Siriuskind
Sehr aktives Mitglied
Mal ganz allgemein und den Blick auf die sich abzeichnende Zukunft gerichtet:
Mein Eindruck von den (deutlich) Jüngeren ist, daß stinknormal deutsch und mit einem deutschen Durchschnittsnamen versehen als bissl langweilig gilt, und daß mindestens ein nichtdeutscher Elternteil, ein etwas exotisches Aussehen und ein interessanterer Name als attraktiv gilt. Und überhaupt, man wächst gemeinsam auf und steht in Kontakt, und die familiäre Herkunft ist gar nicht mehr so wichtig.
Ich denke, da entwickelt sich auf ganz natürliche Weise, quasi stillschweigend weil selbstverständlich, ein Wegfall des für uns Ältere noch groß dastehenden Problems Rassismus. Irgendwas abreagierende Idioten gibt es natürlich auch hier und da, aber ich spreche jetzt von der unauffälligen Menge, die keine Schlagzeilen macht, und die zählt für mich mehr als einzelne Ausreißer.
Wäre ja schön, wenn es so ist, aber es kamen in den Berichten junge Leute zu Wort, die wegen ihrer dunklen Hautfarbe oder anderer sichtbarer Merkmale, dass entweder ein oder beide Elternteile nicht deutsch sind, von klein auf mit Rassismus konfrontiert sind. Ich glaube, es kann keiner nachvollziehen, ab wo das losgeht, das sind teilweise Sätze, bei denen ein Deutscher sagen würde, naja, ist doch nicht so schlimm! Aber es ist schlimm und bereitet immer wieder Verletzungen. Mein Sohn erzählt mir jetzt auch immer mehr, was er schon alles erlebt hat, darüber hat er als Kind nie gesprochen. Und ich habe solche Handlungsweisen oder verletzende Sätze gehört, wenn ich mit meinem Mann zusammen unterwegs war oder auch durch Familienmitglieder meinerseits. Es fängt auch schon bei Sätzen an wie „wo kommst Du denn her? Und wenn mein Sohn dann z.B. sagt, aus Darmstadt, dann kommt der Satz „nein, ich meine, ursprünglich“ hinterher. Oder „Sie (oder Du) sprechen aber gut Deutsch“. Oder in der Schule, mein Sohn hatte Deutsch-Leistungskurs, er hat aber Probleme mit seiner Konzentration und hat deshalb in Aufsätzen unter Zeitdruck Fehler gehabt. Da meinte die Lehrerin zu ihm, dass es kein Wunder wäre, dass er mit Deutsch Probleme hätte, weil er ja zweisprachig groß geworden wär. Es gibt so viele Beispiele, die ich Dir aufzählen kann, ich kann da schon ein Buch füllen, was werden Dir dann direkt Betroffene alles erzählen. Dass (hoffentlich) die neue Generation es besser machen wird, hoffe und denke ich auch und diese Proteste sind ein weiterer Anlass, aber es werden bis dahin immer noch viele Verletzungen stattfinden.
Noch ein Beispiel: in dem Bericht gestern wurde von einer jungen Frau berichtet, sie ist wegen ihres Kopftuchs sichtbar Muslima, ist hier geboren und studiert und als sie zu einer Behörde musste, wurde sie von der Sachbearbeiterin mit den Worten empfangen, ob sie keine Begleitung hätte, was diese Angestellte so erstaunlich fand, in sie staunte weiter, wie toll Deutsch die junge Frau sprechen konnte und sie solle bloß nicht heiraten und ihre Selbständigkeit behalten. Man könnte jetzt sagen, alles harmlose, gut gemeinte Sätze, aber als Betroffene ist das beleidigend. Mir ist es ähnlich passiert, als mein Mann und ich heiraten wollten und wir noch das Gespräch mit der Standesbeamtin hatten, da sagte sie doch tatsächlich zu mir, ob mir denn bewusst sei, dass ich einen Mann aus einem anderen Kulturkreis heiraten würde und was da alles passieren könnte. Ich fand das verletzend, denn solche Äußerungen gehören nicht zu ihrer Aufgabe. Ich glaube nicht, dass sie warnende Worte zu einem Deutsch-deutschen Paar sagen würde, wo die Ehe auch durch verschiedene Ursachen in die Brüche gehen kann.