In diesem Thread hätte ich vor, ein paar Gedanken über die Möglichkeiten des Menschen zu sammeln, bzw. über seine Wünsche und Fähigkeiten.
Einfachheitshalber gliedere ich den Gesprächsgegenstand, also den erlebten Stoff, in drei Bereiche. Das Selbst, das Fremd und die Umwelt. (Falls jemand an dieser oder anderen Stellen eine bereits irgendwo existierende und explizit dargelegte Theorie erkennt, freue ich mich über einen Wink.)
Nun, die Voraussetzung für jedes Tun ist bekanntlich der Wille. Was will der Mensch also, dass er, seine Gesellschaft und seine Umwelt es sind?
Ich denke, es wird nicht ganz korrekt sein, zu behaupten, dass jeder Mensch eine bestimmte Zeit, und zwar die die man gewöhnlich, als die "Blüte seiner Jahre" bezeichnet, für die allerbeste hält. Dennoch wage ich es. Ich weiß, dass viele gern widersprechen - sie stünden zu ihren grauen Haaren, sie mochten ihre ausgefallenen Zähne, in dem Sinn dass sie rausgefallen sind, ihre Falten usw. Meistens heißt es noch - weil so viele Erinnerungen daran hängen.
Es hat also den Anschein, dass Erinnerungen wichtig sind. Vermutlich zuerst gute Erinnerungen. Erinnerungen an Familie und Bekannte, Erinnerungen an Sprachen, witzige Pointen und Fertigkeiten. Mit Erinnerungen ist zum großen Teil der soziale Status eines Menschen verknüpft. ...Einmal spazierte ich mit zwei Mitschülern an der Spree in Berlin. Wir hatten an dem Tag einen Klassenausflug. Und in der Mittagszeit hatte keiner von uns genug Geld mit. Wir gingen an zahlreichen Cafes vorbei und beobachteten, wie dort auf den Terrassen so gut wie ausschließlich Senioren speisten und Kaffée tranken. Wir stellten damals fest, dass verhängnissvollerweise während der Mensch das Geld braucht, keines da ist und wenn es ausreicht, er damit schon nichts mehr anfangen kann.
Wie gut und nützlich der soziale Status, Geld, Anerkennung und Geschicklichkeit auch sein mögen - keiner wird abstreiten, dass Schönheit und Gesundheit von allen begehrte Eigenschaften und eher Attribute der Jugend sind und selten des Alters.
Eine Synthese aus diesen beiden, scheinbar entgegengesetzten Eigenschaften ist das, was man gewöhnlich unter dem Begriff "Ewige Jugend" bezeichnet.
Der Wille des Menschen ist stets an seinen Sinn für Ästhetik gebunden und von ihm sogar abhängig. Das ästhetische Empfinden mag bei allen verschieden sein oder nicht, es ist stets das, was man unter anderen Umständen mit Intuition gleich setzt. Intuition und Ästhetik spielen deshalb auch eine große Rolle bei der Wahl des Lebensraumes und der Mitmenschen.
Mag man sich wundern oder nicht, aber das Natürliche und Primitive war schon immer das Sinnbild des Schönen. Die Lebensräume des Menschen können verschieden sein und von öden Wüsten bis über die felsigen Berge zu sumpfigen Wäldern und Tundragebieten reichen - wo der Mensch auch wäre, versucht er sein Appartement, Schloss oder Haus mit einem Zweig, einer Blüme oder einem Stein zu schmücken. Mögen die Meinungen auch hier auseinander gehen, wenn jemand doch lieber Polyester statt Baumwolle trägt. Doch auch in anderen Bereichen geht der Trend, wie es mir scheint, eher in Richtung naturbelassene Lebensmittel statt künstliche, natürliche und ganzheitliche Heilverfahren statt konservative usf.
Ob Wildbrett oder ein Haus auf einer Südseeinsel, Natur und naturnahes sind gefragt. Nach 100.000 geschätzten Jahren der Menschheitsgeschichte, den drößten Teil derer der Mensch im Vergleich zu Heute in purer Wildnis verbracht hat, ist dies auch nur mehr als verständlich.
Bei der ganzen Sache gibt es nur ein Problem: Es nicht genug natürliche Plätze, auf denen man heute glücklich überleben könnte, d.h. ausreichend ernährt und warm und sauber behaust, von einer schönen Aussicht erstmal gar zu schweigen. Die meisten dieser paradiesischen Orte sind dabei gar nicht so weit (Paradies heißt übrigens Garten), nur sind sie schon meistens industriell besetzt, verpestet und, pardon, verseucht.
