Licht der Angst Teil 2
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Wie gut er doch einmal schon gespielt hatte. Und niemand hatte was bemerkt, oder doch? Warum sollte er plötzlich nach Europa? War doch was aufgeflogen? War doch nur ein Scherz, ein Jungenstreich, dass er und einige seiner "Freunde" in das Lager seines Vaters einbrachen. Das Geld war knapp, sein Leben, Spielschulden und er hatte wollte seinem Vater nicht anbetteln, um die Beträge, um die es da ging. Seine "Freunde" schienen, wenigstens, wenn es um Geld ging, doch wenig Spaß zu verstehen, das Messer an seiner Kehle, die Drohung, zuerst seiner Schwester, dann ihm selbst was anzutun, verstand er durchaus, ebenso wie die eigenen Angst. Die war echt.
Also bot er seinen "Freunden" als Ausgleich seiner Schulden an, sich selbst zu bedienen, war doch ohnehin sein Erbe, irgendwie. War doch letztlich egal. Was musste auch der blöde Verwalter gerade in dem Moment ein Geräusch hören, als sie ohnehin beinahe fertig waren, alles wäre erledigt gewesen. sie überwältigten ihn, etwas schein zu Boden zu fallen, er nahm es nicht wahr, fesselten und knebelten ihn, verbanden ihm die Augen, bevor sie weitermachten.
Ausgerechnet der Verwalter. Eine schöne Tochter hatte er. Sie schien ihn zu mögen, vielleicht sogar zu lieben, er sah's gelassener. Ihn liebten schließlich alle, so dachte er, war doch nichts Besonderes, und sie eine unter anderen, wenngleich auch durchaus eine der Favoritinnen.
Am nächsten Tag fand man den Verwalter im geplünderten Lager, tot, ausgerechnet seine Tochter muss ihn finden, der Kopf seltsam verdreht, der Schlag, Tritt muss heftig gewesen sein, der ihn das Genick brach.
Als er sich einen Tag vor seiner Abreise von ihr verabschieden will, will sie ihn nicht sehen, na ja, vermutlich die Trauer um den Vater.
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Er liegt immer noch mit Schmerzen auf seinem Lager, die Frau kümmert sich um ihn, pflegt ihn, wohl eine Art Heilerin, die Wunden schließen sich langsam, tun aber immer noch weh, jede Bewegung tut es, jeder Atemzug. Mitunter, in der Nacht, legt sie sich zu ihm, beginnt ihn sanft zu steicheln, nichts fordernd, da, für ihn, so vorsichtig, dass sogar die Wunden nicht oder kaum zu schmerzen beginnen. Er liegt da, reglos, lässt es geschehen.
Irgendwann kann er aufstehen, wieder gehen, es wird Zeit. Die Rüstung notdürftig um die Verbände geschnallt, verlässt er sie, will gehen, sie möchte dass er bleibt, er schüttelt den Kopf. Traurig, entäsucht sieht sie ihn an, er küsst sie auf die Stirn, ihre Hände, geht.
Die Sonne blendet. Die Stadt ist weitgehend zerstört, verkohltes Holz, eingestürzte Mauern, Ruinen, dennoch scheint es in dem Gassen bereits auch wieder so etwas wie Normalität zu geben, Händler bieten Waren an, Kinder laufen spielend über die Steine, Esel tragen Lasten.
Es zieht ihn wieder zu dieser Moschee. Auf dem Weg dahin ein Platz. Soldaten, Leichen, und ein paar Kreuze, mit Holz darunter. Er geht weiter, die Soldaten sehen ihn, er versucht, sie zu ignorieren, einer aus seiner alten Schar erkennt ihn, spricht mit anderen, sie kommen auf ihn zu. Der andere Soldat spuckt ihm ins Gesicht, schreit was von Deserteur, packt ihn, die Wunde an der Schulter schmerzt, bricht auf, Blut. Er wehrt sich nicht.
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Die junge Frau wachte auf, etwas stimmte nicht, die Geräusche im Haus klangen anders als gewohnt, die morgendlichen des Vaters fehlten. Sie steht auf, zieht sich notdürftig an, geht durch's Haus, fragt die anderen, niemand hat ihn gesehen, er hat auch am Vortag nichts gesagt.
