"Esoterik" und seelische Gesundheit

Hallo Gawyrd,

Dein Eingangsposting in diesem Thread hat mir sehr gut gefallen. Erlaube mir aber ein paar Anmerkungen.

Es machen ja viele Menschen "aussergewöhnliche" Erfahrungen und Wahrnehmungen - die sie sich nicht auszusprechen trauen, weil sie Angst haben, verrückt zu werden bzw. für verrückt gehalten zu werden.

Das ist sicher richtig, und das finde ich sehr schade. Auf diese Weise wird das Attribut "krankhaft" erweitert. Ich kenne zwar die genaue Definition von "krankhaft" nicht, aber es hängt damit zusammen, dass entweder der Betroffene oder seine Umgebung unter dem Zustand leiden. Unabhängig davon, was ich oder gar Hardcore-Skeptiker von übersinnlichen Wahrnehmungen halten oder nicht halten, so zeugt es nicht gerade von Tolleranz, es als Krankheit abzutun, wenn es keine Negativen Folgen hat. Ohne negative Folgen kann man übersinnliche Wahrnehmungen vielleicht als "unnormal" bezeichnen... aber eben nicht als krank.

So lernen sie nicht mit ihren Fähigkeiten umzugehen, lernen auch nicht Trugbilder von echten Wahrnehmungen zu unterscheiden - und können oft in eine Isolation geraten.

Naja, ich habe manchmal den Eindruck, dass viele auch nicht genauer nachschauen wollen, ob es eventuel Trugbilder sein könnten.

Für solche Menschen kann es enorm erleichternd sein, wenn sie erleben, dass ihre Wahrnehmungen und Fähigkeiten ernst genommen werden, wenn sie beginnen können, darüber mit anderen zu reden - wenn sie beginnen sich selbst ernstzunehmen und der eigenen Wahrnehmung zu trauen.

Das glaube ich gerne. Und ich wünsche jedem Menschen mit diesen Wahrnehmungen andere Menschen, die ihm/ihr sowohl offen als aber auch kritisch zuhören.

Zu den Überlegungen, inwieweit (unseriöse) Esoterik psychisch krank machen kann gehört meiner Meinung nach ergänzt, dass auch ein rein materielles Weltbild krank machen kann - das die seelische Welt und ihre Wahrnehmung negiert oder sogar als "krankhaft" unterdrückt.

Naja... es ist nicht das Weltbild; es ist der Umgang damit.

Esoterik ist für mich dann unseriös und bekommt Krankheitswert, wenn die eigenen Wahrnehmungen als Heilslehre oder allumfassende Wahrheit dargestellt werden (dazu gehört auch teilweise das "eigene Realitäts"-Gerede in meinen Augen... aber das nur als Randbemerkung).

Viele Grüße
Joey
 
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Naja... es ist nicht das Weltbild; es ist der Umgang damit. Esoterik ist für mich dann unseriös und bekommt Krankheitswert, wenn die eigenen Wahrnehmungen als Heilslehre oder allumfassende Wahrheit dargestellt werden
Genau. Und das gilt für JEDES Weltbild - ob frei-spirituell, konfessionell, agnostisch oder anders. Der UMGANG damit ist das entscheidende : ob es überzogen als allein gültige und allein seligmachende Wahrheit vertreten wird oder mit der notwendigen selbstkritischen Haltung.

Danke !

Gawyrd
 
Zum Beispiel könnte man meinen, die meisten Menschen seien heutzutage "gestört" wenn man die Beschreibung zur "schizoiden Persönlichkeitsstörung" liest.

Es besteht ja ein Unterschied zwischen einem schizoiden Persönlichkeitstyp und der gleichklingenden Störung. Eine schizoide PS ist von der Leidensbelastung her mit Borderline vergleichbar, nur ist Borderline halt wesentlich bekannter.

ciao, :blume: Delphinium
 
hallo ..

ein genaueres hinschauen lässt für mich jetzt erkennen, dass esoterik und mystik mir auch nicht das geben können, wonach meine seele sich sehnt, während meine gesamtheit offen und unvoreingenom ist .. und das ist für mich ausdruck dafür, dass ich meiner eigenen inneren leere niemals bewusst werde und somit keine antwort auf meine frage finde .. nun ist es so für mich .. darum werde ich weder die "falsche" esoterik kritisieren noch die "richtige" zum durchbruch verhelfen .. sorry ..

lg
PT
 
Naja, ich habe manchmal den Eindruck, dass viele auch nicht genauer nachschauen wollen, ob es eventuel Trugbilder sein könnten.


Esoterik ist für mich dann unseriös und bekommt Krankheitswert, wenn die eigenen Wahrnehmungen als Heilslehre oder allumfassende Wahrheit dargestellt werden (dazu gehört auch teilweise das "eigene Realitäts"-Gerede in meinen Augen... aber das nur als Randbemerkung).
Das halte ich für zwei wichtige Punkte, zwischen denen ein Zusammenhang besteht.

