Ich kürze die Diskussion hier mal etwas ab.
Jeder der sagt "Ich" spricht von einer Form. Jedes Ich ist immer Form. Warum? Weil es begrenzt ist, es ist beispielsweise kein "Du" oder kein "Er" oder kein "Es". Folglich ist die Form primär zum Ich. Form heisst Unterscheidbarkeit, also dass zwei Dinge nicht dasselbe Ding sind. Zwei Dinge sind unterscheidbar, wenn sie nicht ident sind.
Wer von einem Ich spricht, der unterscheidet das Ich von allem, was Nicht-Ich ist. Also "alles andere, nur nicht ich".
Zu glauben, es gäbe ein Ich ohne Form, ist ungefähr wie zu sagen, es gäbe ein Links ohne Rechts oder einen Verkauf mit einem Verkäufer ohne einen Käufer. Die Aussage "Ich löse mich auf" ist unsinnig, ähnlich wie die Frage, was vor dem Urknall sei. Da Zeit erst seit dem Urknall existiert, lautet die Antwort nicht: Nichts. Sondern: "Diese Frage macht keinen Sinn." Wenn jemand fragt: "Was passiert mit einem roten Pullover, der grün wird?" Dann ist jede Antwort darauf einfach nur sinnlos, weil der Pullover die Eigenschaft verliert, rot zu sein, sobald er grün wird.
Das Ich ändert niemals seine Form. Im gleichen Moment, wo es seine Form ändert, hört es auf, ein Ich zu sein.
Das, was Allegrah meint, ist ein simples Austauschen der Objekte der Wahrnehmung durch andere Objekte der Wahrnehmung. Zuerst ist da ein feststofflicher Körper, dann schlafe ich ein und träume, und da ist nur noch ein feinstofflicher Körper, der diverse lustige Dinge tun kann (fliegen, durch Wände gehen usw.). In beiden Fällen bleibt jedoch die Tatsache: "Ich bin ich." Ich bin nicht "jemand anderer" im Wachsein und im Traum, sondern einfach nur Ich. Halt einmal mit einem feinstofflichen Traumkörper und ein andermal mit einem feststofflichen, physischen Körper. Aber in beiden Fällen sind da auch andere, nämlich andere Traumgestalten oder andere physische Körper. Ich kann mich sowohl im Traum als auch im Wachzustand problemlos von ihnen unterscheiden.
Die Unterscheidbarkeit zwischen Ich und Nicht-Ich ist somit eine Konstante, die sich durch alle Bereiche der Existenz - Traum, Wachzustand etc. - hindurchzieht. Das Ich verliert nie seine Form, ein Ich zu sein. Niemals. Das ist gar nicht möglich.
Zu sagen "Das, was ich bin, löst sich auf." ist ohne jegliche Aussagekraft, es ist widersinnig wie der rote Pullover, der grün wird. Ist ein roter Pullover, der grün geworden ist, noch ein roter Pullover? Oder ist er jetzt grün? Oder ist er ein roter Pullover, der grün ist? Kann ein roter Pullover grün sein? Oder kann er es bloss werden? Ist seine Eigenschaft, ein Pullover zu sein oder rot zu sein oder ein roter Pullover zu sein? Was macht den roten Pullover zum roten Pullover?
Das Ich ist in Wahrheit einfach nur ein Objekt im Bewusstsein. Wie viele andere Objekte auch. Mehr nicht. Vereinfacht gesagt: Ein Gedanke. Es verändert nicht seine Form, weil Gedanken ihre Form nicht ändern, weil sich Formen nie verändern. Sie können sich nicht verändern, weil sie sonst aufhören, diejenige Eigenschaft zu aufzuweisen, die sie zu dem macht, was sie sind. Der rote Pullover kann nicht grün werden, weil er sonst kein roter Pullover mehr ist. Im Moment, wo er grün wird, ist er kein roter Pullover mehr - auch kein "roter Pullover, der jetzt grün ist, und einmal rot war". Sondern er ist ein grüner Pullover - und das ist definitiv etwas anderes als ein roter Pullover.
Wer das nicht versteht, der braucht geistige Hilfskonstrukte wie den besagten Spiegel. Aber wer nimmt denn den Spiegel wahr? Woher weiss einer, dass da ein Spiegel ist? Ist denn da noch ein Spiegel, der den ersten Spiegel spiegelt? Und woher weiss ich etwas über den zweiten Spiegel? Gibt es vielleicht unendlich viele Spiegel?
Es gibt keinen Spiegel. Es gibt kein Leben, keinen Todeszeitpunkt, in welchem irgendein Ich seine äussere Form ändert (weil es keine solche äussere Form hat, es hat einzig die Form ein Ich zu sein, die hier erwähnte "äussere Form" - de facto einfach irgendein beliebiges Objekt unter vielen - hat in Wahrheit nichts, absolut gar nichts mit dem genannten Ich zu tun).
Das Ich ist ein Objekt der Wahrnehmung, ein wahrgenommener Gedanke, kaum anders als das innerlich visualisierte Bild eines Apfels (ebenfalls ein wahrgenommener Gedanke). Es hat keine Zauberkraft. Es existiert nicht ewig. Es stirbt in jedem Moment, in welchem kein Bewusstsein dafür da ist, und wird gleich darauf wiedergeboren, wenn das Bewusstein dafür wiederkehrt.
Die Frage, ob ein im Wald umfallender Baum ein Geräusch erzeugt, wenn niemand da ist, der es hört, ist der Lackmustest. Die Antwort lautet nicht ja und nicht nein. Sondern sie lautet: Welcher Wald?