Und ohne die Industrie wäre das Überleben so vieler, wie wir heute es sind - nicht möglich. Das übliche Dilemma: mit der Industrie - viel, aber schlechte Qualität, handgemacht - gute Qualität, aber wenig. Dazu kommt noch die Frage, ob auch die Wenigen ohne moderne Technologien überleben könnten.
Deshalb ist hier ein wichtiger Punkt: Was wünscht sich jeder einzelne Mensch, von wievielen anderen möchte er umgeben sein und von wem? "Wer nie sein Brot in Tränen aß, wer nie die kummervollen Nächte auf seinem Bette weinend saß, der kennt euch nicht, Ihr himmlischen Mächte. ...", hat seinerzeit tantriker Goethe geschrieben und sicher glorifizierte er damit nicht die Eucharistie - denn dann hätte er wenigstens formuliert "wer nie die kummervollen Nächte in seiner Kirche weinend saß." Und in der Tat, welchen Stellenwert haben Religion, Staatswesen und Gesellschaft in den menschlichen Träumen und Sehnsüchten? Bisher sind die meisten Religionen mehr oder weniger dafür bekannt, dass sie ein sicheres Mittel versprechen, wie man eine Gottheit, die mit allmächtigen Fähigkeiten ausgestattet ist, nachhaltig und effektiv zu seinen Gunsten, oder zum Nachteil anderer, manipuliert. Noch nie ist mir zu Ohren gekommen, dass irgendeine Religion eine Gottheit ausschließlich deshalb angebetet, oder ein anderes Zeremoniell für sie abgehalten hat, weil es dieser Gottheit gefallen hätte und diese Gottheit dann, entweder weil sie es nicht wollte oder nicht konnte, nichts zugunsten dieser Ergebenen tun würde.
Ich erinnere mich auch an einen exemplarischen Dialog, den ich über das Verhältnis zwischen Gott und Menschen mit einem Zeugen Jehovas geführt habe: Der junge Mann sagte zu mir, dass Jahwe sich freut, wenn man zu ihm betet. Ich entgegnete, dass er davon doch nichts haben kann. "Und außerdem bin ich nur ein Mensch. Was soll er denn mit mir?" Darauf antwortete er: "Wenn du deiner Mutter als kleiner Junge ein Bild gemalt hast, war das Bild doch auch unvollkommen? Und trotzdem hat sich deine Mutter darüber gefreut!" Nun, sagte ich, jemand der mich liebt, freut sich am meisten dann, wenn ich mich freue, ganz egal was ich dabei mache. Und darauf hatte er keine Antwort. - Religion ist heute ein Geschäftsmodell.
Doch mag sein, dass Religionen, oder religionsähnliche Gemeinden früher einfach Diskussions und Aktionskreise zur Ergründung der Welt und der menschlichen Natur waren und ausschließlich zum Wohle des Individuums und nicht erstrangig der Gemeinschaft - ähnlich wie diese Diskussion hier. Demnach wären die Inhalte der jew. heiligen Schriften lediglich als Vorschläge und Denkanstöße gedacht, welche die Zugehörigkeit zu ihrer Gruppe nicht definierten und welche durch neue Vorschläge sogar bereichert werden konnten. Mag deshalb auch sein, dass diese dort beschriebenen Handlungen nicht ein Mittel zum Zweck waren: Tun - Belohnung, sondern einen Selbstzweck erfüllten. So gesehen wäre zum Beispiel das Beten besonders genussvoll, oder das Beichten und das Küssen der Heiligen Pantoffel.
Man sollte sich einen Mann vorstellen, der sein Leben lang an Maschinen arbeitet. Alle diese Maschinen funktionieren ein wenig individuell, die eine besser, die andere schlechter und so könnte es sein, dass dieser Mann zu manchen von ihnen sogar eine besondere Zuneigung empfindet. Mitunter ist dieser Mann von der einen Maschine so stark enerviert, dass er eine schon fast animalische Freude empfindet, wenn er eine besser funktionierende Maschine bedienen darf, vielleicht sogar schon, wenn er an sie nur denkt - und nicht desto trotz, ist seine Freude am größten, wenn er nach Feierabend die Fabrik verlässt.