Bereit zu sein, die eigenen Visionen kritisch zu überprüfen (und zwar ehrlich, indem man tatsächlich bereit ist, draufzukommen, war ein schöner Tagtraum und/oder eine Halluzination, aber keine wirkliche Erkenntnis), dazu bedarf es einer gesunden Fähigkeit zur Relativierung des eigenen Erlebens.

Nun habe ich aber den Eindruck, daß das ja genau das Problem bei gewissen psychischen Problemen ist: mit von vornherein getrübter Wahrnehmung wird eben nicht überprüft, sondern es werden Selbstbestätigungen gesucht, um sich weiter in diese Wahnwelt flüchten zu können. Oder lieg ich da falsch?

Genau da liegt aber die Chance einer möglichen Zusammenarbeit von Psychologie und "Esoterik". Denn seriöse Beschäftigung mit inneren Erkenntnissen, Visionen, Bildern in einer seriösen Tradition schließt immer Überprüfungsmöglichkeiten mit ein. Und in jeder seriösen esoterischen Schule (gleich welcher Religion und Herkunft) wird immer betont und gelehrt, wie man überprüft, was gesehen wird, und daß man überprüfen MUSS. Um nicht abzudriften in psychotische Wahnvorstellungen. Daher wäre es geschulten Lehrern ja auch möglich, psychotische Entwicklungen rascher zu erkennen - und andererseits dem Psychologen vielleicht bei der Diagnose mitzuteilen, das ist eine spirituelle Erkenntnis, die in falsche Bahnen geraten ist.
 
Ich könnte mir vorstellen dass bei dem Thema noch wichtig wäre: Das Überlassen der Verantwortung bei dem, der sie hat.

Jede gute Hilfestellung unter Erwachsenen belässt die Eigenverantwortlichkeit und damit jede Entscheidungsmöglichkeit bei dem, der das Problem hat.

Unseriöses bietet meistens schnelle Lösungen an. "Ich befreie Dich von einer Besetzung", oder "ich kann Dein Karma löschen"....

Immer dann, wenn ich nicht selbst an meinem Problem arbeiten muss, sondern jemand anderer das für mich machen würde, bimmeln die Alarmglocken.

Liebe Grüße
Reinfried
 
Hallo Reinfried,

ja - mit Einschränkungen.

Denn das kann nur für halbwegs ausgeglichene Persönlichkeiten gelten.

Hat wer z.B. ein Problem mit der Realitätsverarbeitung, kann er sich und seine Umwelt noch nicht einmal richtig wahrnehmen.

Und dabei ist das größte Problem, dass er sich nicht im klaren ist, überhaupt ein Problem zu haben.
Leider kommt es zu dieser Erkenntnis oft erst, wenn eine ernsthafte Krise eintritt.

Also müsste man sich schon einig sein, ob man von Menschen spricht, die auf Selbstsuche sind, und die gewiss ein ausreichendes Maß an Kritikfähigkeit mitbringen, oder von eher labilen Persönlichkeiten, denen es z.B. schwer fällt, eigene Emotionen gedanklich zu verarbeiten, und sich in Scheinwelten flüchten.

Es zeigt sich ja, dass gerade Letztere das größere Zielpublikum der weniger seriösen Esoterik sind - da die erste Gruppe bereits a priori über eine bessere "Qualitätserkennung" verfügt.
Der Rest des Publikums gehört eher der Wellness&Fun-Riege an, das mit einer schützenden Oberflächlichkeit an die Dinge herangeht.
Damit verschiebt sich der Verantwortungsfocus, auch wenn das ein äußerst beliebtes Totschlagargument auf dem Esomarkt ist.

Verantwortung trägt m.E. hauptsächlich der Anbieter.
Und das heisst, dass es nicht ausreicht, von der eigenen "Methode" überzeugt zu sein oder selber keinen Schaden davongetragen zu haben, um daraus ein seriöses Angebot zu machen.

Überall da, wo man "heilend" handeln möchte, ist schon mal die Frage zu stellen:
weshalb möchte man denn überhaupt "heilen"?
Und "was" möchte man heilen?

Immerhin ist der Schattenaspekt des "heilen wollens" ein Allmachtsstreben.


Viele sog. "esoterische" Angebote forcieren zudem paradoxerweise gerade ein typisch westlich-materialistisches Mangeldenken.


Und das ist bekanntlich DAS Druckmittel von Wirtschaft und Religion:

zuerst ein Bedürfnis schaffen, um dann dessen Erfüllung feilzubieten.
 
Hat wer z.B. ein Problem mit der Realitätsverarbeitung, kann er sich und seine Umwelt noch nicht einmal richtig wahrnehmen.

Und dabei ist das größte Problem, dass er sich nicht im klaren ist, überhaupt ein Problem zu haben.
Leider kommt es zu dieser Erkenntnis oft erst, wenn eine ernsthafte Krise eintritt.

Also müsste man sich schon einig sein, ob man von Menschen spricht, die auf Selbstsuche sind, und die gewiss ein ausreichendes Maß an Kritikfähigkeit mitbringen, oder von eher labilen Persönlichkeiten, denen es z.B. schwer fällt, eigene Emotionen gedanklich zu verarbeiten, und sich in Scheinwelten flüchten.

