Hallo Cruyr,
vielen Dank für Deinen Post, er hat mich gerade wieder sehr zum Nachdenken gebracht (uiui, dabei müßte ich am Schreibtisch sitzen....)
Cruyr schrieb:
Das ist eigenartig. Ich würde meinen: wenn es verletzt, ist es Liebe.
Warum?
Ich meine, Du kannst nur verletzt werden, wenn Deine Erwartungen und Bedürfnisse nicht erfüllt werden, Deine Regeln gebrochen werden. Das aber sind Einrichtungen des Egos, nicht der Seele. Wenn Du liebst, möchtest Du geben, ohne dass Du etwas zurück erwartest (sehr hohes Ideal, ich weiss...). Wenn Du es doch bekommst, ist es ein zusätzliches Geschenk, Grund für Dein Handeln ist jedoch Liebe zum anderen.
Cruyr schrieb:
Liebe und Angst sind schon Gegensätze, aber sind sie nicht auch innig miteinander verbunden? Wäre mir ein Mensch gleichgültig, würde ich doch nicht Angst haben, ihn zu verlieren.
Somit sind Verlustängste doch der Beweis, daß es Liebe ist, oder etwa nicht?
Liebe hat sehr viel mit Loslassen zu tun. Loslassen und Vertrauen. Wenn Du liebst, kannst Du nichts verlieren. Das ist ein irgendwie sehr schräges Gefühl, und sehr abstrakt, ich weiss nicht, ob ich das in Worte packen kann (da fehlt mir ne Mond-Merkur-Verbindung

) Die Liebe des anderen ist ein Geschenk, das Dir freiwillig gegeben wird, zutiefst freiwillig. Wenn die Liebe gegangen ist und der Mensch sich entschließt, Dich nicht mehr zu lieben, verlierst Du nichts, denn die Liebe hat Dir nie gehört, sie wurde Dir geschenkt. Wenn die Liebe gegangen ist, ist sie ja nicht mehr da, somit gibt es nichts, was Du Dir zurückwünschen kannst. Was Du tatsächlich verlierst, ist eine schöne Zeit, ein schönes Gefühl (und je nach Verbandelung Wohnung, Geld, Freunde etc), aber letztlich nur das drumherum, und die Vergangenheit. Ich glaube, es ist ganz essentiell zu verstehen, dass Liebe niemals erzwungen, eingefordert, durch Überzeugungsarbeit gewonnen oder sonstwas werden kann. Und wenn man das wirklich verinnerlicht hat, kann sich Gelassenheit und Vertrauen einstellen. Der Abschied fällt nachher leichter, denn dann ist alles ganz genau so, wie es sein soll und gedacht ist.
Cruyr schrieb:
Ganz abgesehen davon, daß man auch Angst hat, einem geliebten Menschen könne etwas zustoßen.
Das habe ich mißverständlich ausgedrückt: ich meinte mit Angst Verlustangst, die Angst, dass der andere (freiwillig, nciht aus höherer Gewalt) geht, die Angst, dass ich in der Beziehung das nicht bekomme, was ich will, dass meine Bedürfnisse nicht befriedigt werden, die Angst, verletzt zu werden. Du meinst die Angst um einen geliebten Menschen. Die Sorge, wenn er krank ist, in ein einmotoriges Flugzeug steigt oder sturzbetrunken auf ner Mauer balanciert, ist ausdrücklich nicht gemeint
Cruyr schrieb:
Wie, das ist keine Liebe, sondern nur Habgier und Egoismus?
Ja! Habgier ist ein schönes Wort in dem Zusammenhang. Ich habe das für mich als "Haben-wollen" identifiziert. Haben-wollen und Liebe sind zwei völlig verschiedene Dinge. Ersteres kann auch funktionieren, wenn man eine bewußte Entscheidung füreinander trifft. Funktionieren im Sinne einer Partnerschaft, meine ich jetzt. Während Liebe andersrum manchmal auch nicht ausreicht oder "unpassend" erscheint.
