Frage zur Atmung bei Tai Chi, Qi Gong

Energeia

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Hallo,

ich hatte gerade mit einer Tai Chi und Qi Gong-Lehrerin gesprochen und sie erzählte mir, dass es beim Tai Chi und Qi Gong eine Atemtechnik gibt, bei der beim Einatmen die Bauchdecke nach innen und beim Ausatmen die Bauchdecke nach außen geht.
Das verwunderte mich, da dies entgegengesetzt zur natürlichen Bauchatmung (http://de.wikipedia.org/wiki/Bauchatmung) verläuft, auf die die Yoga-Vollatmung (Bauch-/Zwerchfellatmung und Brustatmung sowie Schlüsselbeinatmung kombiniert) aufbaut.

Wenn ich mich richtig erinnere, dann nannte sie die Atmung "Nierenatmung". Aber leider finde ich hierzu nichts im Netz.
Kann mir jemand sagen, wie diese Atmung heißt?

Danke!
 
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Hallo Energeia!
Ich kann dir das BuchQuigong der Wudang-Mönche, zurückkehren zum Ursprung von Yürgen Oster empfehlen. Darin wird diese Form der Atmung auch pränatale oder vorgeburtliche Atmung oder Umgekehrte Atmung genannt (auf Seit 117).
Die ersten ein bis drei Tage nach der Geburt soll es möglich sein, dieses Verhalten noch bei einem Neugeborenen zu beobachten, danach stellt sich die Bewegung um. Der Zweck dieser Atemübung besteht darin, das Qi vom unteren zum mittleren Dantian zu heben, um es mit frischem Lungen-Qi zu mischen und wieder hinabsinken zu lassen. Man soll mit dieser Übung sehr achtsam umgehen, um das Qi nicht über das mittlere Dantian zu heben (Folgen wie Kopfschmerzen und andere sind möglich).
 
Danke!
...ich dachte immer, dass die "natürliche Bauchatmung" bei Kindern die erste Atmung sei...

...da ich vermutlich in den nächsten Tagen glücklicher Vater werde :love2: ... ...werde ich mal genau hinschauen bei dem kleinen Mäusken, ob zuerst die natürliche Atmung oder die umgekehrte Atmung vorliegt :)

Om
Namasté
:kuesse::flower2:
 
Na da gratulier ich Dir/Euch gaaaanz herzlich!!!!
Jaja da hast Du richtig gedacht, die Bauchatmung is auch die natürliche Form der Atmung nach der Geburt.
Das sind nur Überbleibsel, die, sofern sie überhaupt noch zu beobachten sind, in den ersten Tagen verschwinden.
Alles Liebe!!!
 
Ja, man nennt das die Atmung, die das vorgeburtliche Chi antreibt. Die normale Atmung - auch die Vollatmung im Yoga - bewegt der chinesischen Unterscheidung nach das Chi des Lebens, also der Geburt. Man bleibt ja das gesamte Leben lang eine "Geburt", Geburt ist ja nicht nur ein Zeitpunkt, sondern auch das Produkt eines Gebärvorgangs.
Mit vorgeburtlichem Chi ist in der chinesischen Philosophie dann auch nicht die Phase vor der Geburt im Mutterleib gemeint. Sondern die Chinesen erkennen mit der Geburt den Beginn des Lebens, vorher ist der Mensch noch im vorgeburtlichen Chi unterwegs, welches das Chi seiner Vorfahren ist und damit würden wir heute sagen - seine genetische Veranlagung und seine sozialen Ursprünge.

Hm. Es ist schwer zu erklären. Ich versuche es so, daß ich der Vollatmung im Yoga unterstelle, daß sie zunächst mal die nadis reinigt und Oben und Unten, Rechts und Links im Körper verbindet, den Geist in Richtung Aufmerksamkeit bringt und schließlich zur Achtsamkeit und so weiter. Das ist dem Chinesen zunächst mal egal, sondern der Schwerpunkt seiner Philosophie ist das Chi. Und da hat er die Vorstellung, daß es im Unterbauch ruht wie eine heisse Kugel und daß es von dort im Körper aufsteigt, der Kundalini nicht unähnlich. Die Voraussetzung sind entspannte Gedärme, die in entspannter Rumpfmuskulatur liegen. Bei der Yoga-Vollatmung wird die Bauchdecke eingezogen - wenngleich das auch dort natürlich entsteht. Bei der vorgeburtlichen Atmung wird die Bauchdecke quasi herausgedrückt beim Ausatmen - wenngleich auch dies natürlich geschieht. Auf diese Weise entsteht im Bauch ein Mehrraum, in dem sich das Chi sammeln kann. Aus dieser Sammlung kann es dann vermehrt Auf- oder Absteigen, kann gelenkt und geleitet werden durch den Geist und seine Absicht. Ich seh's immer dann beim Taichi: nach einiger Zeit haben die Übenden einen prall gefüllten Unterbauch, der aber völlig entspannte Masse ist und dennoch sehr fest, so daß Du mit der Faust draufschlagen könntest und abprallen würdest. Es ist ein bißchen ein Gefühl als ob man schwanger wäre.

