Gestern wurde ich gefragt: "Was ist Erleuchtung im praktischen Leben?" , und ich konnte nicht klar ausdrücken, welche Konsequenzen "Erleuchtung" nun tatsächlich hat, denn was ich sagen wollte klang verwirrend. Inzwischen habe ich drüber nachgedacht, und ich würde jetzt so antworten:
Was ist unser Leben? Es ist für uns vor allem eins: leidvoll !
Wir alle sind ständig Ängsten, Sorgen und Schermzen ausgesetzt, zB wenn wir uns Sorgen über Rechnungen und Kontostände machen, unser Partner uns verlassen will, wenn wir uns einsam und allein fühlen und uns wehleidig fragen, wo da der Sinn in all diesen Dingen stecken soll.
Es ist wie ein Wasserrohrbruch in unserer Wohnung: im hohen Bogen spritzt das Wasser aus der Bruchstelle und überschwemmt den Fußboden. Was können wir tun?
Wir können uns einen Eimer schnappen und das Wasser wegschöpfen. Damit haben wir das Problem aber nicht gelöst es fliesst ja ständig neues Wasser nach ! Nun: schauen wir mal, wie andere Menschen mit ihrem Rohrbruch umgehen:
· Einige sagen sich: Ich muss schneller schöpfen dann hole ich vielleicht sogar einen Vorsprung heraus und kann endlich einmal glücklich sein
· Einige schöpfen noch nichtmals sie tun nur so, als würden sie sich anstrengen. Dadurch steigt der Wasserspiegel zwar immer weiter, aber immerhin kann man bei seinen Mitmenschen auf Mitleid pochen.
· Wieder andere schöpfen links das Wasser auf und kippen es rechts wieder hin.
· Einige haben sich schon an das Schöpfen gewöhnt, und aus Gewohnheit schöpfen sie einfach weiter...
· Einige ignorieren den Rohrbruch und tun so, als würden sie ihn nicht sehen. Bis der Wasserstand auf der Höhe der Steckdosen im Raum ist...
Erleuchtung suchen heisst, die Schöpfkelle hinzulegen und im Keller nach dem Absperrhahn zu suchen. Aber der Keller ist nicht ohne: es gibt kein Licht, überall krabbeln ekelhafe, fette schwarze Spinnen umher und lassen sich auf unser Gesicht fallen, gefährliche Nägel ragen aus der Wand, an denen man sich schlimm verletzten kann, wir können in Rattenfallen treten und die Treppe runterfallen.
Es braucht Mut und Entschlossenheit, in den Keller zu gehen. Wir tasten uns vorsichtig durch das Dunkel hindurch, tasten den Raum ab während wir ihn kennen- und verstehen lernen. Bald finden wir uns im Keller zurecht; wir finden den Hahn und drehen ihn zu, während wir das gute Gefühl haben, das es von jetzt an wieder aufwärts geht.
Die Treppe rauf, zurück in die Wohnung. JETZT macht das Schöpfen Sinn bald haben wir das Wasser so gut es geht aufgeschöpft und können den Rest mit dem Aufnehmer wegwischen; der noch feuchte Boden trocknet nun von alleine. Schön !!
Wir sind fertig, unsere Aufmerksamkeit können wir nun auf andere Dinge richten. Wir fragen uns, wie es unseren Nachbarn geht und beschliessen, auf einen Sprung bei ihnen vorbeizuschauen. Als wir hinkommen stellen wir fest, dass ALLE Menschen einen Rohbruch haben und verzweifelt am schöpfen sind was sollen wir tun?
Ihnen schöpfen helfen?
Oder sie in den Keller schicken?
Wenn wir bei einem Nachbarn vorbeikommen können wir mit Humor sagen: He Nachbar, kannst Du mir mal nen Eimer Wasser leihen? oder Sag mal, was meinst Du ist noch
überflüssiger ist als das Wasser, das Du da im Eimer hast? oder wir singen Ein Loch ist im Eimer... Karl-Otto ... Karl-Otto ...
Wir können Papierschiffchen basteln und auf dem Wasser schwimmen lassen so lange, bis die Leute mit einem Seufzen und Zwinkern sagen: OK OK - ich geh in den Keller aber sag mal ... ähäm: kommst Du vielleicht mit?
Klar, warum nicht?