Was nun folgte war ein heiliger Moment, den ich versuchen werde zu schildern. Das ist nicht einfach, da ich nur ein kleiner Esel bin:
Es war, als wären wir nicht mehr allein im Stall! Ein feines Singen und Tönen begann überall um uns herum. Erstaunt hob ich den Kopf und spähte zum Dachbalken, wo ich Gabriels Schlafstätte vermutet hatte und erblickte tausende und tausende von Engelscharen, die über uns kreisten.
Da war keine Stalldecke mehr und auch kein Dachbalken. Der Himmel war so nah, wie ich ihn nie mehr in meinem Leben je gesehen habe.
Wie eine riesige Kuppel thronte das ganze Firmament über unserem winzigen Stall. Heerscharen von Engeln wandelten in erhabener Haltung eine leicht geschwungene Treppe hinauf und hinunter.
Andere wieder flogen durch den weiten Himmel, musizierten und spielten auf Harfen, Flöten und Posaunen. Gebannt erblickte ich auf der anderen Seite einen Chor singender Engel, ihre Lieder so süβ und zart, dass mir Schauer über den Rücken liefen. Esau schien es genauso wie mir zu gehen. Auch er blickte verwundert empor und kam gar nicht mehr zum Nachdenken, so viele waren die Eindrücke. Eine Stimmung der Freude erfüllte den Raum und unsere Herzen und siehe: das Kind von Maria erblickte die Welt!
Das Licht im Stall wurde so strahlend hell, dass ich nichts mehr sah als Licht. Ich glaube, das Licht erhellte in diesem Augenblick der Geburt des Kindes von Maria, die ganze Welt. Das Licht schien in die Dunkelheit und kam zu uns allen: den Steinen und Pflanzen, den Tieren und den Menschen.
Das Licht erglänzte auf den Zinnen des heiligen Tempels in Jerusalem. Das Licht schimmerte matt auf den Gewässern des Toten Meeres und auf den wogenden Wellen der Seen, weit hinter der Ebene von Saron.
Das Licht flammte auf den goldenen Palast des Pilatus und des König Herodes.
Es schimmerte auf dem Nil und lieβ die beiden Obelisken des heiligen Tempels in Karnak erstrahlen.
Das Licht schien auch auf die hohen Kapitole des allmächtigen Roms und kündete den baldigen Untergang eines Weltreiches an. Es leuchtet über den ewigen Schneefeldern und den endlosen Wüsten dieser Welt. Und das Licht war nicht von dieser Welt und es wurde zum Licht der Welt.
aus: "Ich bin Benjamin" 2010
LG Ali