Da ich nunmal schon oben mein eigenes Beispiel eingebracht habe: Ich kann natürlich jetzt nur für mich sprechen.

Ich schätze mich als relativ ausgeglichenen Menschen ein, dens schon mal durchbeuteln kann, aber dann steh ich wieder auf...Und trotzdem kam ich damals in eine Situation, in der ich fast an meinem Verstand gezweifelt hätte.

Das heißt, etwas wahrzunehmen, das man früher nicht wahrgenommen hat, kann im Prinzip jeden treffen. Da muss man nicht unbedingt eine labilie Persönlichkeitsstruktur aufweisen.

Das Wahrnehmen dieser Sachen kann z.B. durch einen simplen grippalen Infekt ausgelöst werden und vertschüsst sich dann unter Umständen leider nicht mehr. Oder durch einen Todesfall oder durch einen Schock...es gibt viele Ursachen dafür, dass man Dinge plötzlich anders sieht, anders wahr-nimmt. Passiert ja öfters im Leben.

Verantwortung trägt m.E. hauptsächlich der Anbieter.
Und das heisst, dass es nicht ausreicht, von der eigenen "Methode" überzeugt zu sein oder selber keinen Schaden davongetragen zu haben, um daraus ein seriöses Angebot zu machen.

Verantwortung wofür, das ist die Frage. Für Informationen, die angeboten werden und wo man einfach zugreifen kann, wenns passt?

Das müsstest Du genauer definieren. Das Internet kann natürlich eine psychologische oder ärztliche Betreuung nicht ersetzen, wenns gebraucht werden würde.

Überall da, wo man "heilend" handeln möchte, ist schon mal die Frage zu stellen:
weshalb möchte man denn überhaupt "heilen"?
Und "was" möchte man heilen?

Immerhin ist der Schattenaspekt des "heilen wollens" ein Allmachtsstreben.

Ach, diese Diskussionen haben mich seinerzeit Monate gekostet, als ich zur Rettung gegangen bin. Ich hab mir mein Hirn zermartert, ob ich das nun aus reinem Egoismus mache, aus Allmachtsstreben, aus Angst vor der Ohnmacht und und und...bis mir jemand ganz einfach gesagt hat: "Das ist wurscht. Hauptsache, es hilft wer...."

Viele sog. "esoterische" Angebote forcieren zudem paradoxerweise gerade ein typisch westlich-materialistisches Mangeldenken.


Und das ist bekanntlich DAS Druckmittel von Wirtschaft und Religion:

zuerst ein Bedürfnis schaffen, um dann dessen Erfüllung feilzubieten

Ja, das ist sicherlich auch ein Aspekt, der nicht zu vernachlässigen ist.

Liebe Grüße
Reinfried
 
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Ja, ein rein materielles Weltbild macht wohl krank. Ich war ja in Uppsala/Schweden einen Kosmologiekurs besuchen und die letzten Kapitel dieses Kurses beschäftigten sich mit nichts geringerem als dem Sinn der Menschheit (!).
Das vereint klassische mathematische Naturwissenschaft mit der Spiritualität, die ja leider, meiner Meinung historisch als Überkompensation für Fehler der Administrationen der Konfessionen egal welcher Glaubensrichtung, der Gesellschaft in Europa weitgehend verlorengegangen ist.

Nun möchte ich zwei persönliche Kommentare abliefern, nachdem es zuerst eine gute Nachricht sein sollte, zunächst

1. Chancen:
Vor zwei Wochen war ja die Anti-Astrologie-Demo in Wien. Aus persönlichen Gründen, die an dieser Stelle unerwähnt bleiben sollen, war das für mich ein Anlaß, mich ein wenig mit Astrologie zu beschäftigen und der Frage nachzugehen, welche Arbeitsmethoden die Astrologie überhaupt anwendet und nach welchen Regeln die Sterndeuterei funktioniert. Mittels versuchter Deutung von Horoskopen in meiner Familie konnten wir über Dinge sprechen, die uns schon Jahre belasteten; eine Fülle von wichtigen kritischen Informationen innerhalb eines einzigen Tages erhalten und aufgearbeitet.

2. Gefahren
Ich mußte bei meinem Vater vor Jahren Resignation und Weltflucht erleben. Auslöser dafür war seine Lektüre des "Totenbuch der Tibeter". Das ist ein schwierig zu lesender Text mit jeder Menge Fallen, über die seelisch unausgeglichene Menschen stolpern können. Seine Interpretation vom Totenbuch der Tibeter war Der Sinn des Lebens ist der Tod. Und danach handelte er die verbleibende Zeit seines Lebens auch.

Disclaimer: Astrologie als Chance und "Totentanz" als Gefahr soll nicht als Wertung "Astrologie ist besser als buddhistische Totenlehren" gesehen werden sondern sind als Beispiele und mögliche Diskussionsgrundlage gedacht.

Vielleicht haben ja auch andere von Euch total positive und total negative Erfahrungen mit der Anwendung von esoterischem Wissen gemacht ...

LG, Kiith Manaan
 
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