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-Pyrit-
Guest
Die Flut und ich (Ahrtal)
Am Mittwoch, den 14.07.2021, bereits gegen Mittag wurde ich sehr unruhig und laut meinen Freunden, die ich im Laufe des Tages gesprochen habe, war ich auch gereizt und nicht wirklich ansprechbar und konzentriert.
Um 19:30 Uhr war ich noch im FaceTime-Gespräch mit einer Freundin, als plötzlich die Durchsage der Feuerwehr kam. „Wir erwarten Hochwasser. Bleiben Sie in Ihren Wohnungen, schließen Türen und Fenster. Betreten Sie nicht den Keller. Hören Sie Radio.“
Kurzer Einschub: 2016 gab es auch Hochwasser, mit ca. 30cm Wasser im Keller. Mit sowas rechneten wir nun auch.
Gut. Durchsage war vorbei, ich beendete das Gespräch mit der Freundin und wollte früh ins Bett, da ich am nächsten Tag auch früh raus musste.
Jetzt war es ca. 20:15 Uhr.
Um 21:15 hörte ich lauthals Leute reden. Ich wohnte im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses und da ist es ansich immer etwas lauter.
Doch da ich sowieso unruhig war und das Gequatsche mich noch mehr reizte, ging ich in den Hausflur. Am Haupteingang standen, bei geöffneter Tür, meine Nachbarn. Sie waren am Quatschen und am Rauchen. Das Wasser stand kurz vor der oberen Treppenstufe zur Haustür. Das sind ein Höhenunterschied von der Strasse aus gemessen von ca. 80cm.
Sie machten keine Anstalten irgendwas zu tun.
Ich lief zurück in meine Wohnung, zog mir schnell gescheite Kleidung an, warf Handy, iPad, Geldbörse, eine Flasche Wasser und Toast in einen Rucksack und verlies die Wohnung wieder. Die quatschenden Nachbarn sahen mich und dann wurde ihnen bewusst, dass es ernst wird.
Das Wasser floss bereits in den Hausflur und die anderen Nachbarn aus dem Erdgeschoss kamen aus ihren Wohnungen, nachdem ich lauthals gerufen habe. Außer zwei Türen, die blieben zu.
Die quatschenden Nachbarn meinten, dass jene Wohnungen leer seien, da die Bewohner im Urlaub sind.
Gut. Wir also ab in die 1. Etage. Wasserstand nun im Flur selbst ca. 20cm.
Keine 15min später, EG komplett geflutet.
Wir konnten bei den anderen Nachbarn im Haus unterkommen, aber ich habe mich auf die Dachterrasse verzogen, weil ich sehen wollte was passiert.
Gesagt getan. Die Flut kam richtig. Häuser brachen ein, Autos wurden wie nichts weggespült, aus dem Nachbarhaus kamen Schreie, welche leider verstummten, Alarmanlagen heulten die ganze Nacht. Die Luft war wie aufgeladen.
Angst hatte ich jedoch keine. Ich fühlte mich sicher.
Stattdessen kümmerte ich mich zwischendurch um die Bewohner die kurz vor Nervenzusammenbrüchen standen.
Schlafen war nicht. Leider konnte ich auch niemanden informieren wie es mir geht. Kein Strom, kein Internet, kein Netz, kein Wasser, kein Klo, alles tot.
Das war der größte Horror, dass ich niemanden sagen konnte: Hey, ich lebe noch. Macht euch keine Sorgen.
Die Nacht ging vorbei. Der Krach legte sich langsam und am nächsten Tag konnten wir gegen 14 Uhr das EG betreten. Es war nur noch die Straße überschwemmt.
Doch es gab ein Problem. Ein Nachbar fehlte, den ich gar nicht kannte. Ab zu seiner Wohnung ins EG, Tür aufgetreten, dort lag er, lebend, aber durchnässt und total verwirrt. Nachdem wir uns um ihn gekümmert haben, ging es weiter.
Also nun ab in die eigene Wohnung. Naja, Tür eintreten, weil alles war verzogen. Drinnen angekommen. alles ruiniert. Selbst das Metallgestell vom Bett war in sich verdreht. Retten konnte ich von Dreck und Kloake getränkte Kleidung in der Hoffnung sie reinigen lassen zu können.
Erinnerungsstücke, mein Babybuch, Fotos, alles, kaputt. Fakt: ein halbgefüllter blauer Sack war alles was die Flut überlebt hat.