Man erkennt mit bloßem Auge, dass die Säulen jeder Religion nicht nur das übersinnliche Wesen eines Gottes sind, sondern auch die Herde. Es ist bekanntlich so, dass der Mensch sich nahezu an jeden sozialen, und nicht nur sozialen, Mechanismus anpassen kann, um daraus seinen Vorteil zu gewinnen. Sogar in KZ's fanden sich Kollaborateure, um ein bisschen mehr Freiheit oder Verpflegung zu erhalten, dafür unterstützten sie eine der verächtlichsten Ideologien. Ein Mensch der überleben will, entscheidet sich immer für die Sachen, an die er glaubt und von denen er meint, dass sie ihm zum Vorteil gereichen. So wird ein mancher Gefangener mit seinen Wächtern durchaus ein Gespräch führen und sich über das Essen beschweren, und sogar annehmen, dass seine Beschwerde ernst genommen wird, während er doch unter anderen Umständen seinen Peinigern ein jähes Ende wünscht.
Auch das soziale Umfeld einer Person, Familie, Geschwister, Verein, Partei, Volk - ist ein Instrument, dessen Benutzung das Überleben sichert und wo jeder, der aus seiner ihm bestimmten Rolle fällt, sofort seine Angehörigen, seine Ehre und Ansehen, seine Freiheit und Mittel und manchmal auch sein Leben verliert. Somit wird das Gesellschaftsmitglied reduziert auf nur einen Teil seiner Persönlichkeit, der verlangt wird, wo doch das ästhetische Empfinden jedem Menschen signalisiert, dass ein "halber" Mensch etwas unvollkommenes und degradiertes ist. - Ja, es wird nur wenigen Menschen beschert, als vollkommenes Ganzes wahrgenommen zu werden. Keine Eltern, Geschwister, Kinder, Freunde, Vereinsmitglieder oder Politiker genießen eine ähnlich erotische Stellung wie Ehepartner und Geliebte. Nur Schauspieler und Popstars kommen diesen nahe - und ob ein Gott und welcher, dieser ehrenvollen Stellung teilhaftig wird, kann ich nicht beantworten.
Ein Gott als vollkommenes, vielleicht menschliches Wesen, gilt gerne als Vorbild, sofern es sich nicht um eine Gottheit eines anderen Geschlechtes handelt. Für Letztere und für manche Götter, die überhaupt kein Geschlecht haben, gilt trotzdem partiell das folgend gesagte: Das alleinige Denken an eine übernatürliche Kraft und ihre Nähe assoziiert schon einen Sieg über die ganzen Weltprobleme. Denn wer sonst, wenn nicht der Allmächtige ist imstande alle Schwierigkeiten zu meistern und so einen Pfad zum Glück zu treten, dem man dann nur zu folgen braucht. Auch die Nähe eines zornigen Gottes ist ein Zeichen von Überlegenheit gegenüber all denjenigen, die seinem Zorn zum Opfer fielen - dass dieser Gott dabei kein besonderer Freund sein muss, versteht sich von selbst. Und schließlich ein helfender Gott - ist ein sehr beruhigender Faktor. Aber kann das alles das Ziel und der Wunsch eines tapferen, selbstständigen und seinem Schicksal vertrauenden Menschen sein?
Gott figuriert immer als ein vollkommener und uninteressanter und genaugenommen überflüssiger Konkurrent - wogegen ein geliebter Mensch stets etwas mystisches bleibt. "Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis; das Unzulängliche, hier wird's Ereignis; das Unbeschreibliche, hier ist's getan; das Ewig-Weibliche zieht uns hinan."
Kaum ein Mensch will etwas kompliziertes und außergewöhnliches, sei es Technik oder Verhaltenskodex. Bei genauerer Betrachtung sieht man, dass sogar die Sprache meist eher ein Instrument und die Folge einer resignierten Anpassung ist, als ein Zeichen der Selbstverwirklichung. Dabei wäre es durchaus möglich, das wenige was den Alltag eines Paares oder einer Personengruppe betrifft, soweit vorauszusehen, das das Sprechen überhaupt überflüssig wäre.
Das Ideal und die Wirklichkeit des menschlichen Lebensraumes und der Lebensart driften also hypokritisch auseinander. Hat es eine Auswirkung darauf, dass auch das Selbst so oft, - Susi ist sterblich. Susi ist ein Mensch -, nicht genügt?