Cruyr schrieb:
Ist aber Egoismus nicht auch Liebe? Zu sich selbst, zu seiner Person. Heißt es nicht, man müsse sich selbst lieben, um einen anderen lieben zu können? Nur wer (auch sich selbst) liebt, kennt Angst. Wenn ich mir egal wäre weshalb sollte ich fürchten, daß mir etwas zustößt, etwa einen geliebten Menschen zu verlieren? Ich meine: wo Angst ist, da ist auch Liebe, und wo Liebe ist, dort ist Angst.
Wie gesagt, ich meinte nicht die existenzielle Angst um jemanden. Die steigt glaube ich auch eher proportional zur Liebe an

Die Urangst um einen geliebten Menschen ist sicher nirgendwo besser zu erkennen als bei Eltern...meine Mutter meinte mal zu mir, ab dem Moment, wo das Kind da ist, hast Du für den Rest Deines Lebens Angst.
Egoismus ist denke ich falsch verstandene Selbstliebe. Es ist eine Kompensation für Leere. Er ersetzt nicht Selbst-Gewahrheit (gibts das Wort?) und - bewußtsein. Das mit der Selbstliebe als Voraussetzung für die Liebe...hmm, ja, ich denke, das ist so. Darüber denke ich im Moment sehr viel nach. Es wird immer gesagt, und ich finde das auch sehr nachvollziehbar. Bei fehlender Selbstliebe entsteht Bedürftigkeit und Abhängigkeit, wie Gabriella schon schrieb, die Erwartung, dass der andere die Lücken füllt. Ich weiß aber nie so genau, wie weit diese Selbstliebe reichen "muss". Ob vielleicht das reine mit sich und der Welt im Frieden leben ausreicht? Denn ich erlebe es gerade andersrum, oder vielleicht auch eigentlich nicht. Andersrum meint, unter der Liebe meines Partners wachse und gedeihe ich, werde immer mehr ich selbst, werde heil und ganz, ohne vorher kaputt gewesen zu sein. Ich komme immer mehr zu selbst, das Gegenteil von Bedürftigkeit, finde die Ganzheit in mir selbst. Da muss aber vorher ein gesunder Kern vorhanden gewesen sein, sonst wäre er mir nicht begegnet. Vielleicht ist auch die Liebesfähigkeit an sich das entscheidende, denn die ist bei mir durchaus ordentlich vorhanden. Selbstliebe spüre ich bewußt aber erst seit kurzem, vielleicht ist aber auch eigentlich ein unspektakuläres, bescheidenes Gefühl.
Cruyr schrieb:
Angst ist Abneigung. Abneigung ist Zuneigung von hinten gesehen. Eine Zuneigung ohne Abneigung ist keine Zuneigung mehr. Liebe ohne Haß und Angst ist keine Liebe.
Det verstehe ich nicht. Könntest Du mir das erklären? Ich kenne es eben andersrum. Ich kenne Hass in allen Derivaten, Angst, Verlustangst, Zorn, Wut, unerfüllte Erwartungen, Forderungen, Regeln, Beleidigtsein, Machtkämpfe, Konkurrenzen etc., all die Krankheiten des verletzten Egos, nur aus diesen Haben-wollen-Geschichten. Eben nicht von der wahrhaften Liebe. Das heißt nicht, dass man alles toll findet und gut heißt und keine Grenzen setzt. Aber man handelt stets mit einem liebenden Herzen, zum Wohle (auch) des anderen, nicht zur Befriedigung des eigenen Egos.
Aber: ich würde Verlustangst immer ernst nehmen. Angst ist ein wertvoller Seismograph für drohende Gefahr. Ich persönliche kenne nur berechtigte Verlustangst. In dunklen Jahren, in denen ich mir gegenüber feindselig eingestellt war und die Bestrafung im Außen erschaffen habe. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, dass man sie als ständigen Begleiter installieren kann, auch ohne äußeren Anlaß, der dann aber alsbald nachgereicht werden wird. Daher würde ich schon sagen, dass es bei Empfinden von Verlustangst an Selbstliebe mangelt, denn mag man sich, läßt man einen potentiellen Auslöser nicht in sein Leben.
Viele Grüße
lady s.