Sie sucht ihn, im Hof, Garten, den Nebengebäuden. Warum sieht das in den Boden eigelassene Fenster der Lagers so eigenartig aus? Das Licht fällt anders als gewohnt darauf, es hängt schief. Ein seltsames Gefühl macht sich breit, sie holt die Schlüssel, sie weiß wo ihr Vater sie üblicherweise verwahrt. Öffnet die Türe, ruft, sucht, an eine Säule gebunden findet sie ihn, reglos, tot, sie kniet nieder, weint, bindet ihn los, hält seine Hand in der ihren. Schreit. Andere kommen. Ein Lichtstrahl fällt aus etwas am Boden, wird davon reflektiert, blendet sie. Ein Ring. Sie kennt ihn nur all zu gut. Und jetzt schreit sie noch lauter, verzweifelter, auch wütender, ohnmächtiger. Andere versuchen, sie zu beruhigen, bringen sie ins Haus zurück.
Sie sagt kein Wort, weint, heult, schreit nur. Wie ein wildes Tier.
Warum kann er es sehen? Jetzt, auf einmal, alles? Wieder alles, sich erinnern? Sogar das, das er gar nicht kennen kann?
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Er hängt auf einem der Kreuze, in seiner Rüstung, andere neben ihm. Andere, ebenso dunkelhaarig, dunkelhäutig wie er. Nur in anderen Rüstungen, oder Gewändern. Die Soldaten lachen.
Bald brennen die Feuer, der Rauch beißt, die Hitze nimmt zu. Die Rüstung wird unerträglich heiß, die Schmerzen sind erbarmugslos.
Der Körper unter dem Metall brät vor sich hin, ein Schwein am Spieß, so muss sich das wohl anfühlen, nur dass das bereits tot ist. Der Geruch von verbranntem Fleisch ist erbärmlich, ihm wird schlecht, auch das eigene riecht nicht anders.
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Als die "Freunde" mit der Beute abzogen, hätte er eigentlich erleichtert sein müssen, und doch war er es nicht. Der Verwalter hatte ihn gesehen, auch erkannt, er würde alles dem Vater erzählen. Er bekam Angst, vor seinem Vater hatte er Angst, genau vor dieser Unerbittlichkeit, wenn es um Geschäftsangelegenhieten ging. Er würde ihn bestrafe, davonjagen, vielleicht sogar töten, jedenfalls enterben. Er schämte sich und fürchtete sich zugleich.
Wenn der Vater nun aber nichts erfahren würde? Wie? Andere konnten das doch auch, täglich starben Menschen, irgendwo, irgendwie. Konnte doch nicht so schwer sein. Warum dann doch so viel Angst und Widerwillen davor?
Er ging zurück, der Verwalter hörte ihn, hoffte wohl auf seine Befreiung. Noch mehr Angst, und Wut, alles in einem einzigen Tritt, es knirschte kurz, dann begann das Blut zu fließen. Er ging, legte sich schlafen, zitternd. Ihm war kalt.
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"Hör auf zu kämpfen!", sagte die Stimme, er hat aufgehört, gegen andere, gegen sich selbst, auch dagegen, davonzulaufen, auch vor sich selbst.
Alles tut weh, dennoch ist es wohl gut so, wie es ist. Befreiend, nichts mehr tun zu müssen, eigentlich. Ist ja bald vorbei.
Schön, dieses Licht, woher kommt das plötzlich? So hell, strahlend, wo sind die anderen, wo der Rauch, der Gestank?
Auf einmal ist alles ruhig. Stille. Der Mann lächelt, Noch einmal...
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Hoch über ihm schlägt ein Falke eine Taube, mitten in Flug, eine einzelne weiße Feder schaukelt langsam durch die Luft, landet schließlich auf seinem Kopf, den verkohlten Resten seiner einmal dunklen Haare, der Kopf ist nach vorne geneigt, das noch brennende Kreuz samt dem kaum mehr erkennbaren Leichnam kippt langsam nach vorne, schlägt auf dem sandigen Boden auf. Funken sprühen. Bald geht die Sonne unter.