lg
 
Ja, man nennt das die Atmung, die das vorgeburtliche Chi antreibt. Die normale Atmung - auch die Vollatmung im Yoga - bewegt der chinesischen Unterscheidung nach das Chi des Lebens, also der Geburt. Man bleibt ja das gesamte Leben lang eine "Geburt", Geburt ist ja nicht nur ein Zeitpunkt, sondern auch das Produkt eines Gebärvorgangs.
Mit vorgeburtlichem Chi ist in der chinesischen Philosophie dann auch nicht die Phase vor der Geburt im Mutterleib gemeint. Sondern die Chinesen erkennen mit der Geburt den Beginn des Lebens, vorher ist der Mensch noch im vorgeburtlichen Chi unterwegs, welches das Chi seiner Vorfahren ist und damit würden wir heute sagen - seine genetische Veranlagung und seine sozialen Ursprünge.

Hm. Es ist schwer zu erklären. Ich versuche es so, daß ich der Vollatmung im Yoga unterstelle, daß sie zunächst mal die nadis reinigt und Oben und Unten, Rechts und Links im Körper verbindet, den Geist in Richtung Aufmerksamkeit bringt und schließlich zur Achtsamkeit und so weiter. Das ist dem Chinesen zunächst mal egal, sondern der Schwerpunkt seiner Philosophie ist das Chi. Und da hat er die Vorstellung, daß es im Unterbauch ruht wie eine heisse Kugel und daß es von dort im Körper aufsteigt, der Kundalini nicht unähnlich. Die Voraussetzung sind entspannte Gedärme, die in entspannter Rumpfmuskulatur liegen. Bei der Yoga-Vollatmung wird die Bauchdecke eingezogen - wenngleich das auch dort natürlich entsteht. Bei der vorgeburtlichen Atmung wird die Bauchdecke quasi herausgedrückt beim Ausatmen - wenngleich auch dies natürlich geschieht. Auf diese Weise entsteht im Bauch ein Mehrraum, in dem sich das Chi sammeln kann. Aus dieser Sammlung kann es dann vermehrt Auf- oder Absteigen, kann gelenkt und geleitet werden durch den Geist und seine Absicht. Ich seh's immer dann beim Taichi: nach einiger Zeit haben die Übenden einen prall gefüllten Unterbauch, der aber völlig entspannte Masse ist und dennoch sehr fest, so daß Du mit der Faust draufschlagen könntest und abprallen würdest. Es ist ein bißchen ein Gefühl als ob man schwanger wäre.

lg

Danke für die hilfreichen Erläuterung.
Ist das denn die "normale" Atmung im Tai Chi? Beginnt ihr gleich mit dieser Atmung und führt ihr alle Übungen mit dieser Atmung aus?

Mich irritiert die Tai Chi-Atmung ein wenig, da ich in Anatomie-Büchern immer wieder lese, dass diese "paradoxe" (umgekehrte) Atmung nicht gesund sei, ja, dass sie der Stress-Atmung ähnlich ist.
Das kann ich mir nur so erklären, dass ihr im Tai Chi diese Atemübung als voraussetzungsvolle Atemtechnik praktiziert, bei der ihr dann sehr bewusst nicht die Fehler macht, die eine Person in einer Stress-Situation macht, wenn sie genau derart/ähnlich atmet!?

Im Yoga lernt der Anfänger erst einmal nur die Bauchatmung via Zwerchfell. Die Brustatmung und Schlüsselbeinatmung wird hier erst einmal ausgesetzt, damit die konditionierten Stress-Atemgewohnheiten dekonditioniert werden. Wenn die Bauchatmung - im Liegen, Sitzen, Stehen, Gehen - dann stabil erlernt wurde, dann wird mehr und mehr zur Yogavollatmung übergegangen. Mit dieser Yogavollatmung kann auch das Prana im Körper sehr gut (nach oben und unten) gleitet werden.
Das Prana wird aber vor allem auch durch bestimmte Asanas (Pfau, Drehsitz,...), Pranayama-Übungen (Bhastrika, Kapalabhati etc.) sowie mit Bandhas (Beckenbodenmuskulatur, Bauch-Bandha, Hals-Bandha und schließlich Maha Bandha [alle drei zusammen]) nach oben geleitet.

