Tommy
Sehr aktives Mitglied
- Registriert
- 31. Mai 2006
- Beiträge
- 25.349
Auf irgendeiner Ebene hatten sie vermutlich welche, aber Verdrängung und Wegrationalisierung können da Wunder wirken.
Da gab es mal Untersuchungen von Psychologen, die haben ein Experiment kreiert, in dem sie einen Schauspieler in einen "Untersuchungsraum" gesetzt haben und Studenten sollten dann in einem Experiement vermeintlich untersuchen wie sich Stromstösse auf die Lernfähigkeit dieses "Probanden" auswirken. Dabei mussten die Studenten laut dem Untersuchungsleiter die Dosis immer mehr erhöhen und dabei durch ein Fenster beobachten wie der Schauspieler in dem anderen Zimmer vermeintlich Stromstösse bekommt. Die Mehrheit der Studenten hat auf Ermutigung des Untersuchungsleiters hin Stromstösse bis hin zu potentiell tödlichen Dosen verabreicht. (der Schauspieler in der Kabine hat das auch realistisch dargestellt)
Man sieht also, daß in sehr vielen Menschen in einer entsprechenden Situation vom Gewissen nicht mehr viel übrigbleibt. Das deckt sich auch mit der Beobachtung daß in Genoziden weltweit plötzlich völlig unbescholtene Bürger zu brutalen Massenmördern werden können.
Oft wird aus diesen Gehorsamsexperimenten ja der platte Schluß gezogen, in jedem Menschen stecke von Haus aus ein brutaler Folterer, und es bedürfe nur entsprechender Umstände, um diese *anthropologische* Konstante abzurufen. Nichts ist m.E. falscher als dies. Das Milgram-Experiment zeigt eigentlich nur den gegenwärtigen gesellschaftlichen Zustand; nach wie vor wird vorwiegend autoritär erzogen und zwar weltweit, und auf diesen Autoritarismus greift das Milgram-Experiment zurück. Daraus kann man keine Anthopologie zimmern. ("Der Mensch ist von Natur aus grausam und jederzeit bereit zum Barbaren zu werden")
Schon wer da mitmacht, ist voraussetzungsreich und verfälscht bzw. determiniert das Ergebnis. Die Versuchsanordnung war so, daß einer Person, die ein Wort nicht richtig zusammensetzte, ein Stromschlag verabreicht wurde.
Wie bitte?
Wer bei diesem Versuch überhaupt mitmacht, ist bereits nicht ganz dicht. Aus meiner Perspektive natürlich. Die Versuchspersonen waren laut Versuchs-Design "ganz gewöhnliche Durchschnittsmenschen", unbescholtene Bürger usw. Was natürlich den Schluß nahelegt, daß alle so wären bzw. sogar den noch weiter gehenden Schluß, daß dies in der "Natur" des Menschen läge. Weit gefehlt. Es sagt nur etwas aus über diejenigen, die bereits die Hemmschwelle überschritten haben, Mitmenschen wegen Nichtigkeiten Schmerzen zuzufügen. Die Zahl dieser Menschen ist erschreckend hoch.
So sehr überraschen mich die Ergebnisse dieser Autoritätsexperimente nicht. Der Soziologe Adorno hatte mit seinen Mitarbeitern bereits in den 50ern eine empirische Studie durchgeführt ("Studien zum autoritären Charakter") und war zu dem Ergebnis gekommen, daß autoritätsgebundene Personen eine weitaus größere Affinität zum Faschismus besaßen als nicht autoritätsgebundene.
Bei dieser Studie kam außerdem eine bemerkenswerte Tatsache ans Licht, nämlich, daß die autoritätsgebundene Persönlichkeit über eine charakteristische Doppelstruktur verfügt, die von Adorno in Anlehnung an die Psychoanalyse als *sadomasochistisch" bezeichnet wurde: nach oben hin katzbuckeln, nach unten hin treten. Es zeigte sich, daß diese beiden Komponenten unabdingbar miteinander verschränkt waren. D.h. daß Personen, deren Gehorsamkeitspotential hoch war, umso unerbitterlicher nach unten hin traten.