Da ich nicht mehr tun konnte stellte ich mich nun an die Haustür und schaute zu den anderen Häusern, als mit einem Mal, in einem Bötchen die Feuerwehr daherkam. Rauchend und Kaffee trinkend fragten sie uns ob alles okay sei und fuhren dann weiter.
Ein Anblick der mich tierisch wütend machte.
Nun denn. Gegen 17 Uhr war dann auch die Strasse frei vom Wasser, natürlich voll mit, sorry, Scheisse, Öl, Dreck usw.
Zumindest wurden wir aber dann gegen 19 Uhr in eine Turnhalle gebracht von der Bundeswehr, wo es was zu trinken, essen und Dixies gab, aber nichts zum Waschen. Wir alle liefen bis Freitag dreckig und stinkend herum. Hier war auch Handyempfang und ich könnte endlich Bescheid geben.
Am nächsten Tag, Freitag, holten mich Freunde raus aus dem Chaos und brachten mich zu einer Arbeitskollegin in der Nähe, die aber nicht betroffen war. Es ging direkt zur Feuerwehr, Spendenklamotten holen. Das war für mich die reinste Schmach. 5 junge Frauen um mich herum, ich zugedreckt von oben bis unten, wie ein Häufchen Elend, bettelnd nach einfach sauberer Kleidung.
Ich bekam was ich brauchte und blieb dann auch bis den Dienstag bei der Arbeitskollegin. In der Zeit habe ich alles geregelt, Bewerbungen geschrieben (Arbeitsstelle war auch hinüber), Verträge gekündigt usw., bis ich dann Montag kurz zusammenbrach.
Dienstag kamen mein Vater und mein Bruder mich abholen und brachten mich nach Siegen zu meinen Eltern, wo ich dann bis Oktober, ab da hatte ich eine neue Stelle in Düren, blieb.In der Zeit gab es natürlich Flashbacks, wütende und hilflose Momente. Mittlerweile sehe ich mehr die Faszination, die Macht des Wassers, die Hilfe meiner Spirits die mich durch Unruhe auf etwas aufmerksam machen wollten und wie schnell Menschen zur Hilfe kommen können. Vor allem für die Hilfe der vielen fremden Menschen bin ich bis heute sehr sehr dankbar.
Das war im Groben meine Geschichte
Am Mittwoch, den 14.07.2021, bereits gegen Mittag wurde ich sehr unruhig und laut meinen Freunden, die ich im Laufe des Tages gesprochen habe, war ich auch gereizt und nicht wirklich ansprechbar und konzentriert.
Um 19:30 Uhr war ich noch im FaceTime-Gespräch mit einer Freundin, als plötzlich die Durchsage der Feuerwehr kam. „Wir erwarten Hochwasser. Bleiben Sie in Ihren Wohnungen, schließen Türen und Fenster. Betreten Sie nicht den Keller. Hören Sie Radio.“
Kurzer Einschub: 2016 gab es auch Hochwasser, mit ca. 30cm Wasser im Keller. Mit sowas rechneten wir nun auch.
Gut. Durchsage war vorbei, ich beendete das Gespräch mit der Freundin und wollte früh ins Bett, da ich am nächsten Tag auch früh raus musste.
Jetzt war es ca. 20:15 Uhr.
Um 21:15 hörte ich lauthals Leute reden. Ich wohnte im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses und da ist es ansich immer etwas lauter.
Doch da ich sowieso unruhig war und das Gequatsche mich noch mehr reizte, ging ich in den Hausflur. Am Haupteingang standen, bei geöffneter Tür, meine Nachbarn. Sie waren am Quatschen und am Rauchen. Das Wasser stand kurz vor der oberen Treppenstufe zur Haustür. Das sind ein Höhenunterschied von der Strasse aus gemessen von ca. 80cm.
Sie machten keine Anstalten irgendwas zu tun.
Ich lief zurück in meine Wohnung, zog mir schnell gescheite Kleidung an, warf Handy, iPad, Geldbörse, eine Flasche Wasser und Toast in einen Rucksack und verlies die Wohnung wieder. Die quatschenden Nachbarn sahen mich und dann wurde ihnen bewusst, dass es ernst wird.
Das Wasser floss bereits in den Hausflur und die anderen Nachbarn aus dem Erdgeschoss kamen aus ihren Wohnungen, nachdem ich lauthals gerufen habe. Außer zwei Türen, die blieben zu.
Die quatschenden Nachbarn meinten, dass jene Wohnungen leer seien, da die Bewohner im Urlaub sind.