Einfachheitshalber gliedere ich den Gesprächsgegenstand, also den erlebten Stoff, in drei Bereiche. Das Selbst, das Fremd und die Umwelt. (Falls jemand an dieser oder anderen Stellen eine bereits irgendwo existierende und explizit dargelegte Theorie erkennt, freue ich mich über einen Wink.)
Nun, die Voraussetzung für jedes Tun ist bekanntlich der Wille. Was will der Mensch also, dass er, seine Gesellschaft und seine Umwelt es sind?
Ich denke, es wird nicht ganz korrekt sein, zu behaupten, dass jeder Mensch eine bestimmte Zeit, und zwar die die man gewöhnlich, als die "Blüte seiner Jahre" bezeichnet, für die allerbeste hält. Dennoch wage ich es. Ich weiß, dass viele gern widersprechen - sie stünden zu ihren grauen Haaren, sie mochten ihre ausgefallenen Zähne, in dem Sinn dass sie rausgefallen sind, ihre Falten usw. Meistens heißt es noch - weil so viele Erinnerungen daran hängen.
Es hat also den Anschein, dass Erinnerungen wichtig sind. Vermutlich zuerst gute Erinnerungen. Erinnerungen an Familie und Bekannte, Erinnerungen an Sprachen, witzige Pointen und Fertigkeiten. Mit Erinnerungen ist zum großen Teil der soziale Status eines Menschen verknüpft. ...Einmal spazierte ich mit zwei Mitschülern an der Spree in Berlin. Wir hatten an dem Tag einen Klassenausflug. Und in der Mittagszeit hatte keiner von uns genug Geld mit. Wir gingen an zahlreichen Cafes vorbei und beobachteten, wie dort auf den Terrassen so gut wie ausschließlich Senioren speisten und Kaffée tranken. Wir stellten damals fest, dass verhängnissvollerweise während der Mensch das Geld braucht, keines da ist und wenn es ausreicht, er damit schon nichts mehr anfangen kann.
Wie gut und nützlich der soziale Status, Geld, Anerkennung und Geschicklichkeit auch sein mögen - keiner wird abstreiten, dass Schönheit und Gesundheit von allen begehrte Eigenschaften und eher Attribute der Jugend sind und selten des Alters.
Eine Synthese aus diesen beiden, scheinbar entgegengesetzten Eigenschaften ist das, was man gewöhnlich unter dem Begriff "Ewige Jugend" bezeichnet.
Der Wille des Menschen ist stets an seinen Sinn für Ästhetik gebunden und von ihm sogar abhängig. Das ästhetische Empfinden mag bei allen verschieden sein oder nicht, es ist stets das, was man unter anderen Umständen mit Intuition gleich setzt. Intuition und Ästhetik spielen deshalb auch eine große Rolle bei der Wahl des Lebensraumes und der Mitmenschen.
Mag man sich wundern oder nicht, aber das Natürliche und Primitive war schon immer das Sinnbild des Schönen. Die Lebensräume des Menschen können verschieden sein und von öden Wüsten bis über die felsigen Berge zu sumpfigen Wäldern und Tundragebieten reichen - wo der Mensch auch wäre, versucht er sein Appartement, Schloss oder Haus mit einem Zweig, einer Blüme oder einem Stein zu schmücken. Mögen die Meinungen auch hier auseinander gehen, wenn jemand doch lieber Polyester statt Baumwolle trägt. Doch auch in anderen Bereichen geht der Trend, wie es mir scheint, eher in Richtung naturbelassene Lebensmittel statt künstliche, natürliche und ganzheitliche Heilverfahren statt konservative usf.
Ob Wildbrett oder ein Haus auf einer Südseeinsel, Natur und naturnahes sind gefragt. Nach 100.000 geschätzten Jahren der Menschheitsgeschichte, den drößten Teil derer der Mensch im Vergleich zu Heute in purer Wildnis verbracht hat, ist dies auch nur mehr als verständlich.
Bei der ganzen Sache gibt es nur ein Problem: Es nicht genug natürliche Plätze, auf denen man heute glücklich überleben könnte, d.h. ausreichend ernährt und warm und sauber behaust, von einer schönen Aussicht erstmal gar zu schweigen. Die meisten dieser paradiesischen Orte sind dabei gar nicht so weit (Paradies heißt übrigens Garten), nur sind sie schon meistens industriell besetzt, verpestet und, pardon, verseucht.
