Hi, Asterix.
Ich bin sicher kein Freund der Trophäenjagd, aber ich habe mich gefragt, was den wohl - moralisch betrachtet - höherwertig ist.
Das jagen, Töten und verspeisen eines bislang freilebenden Tieres,
oder das Mästen, Schlachten und Verspeisen eines Zuchtschweines, das in Gefangenschaft geboren wurde und nie frei war, bevor es zur Schlachtbank geführt wird.
Dazu gibt es schon ganz prinzipiell ein paar Anmerkungen:
a.) Moral ist die kulturell bedingte Ethik einer Gesellschaft
Soll heißen: Wer von Moral spricht, meint damit die von der jeweiligen Gesellschaft gesetzten Normen. Was dazu führt, dass die z.B. islamische Moral von den anderen, die auf den selben monotheistischen Gottesbegriff aufbauen, verschieden ist.
Daher ist deine Frage moralisch im Sinne von Nehemoth zu beantworten, denn in unserer Gesellschaft haben die rudimentären Erzeugungsprozesse von was auch immer so eine Art Absolution erhalten, denn es würde ja den Konsum einschränken, würde man fragwürdige Produktion beschränken.
b.) Ethisch -- also in einem großen Kontext betrachtet -- ist der Mensch ein Allesfresser, der nur Kraft seiner Intelligenz ein (größeres) Tier töten kann. Dazu gibt es aber auch den generellen Leitsatz: Du sollst nicht töten
Damit ist (zumindest für mich) mittelbar wie unmittelbar gemeint und in diesem Sinn ist es unerheblich, wie das Tier gehalten wurde und zu Tode gekommen ist, das Faktum, dass du durch seinen Verzehr (und vorangegangenen Kauf) seinen Tod nicht nur gut heißt, sondern implizit auch begünstigt hast, stellt eine Verletzung der Grundregel dar.
Das Argument, dass "Wildtiere" anders lebten als für die Schlachtung gehaltene entbehrt im weiteren Kontext ebenfalls der Grundlage: "die Jäger" halten das Wild in einem überschaubaren Areal, und kommt einmal ein Bär, so muss der abgeschossen werden. Würde der Jäger die Rolle des Wolfes oder Bären, die die alten, kranken und weniger lebensfähigen Tiere zum Opfer nehmen, spielen, so könnte er den Abschuss wohl schlecht zum menschlichen Verkehr in den Handel bringen, oder?
c.) Wenn wir hier kurz verweilen: letztlich ist jede Art von vorzeitigem Tod für das Individuum unnatürlich und daher abzulehnen -- nach dem Motto: was du nicht willst, dass dir man tu
Ich meine zu beobachten, dass in unserer Welt dieses Prinzip sehr gültig ist -- die einzige Ressource, die auf diesem Planeten unbeschränkt und zu praktisch jedem Preis (nach unten) zur Verfügung steht, ist der Mensch. Homo hominem lupus -- da gibt's nix dran zu deuteln. Und bemerkenswert auch, dass gerade jene Nationen, die sich durch eine hohe Fleischquote (da nehme ich mal Fisch und Fleisch zusammen) hervortun, die menschenverachtendsten Regeln pflegen -- da nützt auch die telegen gepflegte humanitäre Haltung nix, wenn Leute in drei Jobs hecheln müssen und es trotzdem nicht zum Leben reicht, während ein paar wenige den Nutzen davon ziehen. Das ähnelt auf eine degustiöse Art doch sehr der Legebatterie-Haltung
d.) Trotzdem bleibt, dass der Mensch ein Allesfresser ist und daher Fleisch und Fisch durchaus ihre Berechtigung auf der Speisekarte haben. Da gehe ich ganz simpel von meiner eigenen Küche aus: ich verbrauche im Schnitt pro Woche etwa 600 Gramm (Hühner- oder Puten-) Fleisch und 500 Gramm Fisch (Forelle, Lachs oder Tun) für vier Personen. Auf dieses Quantum hat sich der Appetit eingependelt -- es sind auch leichenfreie Speisen bei uns hoch im Kurs, aber ich beobachte an den Kindern, dass sie mit Fleisch und Fisch schlicht besser drauf sind. Was nicht heißt, dass die Grundregel "du sollst nicht töten" nicht gelten würde. Hier könnte das "richtige Maß" als Leitlinie herhalten -- eine schwere Freiland Pute liefert so um die sechs Kilo Fleisch, womit mein Haushalt also etwa fünf Puten im Jahr auf dem Gewissen hat. Beim Fisch sieht es besser aus: ein einziger Tunfisch kann bis zu 600 kg schwer werden -- da machen die rund 25 kg Fisch, die wir über das Jahr verzehren, mein Gewissen nicht wirklich schwer.
e.) Dann gibt es noch die Frage nach dem Karma. Da im Prinzip der Re-Inkarnationen Seelen in jeder Form von Tier wiedergeboren werden sollen (merke: ich halte Re-Inkarnation für eine mögliche Variante, nicht aber für eine schlüssige und zwingende), ist jede von mir -- direkt oder indirekt -- getötete Inkarnation unter Umständen ein naher Verwandter, den ich da auffresse. Sozusagen ein Mehrstufen-Kannibalismus. Warum Seelen nicht als Kohlkopf wiederkommen können (oder als Eiche, wegen der Erhabenheit), und warum man diese Lebewesen dann weniger achten sollte, ist mir nicht zugänglich und daher überlasse ich es gläubigen Buddhisten, sich über dieses Problem tiefe Gedanken zu machen.
f.) Und dann bleibt noch die Frage nach den Wegen, die mein Essen zu mir nimmt und in welcher Qualität es produziert wird. Die Tofu- und Soja-Freaks müssen zur Kenntnis nehmen, dass auch und gerade diesem Nahrungsmittel einerseits sehr weite Transportwege, andererseits massive gentechnische Veränderung zur Last fallen. Diese Nahrungsmittel kritiklos als Ersatz für (regional gezüchtetes) Fleisch zu propagieren scheint mir eher Marketing der hinter diesem Produktionszweig stehenden Lobby zu sein
Deine Frage kann wohl nicht allgemein gültig beantwortet werden. Wer leben will, muss das immer auf Kosten anderer tun -- auch ein Kohlkopf lebt und nur weil er keine herzigen Jungen kriegt oder lustig herumtollt, heißt das noch lange nicht, dass er sich freut, aus dem Beet geschnitten zu werden.
Damit kann das eigene Verhalten nur am Respekt vor dem Nahrungsmittel als solchem gemessen werden. Womit wir bei der Frage der Qualität angekommen sind -- an der ist m.E. festzumachen, wie man mit dem Leben anderer (hier: unserer Nahrungsmittel) umgeht.
Was für mich bedeutet, dass ich jedem getöteten Lebewesen -- und da mache ich keinen Unterschied zwischen einer Karotte oder einem Wildschwein -- dafür danke, auf meinem Teller gelandet zu sein. Und ihm den Respekt erweise, den es verdient. Was sich in möglichst rückstandsfreier Verarbeitung niederschlägt -- was aus meiner Küche rausgeht, ist nur ein Bruchteil dessen, was reinkommt. Bleibt tatsächlich einmal etwas übrig, wird es entweder in der nächsten Mahlzeit weiterverarbeitet, oder den Katzen angeboten oder kompostiert. Der Kompost wird dann zum Dünger unserer Gemüsebeete, und somit ist meine Hauswirtschaft innerhalb der Grenzen, die ich ohne schlechtes Gewisse für vertretbar halte.
Unglaublich, was mir zu dem Thema um die Zeit noch alles einfällt
