"Ausdruck" find ich gut. Wenn ich das wieder universal betrachte, dann sehe ich ein Blatt und Worte darauf oder aber ein Bild. Einen Ausdruck. Ein Bild wäre auch als Text darstellbar, eine Bildbeschreibung. Genau so wie es ein Drehbuch für einen Film gibt und eine Biographie in unserem Leben. Die übrigens Vitalität vermittelt in uns oder auch nicht- von den Erlebnissen her ist das ja schon etwas anderes, ob man z.b. Krieg erlebt hat und Menschen z.B. töten mußte oder nicht.
Ein Ausdruck ist immer auch ein bißchen töten, da ist etwas gereift, das sich aus dem geistigen Raum in Klang oder Schrift oder ein Bild umwandelt und die Welt betritt. Dieses die-Welt-Betreten gelingt dem Autisten nicht, sehe ich auch.
Oh man, wie blöd. Jetzt fange ich die Geschichte zum Dritten mal an zu schreiben

... aber sie hat mich ja auch nachhaltig beeindruckt und passt mE hier her:
Am Sonntagmorgen war ich gebeten worden zu einer kleinen Fotosession in den Reitstall zu kommen, wo jeden Sonntagmorgen zwei Frauen mit einer kleinen Dame, die mit dem Downsyndrom zur Welt gekommen ist, eine Reitstunde stattfindet. Ich merkte schon beim Telefonat, dass da mehr dahintersteckt - aber ich hatte die Kleine schon kennengelernt, auf einer Feier und sie hatte versucht mich anzuspucken und nach mir zu schlagen - so das ich nicht so wirklich begeistert war von der Idee ihr wiederzubegegnen.
Dennoch trafen wir uns am Stall und als ich das kleine Mädchen dann ansah, war da wieder dieser überaus aggressive Blick und als erstes versuchte sie in einem unbewachten Augenblick, dass Pferd in den Hintern zu beißen +lach+ ... das Pferd nahm das gottseidank locker hin und ihre Mutter entschuldigte sich mehr oder weniger und erzählte, dass die KLeine eben in allem eher aggressiv ist und auch zur Zeit sehr schlecht laufen könne und dazu verdammt ist, so gut wie nichts "tun" zu können.
Sie kann auch nicht sprechen und benutzt ihre Stimme auch nicht.
Dann wurde sie auf das Pferd gehoben und die beiden Frauen gingen erst im Schritt - später im Trab - mit ihr durch die Halle. Es dauerte etwas - ich stand in der Mitte mit der Kamera und beobachtete das Kind genau und fühlte natürlich auch - weil ich irgendwas spürte - bei den Frauen, aber auch beim Kind. Das Kind veränderte sich zusehend - irgendwann hörte sie damit auf, nach dem Pferd zu schlagen und ging dazu über, es sanft zu streicheln. Sie streckte auch immer öfters ihre Hand aus und versuchte die Mutter über den Kopf zu streichen.
Aber fasziniert daran hat mich der Gesichtsausdruck des Kindes. Ich konnte ihre Worte förmlich fühlen, sie in ihren Augen lesen. Sie war glücklich und diese Gesten des Streicheln wollens war eine große Dankbarkeit in ihr - sie wollte sich bedanken für das, was die Frauen da mit ihr taten und das auch dem Pferd gegenüber ausdrücken.
Sie ahmte die Bewegungen des großen Pferdes unter ihr mit allem nach, was ihr zur Verfügung stand - mit dem ganzen Körper und mit ihrer Stimme auch - und dieses Glücklichsein übertrug sich auch auf die Frauen und auf mich. Man erzählte mir dann, dass für gewöhnlich auch jeden Sonntagmorgen sich viele andere Reiter in der Halle einfinden ...
Dann wurde getrabt, und das ganze steigerte sich tatsächlich noch. Mir wurde schlagartig klar: Sie hatte ihren Ausdruck gefunden ... und sie zeigte ihre Freude darüber mit allem, was ihr möglich war.
Immer öfter sah sie mich nun an und der insich gekehrte Ausdruck war einem offenen und fragenden/interessierten Blick gewichen.
Du oder ich, wir hätten einfach gesagt: "Oh man, das ist toll, das macht mir Spaß." Aber diese Kleine da auf dem Pferd, die kann nicht sagen, was sie will, was sie möchte, was ihr fehlt. Da sind die anderen gefragt ... da muss man rumprobieren und achten. Achten auf die Möglichkeiten die das Kind hat um sich auszudrücken.
Sie kann nicht unsere Welt betreten - aber wir ihre.
Etwas anders lebt der nahe Verwandte, der zwar viel Bewegung hat im Geist, aber eben eine vollkommen anders getacktete und quasi mit 7-Meilen-Stiefeln durch den geistigen Raum pflügt und sich von den ganzen Riesen, die man geistig betrachten kann (Theorien etc.) immer nur die drei goldenen Haare klaut. "Bildbewußtsein".
Toll finde ich: es gibt ja z.B. Leute, die sprechen 25 Sprachen und erlernen diese anhand der Wandlung des Lautes durch die Kontinente. Sie "sind" die Energie des Tones, der sich wandelt und haben so einen ganz anderen Zugang zu Lernen, Kommunikation und Verständigung. Das ist ein hochinteressantes Feld, einfache Menschen sind das, sehr einfache Menschen, die in einem solchen META-Lernprogramm schweben, das unsere Zeit überflügelt.
Das "jiddisch" kommt da sprachlich als Ausdruck etwas dran. Sprichst Du jiddisch, kannst Du sehr viele Menschen "bespitzeln", weil Du die drei goldenen Haare der Sprache immer kennst.
Hört sich an wie ein Code, den man einmal besitzt und beliebig anwenden kann. Und dann fällt mir dazu wieder ein: Worte, Sprache sind mE eher verfänglich und trügerisch, weil wir sie wählen können - aber was ist universell - überall auf der Welt gleich gut verständlich ?
Ein Lächeln.
Weinen.
Schreien.
Gesten ?
Ich stelle mir vor, daß z.B. wer Zugang zu einem Autisten bekommen will, sich schon in seine Zeit begeben und mal solange da bleiben muß, bis der Autist mitbekommt, daß jemand da ist. Solange man mit dem Autisten etwas "macht", kriegt er das ja nicht mit. In unserer Zeit, in der wir hier "machen", lebt der ja nicht. Er wird wohl seine Gründe dafür haben, der große Gott, daß er uns zeigt, daß es auch andere Zeiten gibt als die, die wir uns gesellschaftlich takten.
Ja. Ich sah am Wochenende den Film "Gottes verlorene Kinder" - in dem es um Menschen geht, die nicht hören können und daraus resultierend auch meistens nicht oder sehr schlecht sprechen. Da war das auch Thema - dieses "sich Zeit nehmen" "sich einfühlen" und verstehen.
Liebe ist Verstehen. Liebe nimmt sich Zeit. Die kann gar nicht anders
Unsere Kinder heute, denen wir die Aufmerksamkeit über Generationen entzogen haben und die wir dann jetzt mit der Diagnose Aufmerksamkeitsdefizit belegen und statt uns selber mal an die Nase zu packen, wie das denn passiert, die Pharma-Industrie das mal wieder regeln lassen, die fallen mir gerade ein. (ou, in Amerika sind sie da noch immer so unreflektiert mit und von da schwappt der ganze Dreck ja immer rüber) Das ist ja im Grunde auch eine "Art", die dem Autismus nicht unähnlich ist, nur schlägt das Pendel hier irgendwie in die andere Richtung aus, wie mir so scheint.
Nein. Mein Sohn hat einen Film mitgedreht in dem es um solche Kinder geht und als ich mir diesen Dokumentarfilm dann angesehen hab, hab ich mich damit mal eingehender beschäftigt - diese Kinder gibt es in zwei Qualitäten