Und ohne die Industrie wäre das Überleben so vieler, wie wir heute es sind - nicht möglich. Das übliche Dilemma: mit der Industrie - viel, aber schlechte Qualität, handgemacht - gute Qualität, aber wenig. Dazu kommt noch die Frage, ob auch die Wenigen ohne moderne Technologien überleben könnten.
Deshalb ist hier ein wichtiger Punkt: Was wünscht sich jeder einzelne Mensch, von wievielen anderen möchte er umgeben sein und von wem? "Wer nie sein Brot in Tränen aß, wer nie die kummervollen Nächte auf seinem Bette weinend saß, der kennt euch nicht, Ihr himmlischen Mächte. ...", hat seinerzeit tantriker Goethe geschrieben und sicher glorifizierte er damit nicht die Eucharistie - denn dann hätte er wenigstens formuliert "wer nie die kummervollen Nächte in seiner Kirche weinend saß." Und in der Tat, welchen Stellenwert haben Religion, Staatswesen und Gesellschaft in den menschlichen Träumen und Sehnsüchten? Bisher sind die meisten Religionen mehr oder weniger dafür bekannt, dass sie ein sicheres Mittel versprechen, wie man eine Gottheit, die mit allmächtigen Fähigkeiten ausgestattet ist, nachhaltig und effektiv zu seinen Gunsten, oder zum Nachteil anderer, manipuliert. Noch nie ist mir zu Ohren gekommen, dass irgendeine Religion eine Gottheit ausschließlich deshalb angebetet, oder ein anderes Zeremoniell für sie abgehalten hat, weil es dieser Gottheit gefallen hätte und diese Gottheit dann, entweder weil sie es nicht wollte oder nicht konnte, nichts zugunsten dieser Ergebenen tun würde.
Ich erinnere mich auch an einen exemplarischen Dialog, den ich über das Verhältnis zwischen Gott und Menschen mit einem Zeugen Jehovas geführt habe: Der junge Mann sagte zu mir, dass Jahwe sich freut, wenn man zu ihm betet. Ich entgegnete, dass er davon doch nichts haben kann. "Und außerdem bin ich nur ein Mensch. Was soll er denn mit mir?" Darauf antwortete er: "Wenn du deiner Mutter als kleiner Junge ein Bild gemalt hast, war das Bild doch auch unvollkommen? Und trotzdem hat sich deine Mutter darüber gefreut!" Nun, sagte ich, jemand der mich liebt, freut sich am meisten dann, wenn ich mich freue, ganz egal was ich dabei mache. Und darauf hatte er keine Antwort. - Religion ist heute ein Geschäftsmodell.
Doch mag sein, dass Religionen, oder religionsähnliche Gemeinden früher einfach Diskussions und Aktionskreise zur Ergründung der Welt und der menschlichen Natur waren und ausschließlich zum Wohle des Individuums und nicht erstrangig der Gemeinschaft - ähnlich wie diese Diskussion hier. Demnach wären die Inhalte der jew. heiligen Schriften lediglich als Vorschläge und Denkanstöße gedacht, welche die Zugehörigkeit zu ihrer Gruppe nicht definierten und welche durch neue Vorschläge sogar bereichert werden konnten. Mag deshalb auch sein, dass diese dort beschriebenen Handlungen nicht ein Mittel zum Zweck waren: Tun - Belohnung, sondern einen Selbstzweck erfüllten. So gesehen wäre zum Beispiel das Beten besonders genussvoll, oder das Beichten und das Küssen der Heiligen Pantoffel.
Man sollte sich einen Mann vorstellen, der sein Leben lang an Maschinen arbeitet. Alle diese Maschinen funktionieren ein wenig individuell, die eine besser, die andere schlechter und so könnte es sein, dass dieser Mann zu manchen von ihnen sogar eine besondere Zuneigung empfindet. Mitunter ist dieser Mann von der einen Maschine so stark enerviert, dass er eine schon fast animalische Freude empfindet, wenn er eine besser funktionierende Maschine bedienen darf, vielleicht sogar schon, wenn er an sie nur denkt - und nicht desto trotz, ist seine Freude am größten, wenn er nach Feierabend die Fabrik verlässt.
