfall deutlich erkennen, der sich mittlerweile überall auf der ganzen Welt ausgebreitet hat. Ich denke, dass die indische Gesellschaft in vielen Punkten den europäischen Gesellschaften überlegen war.
Schauen wir uns Indien mal an:
http://www.aerzteblatt-studieren.de/doc.asp?docid=106091
Ärzteblatt schrieb:
Die Tötung von Mädchen, dem unerwünschten Geschlecht, hat in Indien eine lange und grausame Tradition. (...)
Wenn ein Kind das falsche Geschlecht hat, wurde (und wird teilweise noch), es getötet... oder abgetrieben.
Und das nennst Du moralisch und beklagst Dich über Werteverfall?
Wenn man dann noch betrachtet, wie oft man im Schnitt Geschlechtsverkehr haben muss, bis es zu einer Befruchtung kommt (manchmal reicht einmal - im Durchschnitt sind aber weitaus mehr Versuche notwendig), erkennt man schnell, dass diese angeblich so sexuel uninteressierten Menschen doch relativ häufig Sex haben konnten.
Ich weiß nicht, wie es in Indien war. In einigen Kulturen glaubte man, es wäre für das Kind gut, wenn es auch Geschlechtsverkehr während der Schwangerschaft gab.
Zumindest aber braucht man während der Zeit keine Angst zu haben, dass die Frau schwanger wird... sie ist es ja schon.
Für Paare, die (angeblich) nur zum Kinder kriegen Sex hatten, war es damit sehr gut möglich, ziemlich oft Sex zu haben und dennoch nur relativ wenige Kinder (was "wenig" so bedeutete... 6, 7, 10, 15, von denen bei einigen die Hälfte umgebracht wurde und ein anderer Anteil das Erwachsenenalter aus anderen Gründen nicht erreichte).
Ich will jetzt nicht unterstellen, dass das in Indien die Norm war. Aber es ist extrem fragwürdig, wie "selbstbeherscht" den Menschen wirklich waren, und wie viel Scheinheiligkeit es da gab... denn, was wirklich in den Schlafzimmern passierte...?
Eine weitere Grausamkeit der "indischen Gesellschaft" (welche der vfelen Subkulturen meinen wir damit genau?):
http://de.wikipedia.org/wiki/Sati
Wikipedia schrieb:
(...) Diese Sitte, zunächst als Selbstopfer gedacht, wurde jedoch im Laufe der Zeit in vielen Bevölkerungskreisen eingeforderte Praxis. (...)
Gesellschaftlich erzwungener ritueller Selbstmord.
Ach ja... da wir gerade von sexueller Selbstbeherschung, die damals angeblich herschen sollte reden; im gleichen Artikel steht
Wikipedia schrieb:
(...) Der indische Historiker Kalhana schreibt in seinem Werk Rajatarangini von Fällen, in denen selbst unkeuscheste Frauen sich selbst auf dem Scheiterhaufen des Mannes umgebracht hätten. Sogar Konkubinen folgten ihnen. Das Prinzip wurde auch auf nahe weibliche Verwandte wie Mütter, Schwestern, Schwägerinnen sowie Bedienstete ausgedehnt. (...)
Wozu braucht ein Mann Konkubinen, wenn er sexuel so selbstbeherscht ist?
Und auch von Konkubinen wurde dieser rituelle Selbstmord verlangt.
Das alles in Zeiten vor der Industrialisierung und vor der Bevölkerungsexplosion (um mal den Zusammenhang "Bevölkerungsexplosion - Sexualität" weiter zu widerlegen).
Natürlich hat es auch dort Dinge gegeben, die man nicht gutheißen kann.
Ja, siehe oben. Das gilt aber nicht nur in Indien, Scheußlichkeiten hat es in jeder Kultur gegeben und gibt es immernoch.
Zumindest die Einstellung gegenüber der Sexualität hat mir in Indien gefallen.
Wie hier schon angedeutet wurde, gab es in Indien sehr viele Kulturen, die parallel nebeneinander existierten. Die von mir aufgeführten Grausamkeiten betreffen auch nicht alle dieser Kulturen. Ebensowenig die von Dir so hoch geschätzte Einstellung gegenüber der Sexualität.
Aber auch, wenn es gesellschaftliche Norm war, nur zum Kinderkriegen den Geschlechtsverkehr auszuüben, war es den Menschen sehr gut möglich, relativ häufig Sex zu haben... Scheinheiligkeit und Doppelmoral bei wahrscheinlich sehr großen ANtiel der Bevölkerung.
Da ist mir eine Gesellschaft, die Sexualität nicht ächtet, die nicht darüber urteilt, wie oft ein Mensch Sex hat und wie oft nicht, in der sehr sichere Verhütungsmittel einfach zu bekommen sind, weitaus lieber, als diese "hohen ethischen Werte".
Mit Beginn der Industrialisierung, die von Westen aus ihren Ursprung nahm, wurden die hohen ethischen Werte, die in der indischen Gesellschaft bestanden, fortgeschwemmt und die Menschen wurden vom Materialismus mitgerissen.
Hohe ethische Werte? Ich kann da aufgrund der hier gezeigten Grausamkeiten einer Teilmenge der Indischen Kulturen keine "höheren" ethischen Werte erkennen, als in anderen Kulturen.