Ich weiß ja nicht, was Euch in der Schule erzählt wurde... aber mir wurde nichts erzählt, was mich in irgend einer Art schuldig fühlen lassen würde. Ich fühle mich nicht schuldig am Holocaust/der Shoa. Aber ich fühle mich mit dafür verantwortlich, die Erinnerung daran wachzuhalten.
Erinnerung sicherlich, es ist fester Bestandteil der Geschichte. Aber dann bitte auf geeignete Art und Weise. Ich hab es immer nur als langweiligen, immer gleihen Predigtkatalog erleben müssen und ehrlich gesagt stumpft das bloss ab, aber rüttelt nicht auf. Daher ja auch meine Aufregung über diese Betonklötze und mein Vorschlag, wie man es anders handhaben könnte.
Will Du denn sämtliche Hintergründe und Zusammenhänge verstehen? Du beschreibst, wie gesellschaftliche Verlierer in ihrer Unzufriedenheit sich den Neonazis anschließen. Das ist ein möglicher Mechanismus von vielen. Aber...
Nix aber. Das ist ein Mechanismus der in den zunehmend schlechteren Zeiten immer breitflächiger zum Tragen kommt und von der Politik nicht behoben wird.
Es ist natürlich NICHT der einzige, aber ein weit verbreiteter, ohne jeden Aufwand von jedem Hilfsdepp zu realisierender. Und genau das macht ihn so effizient und gefährlich.
woher kommen diese "hohen Tiere"? Und was überwiegt? Überwiegt das hirnlose schlagende "Kanonanfutter" oder sind es die klügeren "hohen Tiere"? Von ersteren hört man mehr... aber sind es auch mehr? Ich bezweifle es.
Ich habe auch keine Statistiken, gehe aber davon aus, das es wesentlich einfacher ist, das Kanonenfutter zu rekrutieren als einen etablierten Menschen, der ja auch einiges zu Verlieren hätte. Anders sieht es natürlich bei denen aus, die in den Strukturen klare Nutzniesser sind, was Geld und Macht angeht. Aktuell lässt sich ja eine Menge Kohle machen, indem man marode Immobilien über Wert kauft und die Antinazihysterie dann nutzt um zu propagieren, das dort dan nein Schulungszentrum entstehen soll. Bisher wurde jedes noch so brüchige Häuslein dann doch noch zum überhöhten Preis von den betroffenen Gemeinden gekauft, um nur ja kein Nazizentrum entstehen zu lassen. Entsprechende Überweisungen des Hausverkäufers an den angeblich kaufwilligen Braunen wurden schon nachgewiesen. Auch dort also ist so Einiges aus dem Gleichgewicht geraten und statt Denken regiert die Hysterie.
Nein. Ich halte dieses Bild von den wenigen "hohen Tieren" und den vielem Kanonenfutter nur für arg vereinfacht.
In Relation sind es nunmal wenige. Aber da stellt sich natürlich die Frage, wen man diesen Gruppierungen zuordnet, wo die Grenze ist.
Was die "Erbschuld" angeht, mal eine Art vereinfachtes Bild:
Angenommen Dein Vater hätte jemandem viel Geld gestohlen. Du bist aufgrund dieses Geldes immernoch reich. Es hat Dir vielleicht eine gute Ausbildung ermöglicht, Du bist in Wohlstand aufgewachsen etc. Dem Sohn des bestohlenen geht es nicht ganz so gut. Du hast an dem Diebstahl Deines Vaters nicht die geringste Schuld. Würdest Du Dich nicht dennoch dem Sohn des Bestohlenen in irgendeiner Art schuldig gegenüber fühlen? Würdest Du nicht versuchen wollen, das Unglück, was ihm wiederfahren ist, irgendwie wieder gutzumachen?
Erstens: mein Opa. Zweitens: eben nicht einer aus meiner Familie einem anderen Menschen sondern die Väter vieler Familien auf Befehl eines unmenschlichen Systems anderen Menschen. Keine persönliche Bereicherung, keine persönliche Bindung. Die sogenannte BRD ist ausserdem eben kein Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches. Dein Vergleich ist zwar in der Sache scheinbar passend, greift aber nicht auf eben der persönlichen Ebene, die Du mit ihm suggerierst.
Und nein, ich fühle mich nicht persönlich schuldig. Ich glaube weder an Karma noch an Erbsünde noch an "Volksschuld".
Es bleibt dann auch immer die Frage, ab wann denn mal diese Erbschuld verjährt sein soll. Im Falle USA hats ja nicht mal 5 Minuten lang gedauert.Auch die späteren Völkermorde anderer Staaten zählen irgendwie nicht als Grund für irgendwelche Denkmäler oder Zahlungen.
Wann also? Wieviel Jahre oder Generationen bezogen auf die Zahl der Mordopfer gelten da als Standard?
Ja, das ist verdammt kalt und zynisch. Wie alles, was damit zusammenhängt, aus Mordopfern noch Geld rauszupressen.
Dem jüdischen Volk (und nicht nur denen) ist weitaus mehr angetan worden, als ein Diebstahl. Da fände ich gewisse Reparationsforderungen oder eine Art "Schuldbewusstsein" durchaus gerechtfertigt.
Und genau das ist mein Punkt: UND NICHT NUR DENEN.
Also statt "wehret den Antisemiten" vielleicht endlich mal "wehret den Rassisten". Bewusstsein schaffen, wie solche Ausgrenzungen samt allen Folgen beginnen, nach welchen Strukturen und Alarmsignalen man suchen muss.
Ich in der dritten Generation nach dem Massenmord sehe mich nun mal nicht mehr als schuldig an, umso mehr als, wie bereits erwähnt, mein einer Opa schon 1938 im Osten fiel, und mein anderer wegen einer angeborenen Wirbelsäulenskolliose beinahe selbst als "unwertes Leben" ermordet worden wäre. Trotzdem wird auch von meinem Geld für das gezahlt, was die Vorfahren anderer Mitbürger getan haben.
Das soll gerecht sein?