... einmal auffällig/hyperaktiv und dann total autistisch/insichgekehrt und von der Welt entflohen. Und ich denke es ist genau das, was sie fordern - Aufmerksamkeit, Mitdenken, Sich beschäftigen, ernst nehmen.
Dann blühen diese Kinder auf und entpuppen sich als sehr bewußte Menschen, die einen Auftrag hier haben und das auch wissen. Im Grunde lerne ich sie so kennen, dass sie erwachsener sind als die Erwachsenen und das bringt diese grotesken Situationen hervor. Da werden Eltern zu den Lernenden und Kinder zu den Lehrenden. Damit können die meisten eben (noch) nicht umgehen, von unserem Schul/Leistungssystem mal ganz abgesehen. Die sind da völlig mit überfordert. Mein Sohn geht in eine Klasse, wo meines Erachtens 2/3 dieser Kinder hocken und die Lehrerin geht vor den Ferien jedesmal auf dem Zahnfleisch - aber sie kriegt das ohne Medikamente in den Griff ... es könnte noch optimaler sein - aber immerhin

...
Sie schafft das durch Reden, Diskutieren, die Kinder ernst nehmen und sich einsetzten -auch bei Eltern, wo sie nicht locker läßt, immer wieder das Gespräch sucht. Das ist anstrengend - für sie, aber auch für uns - diese Kinder fordern einen immer und immer wieder - da gibt es keine Pause.
Die Welt wird das lernen müssen, wieder Aufmerksamkeit zu geben - weniger der Leistung, weniger dem Geld - als wieder vielmehr dem Menschen. So wie ich diese Kinder kennenlerne, pfeifen die auf unsere Werte.
Da gibt's doch ein Buch, da ist das so toll beschrieben mit der Schnelligkeit und der Langsamkeit, wie heißt das denn noch gleich? Das mit dem Jungen, der Polarforscher wird, wenn ich mich recht erinnere, indem er seine Aufmerksamkeit trainiert und seine Augen bewegen lernt. Ein riesiges Werk über Kinästhetik, wenn man so will. Sehr beeindruckend geschrieben.
Das kenn ich nicht. Ich glaube, jeder der ein Kind hat hat schon Erfahrung mit dieser Schnelligkeit und der Langsamkeit gemacht. Oder auch im Umgang mit alten Menschen lernen wir da eine Menge drüber. Oder mit Behinderten Menschen oder Tieren oder der Natur.