...kann das nicht! Ich registrierte erst jetzt, dass ich diese Worte laut schrie und ebenso registrierte ich die Umgebung. Wieder hatte es mich in die andere Zeit, an den anderen Ort zurück katapultiert. Abdul, mein Halbbruder saß nackt auf den Altar und hielt mir den Dolch mit dem goldenen Griff entgegen. "Du kannst das", murmelte er und auch der Hohepriester nickte mir wohlwollend zu.
Ob ich die Kraft habe? Ob ich die nötige Energie aufbringen kann? Isis konnte ihren geliebten Osiris auch wieder beleben. Das war die Aufgabe. Das war die Weihe zur Priesterin, die ich bestehen musste. Andere hatten es leichter. Sie brauchten nur einen kleinen Vogel oder eine Eidechse wieder beleben. Bei mir war es anders. Und alle schienen mir zu vertrauen.
Dennoch nahm ich den Dolch sehr zögernd in meine rechte Hand und blickte wehmütig auf meinen Halbbruder, der sich auf dem Altar zurück legte und die Augen schloss. Es musste sein. Ich wollte Priesterin werden, Oberpriesterin! Ob mich da nicht mein Stolz, mein Hochmut blendete? Dann stach ich zu. Mitten in das Herz meines Halbbruders und zog den Dolch langsam wieder heraus.
Im nächsten Moment spürte ich von den Fußsohlen hoch ein Feuer in mir, das mich innerlich zu verbrennen schien. Und ich genoss dieses Feuer in mir. Feuer war und ist mein Element. Es war die Löwin in mir, die um ihren Halbbruder kämpfte und ihm die Hände, eine auf die blutende Wunde und die andere auf die Stirn, legte. Das Feuer ging auf ihn über und vereinte uns wie Mann und Frau und machte uns lebendiger als wir es je waren.
Im selben Augenblick erkannte ich, denn mein Blick wanderte zu meiner Mutter. Abdul war nicht nur mein Halbbruder, er war ebenso mein Vater. Sollte er jetzt, durch diese elementare Vereinigung auch mein Geliebter werden? Ich konnte mir das alles nicht erklären, nicht mit dem Verstand, nicht logisch und doch wusste ich instinktiv, dass es genauso ist.
Abdul richtete sich langsam auf, glitt vom Altar und nahm mich zärtlich in seine Arme. Plötzlich...
