Hi TDW,
Natürlich ist es schwierig, hier Tipps geben zu wollen. Vor allem auch deshalb, weil ich definitiv nicht allzu viel mehr Erfahrung habe als du.
Wie gesagt: Du scheinst sehr viel schneller sehr viel mehr "zu erleben" als ich in der Meditation. Bei mir kommt auf 1000 Meditationen ca. 2 Erlebnisse, welche in irgendeinem Sinne herausragend sind. Und das ist gut so, ich wünsche gar nichts anderes, denn ich meditiere ja nicht, um irgendwelche Action zu erleben, sondern einfach an der Freude am Meditieren, das heisst, an der Freude daran, bewusst Zeit dafür aufzuwenden um nach innen zu blicken und um ruhig zu werden. Es ist das Stillwerden, das mir eigentlich am wichtigsten ist.
Wenn solcherlei auftritt, wie du es schilderst, dann haben anscheinend viele Menschen ein Mitteilungsbedürfnis. Sie möchten ihre Erfahrungen mit andern teilen, darüber sprechen und ihre Unsicherheiten loswerden, das ging mir genau gleich. Problem ist aber, dass ein Grossteil des Umfelds diesbezüglich keinerlei Vorstellungen hat, keinerlei Erfahrung, was einem in der Meditation alles widerfahren kann. Dann ist entweder ungläubiges Staunen angesagt oder in besserem Falle vorsichtiger Skeptizismus oder einfach nur Ablehnung.
Anscheinend hast du einen Freund, der dich diesbezüglich ernst nimmt, das ist sicher was wert.
Ich möchte dich aber offen vor Meditation auch warnen: Meditation kann gefährlich sein, denn sie kann den Menschen psychisch überfordern. Ich kann selbstverständlich deine Psyche in keinster Weise übers Forum beurteilen, aber ich möchte dich einfach auf diesem Umstand aufmerksam machen. Es gibt Leute, die beginnen zu meditieren, lernen den dort erfahrbaren Frieden kennen und sind im Anschluss dermassen fasziniert, dass sie alles im Leben komplett vergessen. Sie ziehen sich zurück, meditieren nur noch vor sich hin, vernachlässigen ihre Rolle in der sozialen Umwelt komplett. Sie essen und trinken nicht mehr richtig (vernachlässigen den eigenen Körper - immerhin der wunderbare Träger unseres Geistes!), sie unternehmen nichts mehr mit Freunden usw. Das ist mit Sicherheit nicht gesund und ich denke es ist wichtig, dass man sich selbst und sein Verhalten regelmässig überprüft.
Mich haben auch schon starke Phasen von "Depersonalisierungsgefühlen" heimgesucht. Es ist eine Art extremer Langeweile. Nichts interessiert einen dann, jede Armbewegung kostet enorme Willensanstrengung und man fragt sich dauernd, welchen Sinn jede weiter Bewegung hat. Man lebt wie ein Roboter und die ganze Welt sieht aus wie eine Roboterwelt. Das kann v.a. auftreten, wenn man sich nicht genügend regelmässig geerdet hat und tritt bisweilen auch einfach so auf. Diese Phase ist eindeutig gefährlich.
Als ganz einfache Grundregel nehme ich: Meditation führt dich letztlich immer ins Hier und Jetzt. Jede Meditation die dich an einen andern Ort führt, ist mit Vorsicht zu betreiben. Wenn Meditation Gefühle von Langeweile oder Depersonalisierung auslöst, dann läuft irgendwas falsch. Ein guter Lehrer kennt die möglichen mit der Meditation verbundenen Gefahren und kann dich anleiten. Es kann allerdings u.U. schwierig sein, einen solchen zu finden.
Zu dem von dir beschriebenen Phänomen kann ich nichts sagen, das ist mir unbekannt. Allgemein gibt es aber, wenn man entsprechenden Quellen glauben kann, auf der Erfahrungsstufe, auf welcher du dich jetzt befindest eine sehr grosse Menge an unterschiedlichen Phänomenen und möglichen Erfahrungen. Das können alle Arten von Erscheinungen sein: Klänge, Bilder, Gerüche, Erlebnisse bei welchem sich der Geist (anscheinend) aus dem Körper löst, Lichterscheinungen, Begegnungen mit Engelwesen und ähnliches. Anscheinend spielt der soziale Kontext, die Kultur, die Charakterstruktur des Menschen usw. eine gewisse Rolle dabei.
Dein Verhalten fällt dir bereits selbst auf. Während du auf der einen Seite tiefe Glücksgefühle hast, blaffst du am nächsten Tag deine Mitmenschen harsch an, vielleicht gar wegen irgendeiner Nichtigkeit. Auch das ist mehr oder minder typisch, geht mir bisweilen gleich. Ich halte diesen Punkt ehrlich gesagt für den wichtigeren und zentraleren, als das von dir beschriebene Phänomen. Das Phänomen ist nur ein Phänomen, dein Verhalten lässt aber Rückschlüsse auf dich selbst und deine psychische und seelische Verfassung zu.
Erst einmal siehst du, dass Meditation wirkt. Nicht bloss wegen dem von dir beschriebenen Phänomen, sondern auch weil du dir plötzlich der Diskrepanz in deinem eigenen Verhalten BEWUSST wirst. Glücksgefühle hier, Wutausbruch dort. Der entscheidende Punkt ist: Höchstwahrscheinlich reagiertest du auch früher immer schon auf diese Weise, bloss bemerktest du das zuvor nie! Meditation macht den Menschen sensibler für die Innenwelt, dazu gehört auch die Gefühlswelt. Plötzlich beginnst du dich auch im Alltag stärker "von aussen" zu beobachten, wie du in der Meditation auch "unbeteiligter Beobachter" bist. Dadurch lernst du plötzlich eine Menge von Dingen kennen, die dir an dir selbst zuvor nie aufgefallen sind.
Du siehst also beispielsweise, dass du deine Reaktionen auf andere Menschen nur teilweise unter Kontrolle hast. Das ist schon mal wichtig zu sehen. Der Mensch kann sich selbst nur ungenügend kontrollieren.
Eine weitere Erkenntnis ist, dass TROTZ der Glücksgefühle, du bisweilen wütend/traurig/frustriert sein kannst. Das ist sehr wichtig zu sehen. Egal wieviele schöne Erfahrungen du in Meditation jemals auch machen wirst, sie werden nie die Kraft haben, all die "negativen Seiten" in dir auszumerzen! Auch nach hundert Jahren Meditation trifft dich der Tod eines Freundes noch immer schmerzhaft. Auch nach hundert Jahren Meditation hast du plötzlich wieder Angst vor irgendwas. Der Grund ist einfach der: Du bist ein Mensch, und zum Menschsein gehören all diese Seiten!
All die Glücksgefühle sind letztlich nur EFAHRUNGEN, also immer vergänglich. Ich kann dir jetzt schon sagen, dass irgendwann auch Phasen der Frustration kommen werden. Darauf kommen irgendwann wieder Phasen von Glücksgefühlen. So schwankt das ständig hin und her. Wie auch der Ärger, wenn du jemanden anblaffst, letztlich eine blosse ERFAHRUNG ist. Es gibt aber einen gemeinsamen Kern, nämlich DU SELBST, der all diese Erfahrungen macht. Die Erfahrungen kommen und gehen wieder, aber DU SELBST bleibst immer dieselbe. Darum darf man die Erfahrungen gerne als Geschenk nehmen, aber sie sind es nicht wert, dass man sich allzu sehr auf sie verlässt oder sich an sie hängt.
Greetz fckw