Gut. Wir also ab in die 1. Etage. Wasserstand nun im Flur selbst ca. 20cm.
Keine 15min später, EG komplett geflutet.
Wir konnten bei den anderen Nachbarn im Haus unterkommen, aber ich habe mich auf die Dachterrasse verzogen, weil ich sehen wollte was passiert.
Gesagt getan. Die Flut kam richtig. Häuser brachen ein, Autos wurden wie nichts weggespült, aus dem Nachbarhaus kamen Schreie, welche leider verstummten, Alarmanlagen heulten die ganze Nacht. Die Luft war wie aufgeladen.
Angst hatte ich jedoch keine. Ich fühlte mich sicher.
Stattdessen kümmerte ich mich zwischendurch um die Bewohner die kurz vor Nervenzusammenbrüchen standen.
Schlafen war nicht. Leider konnte ich auch niemanden informieren wie es mir geht. Kein Strom, kein Internet, kein Netz, kein Wasser, kein Klo, alles tot.
Das war der größte Horror, dass ich niemanden sagen konnte: Hey, ich lebe noch. Macht euch keine Sorgen.
Die Nacht ging vorbei. Der Krach legte sich langsam und am nächsten Tag konnten wir gegen 14 Uhr das EG betreten. Es war nur noch die Straße überschwemmt.
Doch es gab ein Problem. Ein Nachbar fehlte, den ich gar nicht kannte. Ab zu seiner Wohnung ins EG, Tür aufgetreten, dort lag er, lebend, aber durchnässt und total verwirrt. Nachdem wir uns um ihn gekümmert haben, ging es weiter.
Also nun ab in die eigene Wohnung. Naja, Tür eintreten, weil alles war verzogen. Drinnen angekommen. alles ruiniert. Selbst das Metallgestell vom Bett war in sich verdreht. Retten konnte ich von Dreck und Kloake getränkte Kleidung in der Hoffnung sie reinigen lassen zu können.
Erinnerungsstücke, mein Babybuch, Fotos, alles, kaputt. Fakt: ein halbgefüllter blauer Sack war alles was die Flut überlebt hat.
Da ich nicht mehr tun konnte stellte ich mich nun an die Haustür und schaute zu den anderen Häusern, als mit einem Mal, in einem Bötchen die Feuerwehr daherkam. Rauchend und Kaffee trinkend fragten sie uns ob alles okay sei und fuhren dann weiter.
Ein Anblick der mich tierisch wütend machte.
Nun denn. Gegen 17 Uhr war dann auch die Strasse frei vom Wasser, natürlich voll mit, sorry, Scheisse, Öl, Dreck usw.
Zumindest wurden wir aber dann gegen 19 Uhr in eine Turnhalle gebracht von der Bundeswehr, wo es was zu trinken, essen und Dixies gab, aber nichts zum Waschen. Wir alle liefen bis Freitag dreckig und stinkend herum. Hier war auch Handyempfang und ich könnte endlich Bescheid geben.
Am nächsten Tag, Freitag, holten mich Freunde raus aus dem Chaos und brachten mich zu einer Arbeitskollegin in der Nähe, die aber nicht betroffen war. Es ging direkt zur Feuerwehr, Spendenklamotten holen. Das war für mich die reinste Schmach. 5 junge Frauen um mich herum, ich zugedreckt von oben bis unten, wie ein Häufchen Elend, bettelnd nach einfach sauberer Kleidung.
Ich bekam was ich brauchte und blieb dann auch bis den Dienstag bei der Arbeitskollegin. In der Zeit habe ich alles geregelt, Bewerbungen geschrieben (Arbeitsstelle war auch hinüber), Verträge gekündigt usw., bis ich dann Montag kurz zusammenbrach.
Dienstag kamen mein Vater und mein Bruder mich abholen und brachten mich nach Siegen zu meinen Eltern, wo ich dann bis Oktober, ab da hatte ich eine neue Stelle in Düren, blieb.In der Zeit gab es natürlich Flashbacks, wütende und hilflose Momente. Mittlerweile sehe ich mehr die Faszination, die Macht des Wassers, die Hilfe meiner Spirits die mich durch Unruhe auf etwas aufmerksam machen wollten und wie schnell Menschen zur Hilfe kommen können. Vor allem für die Hilfe der vielen fremden Menschen bin ich bis heute sehr sehr dankbar.
Das war im Groben meine Geschichte
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