Liebe Grüße,
Energeia
 
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Danke für die hilfreichen Erläuterung.
Ist das denn die "normale" Atmung im Tai Chi? Beginnt ihr gleich mit dieser Atmung und führt ihr alle Übungen mit dieser Atmung aus?
Also mein Wissen dazu ist, daß es im Taichi und auch im Chigong keine Atemübung als Solches gibt. Sondern der Atem soll sich an die Bewegung anpassen und die Bewegung an die Atmung. Das ist die schwierige Aufgabe.

Der Weg beim Lernen/Lehren ist dann im Grunde der, die Bewegung so zu vervollkommnen, daß sich Chi sammelt. Die Voraussetzung dafür ist die umgekehrte Atmung, die eigentlich durch die Bewegung und v.a. durch die Haltung im Taichi automatisch entsteht.

...gerade erinnere ich mich, daß ich aber auch die umgekehrte Atmung schon als Übung aufgeschrieben gelesen habe. Aber das war dann auch den Fortgeschrittenen vorbehalten. Das stand da im Zusammenhang mit dem kleinen und dem großen Chi-Kreislauf, der in der Meditation geübt/betrachtet wird. Im Normalfall läuft das Chi in eine Richtung, sie steigt hinten am Körper in den Meridianen auf und vorne sinkt sie herunter. Man erreicht aber keine Vervollkommnung, wenn man übend nicht die Energie auch andersherum führt. Und so in diesem Zusammenhang der Vervollkommnung spielt auch die umgekehrte Atmung ihre Rolle. Das ist Wenigen vorbehalten, die ihren Geist tatsächlich vom Körper während des Lebens lösen und damit freies Chi generieren, sozusagen zu Energie werden und diese Energie dann auch leben.

Mich irritiert die Tai Chi-Atmung ein wenig, da ich in Anatomie-Büchern immer wieder lese, dass diese "paradoxe" (umgekehrte) Atmung nicht gesund sei, ja, dass sie der Stress-Atmung ähnlich ist.
Das kann ich mir nur so erklären, dass ihr im Tai Chi diese Atemübung als voraussetzungsvolle Atemtechnik praktiziert, bei der ihr dann sehr bewusst nicht die Fehler macht, die eine Person in einer Stress-Situation macht, wenn sie genau derart/ähnlich atmet!?
Ich glaube bei der durch Stress veränderten Atmung hat man vor allem eine Flachheit der Atmung und erreicht keine Bauchatmung - unabhängig davon, ob sich nun die Bauchdecke beim Ausatmen wölbt oder hineinzieht. Ich glaube nicht, daß man das in Zusammenhang bringen kann.

Im Yoga lernt der Anfänger erst einmal nur die Bauchatmung via Zwerchfell. Die Brustatmung und Schlüsselbeinatmung wird hier erst einmal ausgesetzt, damit die konditionierten Stress-Atemgewohnheiten dekonditioniert werden. Wenn die Bauchatmung - im Liegen, Sitzen, Stehen, Gehen - dann stabil erlernt wurde, dann wird mehr und mehr zur Yogavollatmung übergegangen. Mit dieser Yogavollatmung kann auch das Prana im Körper sehr gut (nach oben und unten) gleitet werden.
Das Prana wird aber vor allem auch durch bestimmte Asanas (Pfau, Drehsitz,...), Pranayama-Übungen (Bhastrika, Kapalabhati etc.) sowie mit Bandhas (Beckenbodenmuskulatur, Bauch-Bandha, Hals-Bandha und schließlich Maha Bandha [alle drei zusammen]) nach oben geleitet.
Ja, genau. So ist das. Die chinesische Variante ist anders. Ich denke man kann sagen, daß im Yoga der Atem das Vehikel für das Prana darstellt. Das hast du so zwar als Technik im Taichi auch. Aber das eigentliche Vehikel im Taichi ist die Absicht, Ji. Der Geist leitet Chi, und nicht der Atem. Der Atem stellt nur die Bedingung her, daß Chi gesammelt werden kann und zirkuliert. Die Voraussetzung dafür ist Achtsamkeit und Übung und Abstandnahme von Beeinflussung sämtlicher Prozesse. Dann erst wirkt Chi. Deshalb gab es wenigstens in meinem Taichi-Unterricht keine reine Atemübung.