Man erkennt mit bloßem Auge, dass die Säulen jeder Religion nicht nur das übersinnliche Wesen eines Gottes sind, sondern auch die Herde. Es ist bekanntlich so, dass der Mensch sich nahezu an jeden sozialen, und nicht nur sozialen, Mechanismus anpassen kann, um daraus seinen Vorteil zu gewinnen. Sogar in KZ's fanden sich Kollaborateure, um ein bisschen mehr Freiheit oder Verpflegung zu erhalten, dafür unterstützten sie eine der verächtlichsten Ideologien. Ein Mensch der überleben will, entscheidet sich immer für die Sachen, an die er glaubt und von denen er meint, dass sie ihm zum Vorteil gereichen. So wird ein mancher Gefangener mit seinen Wächtern durchaus ein Gespräch führen und sich über das Essen beschweren, und sogar annehmen, dass seine Beschwerde ernst genommen wird, während er doch unter anderen Umständen seinen Peinigern ein jähes Ende wünscht.
Auch das soziale Umfeld einer Person, Familie, Geschwister, Verein, Partei, Volk - ist ein Instrument, dessen Benutzung das Überleben sichert und wo jeder, der aus seiner ihm bestimmten Rolle fällt, sofort seine Angehörigen, seine Ehre und Ansehen, seine Freiheit und Mittel und manchmal auch sein Leben verliert. Somit wird das Gesellschaftsmitglied reduziert auf nur einen Teil seiner Persönlichkeit, der verlangt wird, wo doch das ästhetische Empfinden jedem Menschen signalisiert, dass ein "halber" Mensch etwas unvollkommenes und degradiertes ist. - Ja, es wird nur wenigen Menschen beschert, als vollkommenes Ganzes wahrgenommen zu werden. Keine Eltern, Geschwister, Kinder, Freunde, Vereinsmitglieder oder Politiker genießen eine ähnlich erotische Stellung wie Ehepartner und Geliebte. Nur Schauspieler und Popstars kommen diesen nahe - und ob ein Gott und welcher, dieser ehrenvollen Stellung teilhaftig wird, kann ich nicht beantworten.
Ein Gott als vollkommenes, vielleicht menschliches Wesen, gilt gerne als Vorbild, sofern es sich nicht um eine Gottheit eines anderen Geschlechtes handelt. Für Letztere und für manche Götter, die überhaupt kein Geschlecht haben, gilt trotzdem partiell das folgend gesagte: Das alleinige Denken an eine übernatürliche Kraft und ihre Nähe assoziiert schon einen Sieg über die ganzen Weltprobleme. Denn wer sonst, wenn nicht der Allmächtige ist imstande alle Schwierigkeiten zu meistern und so einen Pfad zum Glück zu treten, dem man dann nur zu folgen braucht. Auch die Nähe eines zornigen Gottes ist ein Zeichen von Überlegenheit gegenüber all denjenigen, die seinem Zorn zum Opfer fielen - dass dieser Gott dabei kein besonderer Freund sein muss, versteht sich von selbst. Und schließlich ein helfender Gott - ist ein sehr beruhigender Faktor. Aber kann das alles das Ziel und der Wunsch eines tapferen, selbstständigen und seinem Schicksal vertrauenden Menschen sein?
Gott figuriert immer als ein vollkommener und uninteressanter und genaugenommen überflüssiger Konkurrent - wogegen ein geliebter Mensch stets etwas mystisches bleibt. "Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis; das Unzulängliche, hier wird's Ereignis; das Unbeschreibliche, hier ist's getan; das Ewig-Weibliche zieht uns hinan."
Kaum ein Mensch will etwas kompliziertes und außergewöhnliches, sei es Technik oder Verhaltenskodex. Bei genauerer Betrachtung sieht man, dass sogar die Sprache meist eher ein Instrument und die Folge einer resignierten Anpassung ist, als ein Zeichen der Selbstverwirklichung. Dabei wäre es durchaus möglich, das wenige was den Alltag eines Paares oder einer Personengruppe betrifft, soweit vorauszusehen, das das Sprechen überhaupt überflüssig wäre.
Das Ideal und die Wirklichkeit des menschlichen Lebensraumes und der Lebensart driften also hypokritisch auseinander. Hat es eine Auswirkung darauf, dass auch das Selbst so oft, - Susi ist sterblich. Susi ist ein Mensch -, nicht genügt?