Liebe Grüße,
Energeia
lg
 
Sondern die Chinesen erkennen mit der Geburt den Beginn des Lebens, vorher ist der Mensch noch im vorgeburtlichen Chi unterwegs, welches das Chi seiner Vorfahren ist und damit würden wir heute sagen - seine genetische Veranlagung und seine sozialen Ursprünge.
Zum Obigen müsste man natürlich noch hinzufügen, daß die buddhistische Lehre mit dem vorgeburtlichen Chi auch das Karma meint und die Bedingungen, die dadurch für das nachgeburtlichen Chi geschaffen werden. "genetische Bedingungen und soziale Ursprünge" greift da also zu kurz.
 
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Ich glaube bei der durch Stress veränderten Atmung hat man vor allem eine Flachheit der Atmung und erreicht keine Bauchatmung - unabhängig davon, ob sich nun die Bauchdecke beim Ausatmen wölbt oder hineinzieht. Ich glaube nicht, daß man das in Zusammenhang bringen kann.

Ich zitiere mal aus dem Buch "Anatomie des Hatha Yoga" von David Coulter": "[...]paradoxen Atmung. Versuchen Sie, so tief einzuatmen, dass die Bauchwand sich bei der Einatmung nach innen statt nach außen bewegt. Oder denken Sie an eine Schocksituation. [...] Das ist die paradoxe Atmung, die so genannt wird, weil die Bauchwand sich bei der Einatmung nach innen statt nach außen und bei der Ausatmung nach außen statt nach innen bewegt. [...]
Paradoxes Atmen stimuliert das symphatische Nervensystem noch mehr als Brustatmung. [...] Das ist tatsächlich auch der Sinn der Sache: die Vorbereitung auf Kampf oder Flucht. Paradoxes Atmen verschafft Ihnen sofort einen Adrenalinstoß. Das Problem ist, dass manche Menschen die meiste Zeit so atmen und dadurch ihr ganzes Leben zu einer einzigen Gefahrensituation machen. Unser Körper ist nicht für diese permanente Anspannung gebaut, und wer sein sympathisches Nervensystem in einem Zuständ ständiger Erregung hält, belastet die unterstützenden Systeme des Körpers. [...]."
S. 102.

Das gleiche findet sich auch in vielen Büchern über Stress oder Entspannung. Hier wird immer wieder beschrieben, dass Menschen in Stress-Situationen derart atmen und sich durch anhaltenden Stress diese Atmung angewöhnen.
Es ist richtig, dass diese Atmung - wie du schreibst - dann mit der Zeit auch ein wenig flacher wird, aber die "paradoxe" Grundform bleibt hier dennoch trotz der Abflachung erhalten.
In Yoga-Kursen ist es oft so, dass 80-90 Prozent der Anfänger auf diese paradoxe Weise in der ersten Stunde atmen, wenn man die Atmung einführt. Es ist für sie extrem ungewohnt, Bauchatmung auszuführen, da sie gewohnt sind den Bauch entweder flach zu halten oder einzuziehen, wenn sie einatmen, da sie sofort über den Brustkorb atmen.

z.B. hier auch:
Die paradoxe Atmung

Andere Patienten mit Atemstörungen haben eine paradoxe Atmung, d. h. sie ziehen den Bauch bei der Einatmung ein, anstatt ihn heraus zu lassen. Sie atmen sozusagen umgekehrt. Logischerweise bekommt man mit dieser Atemform nur wenig Luft, denn die Lunge kann sich beim Einatmen ja nicht nach unten in den Bauch ausdehnen, wo sie die größte Ausdehnungsmöglichkeit hätte. Auch diese Fehlatemform ist den Patienten überhaupt nicht bewusst. Oft sieht man sie am liegenden Patienten nicht, wohl aber im Stehen und Sitzen.
http://www.koerpertherapie-zentrum.de/behandelbare-beschwerden/brustkorb/formen-der-fehlatmung.html

Doch die meisten Menschen atmen entweder nur in die Lunge und verpassen die Chance, größere Mengen Sauerstoff einzuatmen, oder sie atmen paradox, d. h. sie ziehen den Bauch ein, während sie einatmen. Doch diese Atmung führt dazu, dass wir uns schnell schlapp fühlen, da der Körper nicht mit genügend Energie versorgt wird. Wer dagegen tief in den Bauch atmet, gönnt seinem Körper eine „Sauerstoffdusche“. Die vollständige Ausatmung sorgt wiederum dafür, dass keine verbrauchte Luft zurückbleibt. So hilft die richtige Atmung, gesund und fit zu bleiben.
http://www.bfel.de/tief-durchatmen-atem-gesundheit-koerper-geist


Liebe Grüße :)
energeia
 
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