DruideMerlin
Sehr aktives Mitglied
Liebe Blumenfreundin,Ich hatte vor ein paar Monaten eine Jubiläumsausgabe der Luther-Bibel aus den 1970er Jahren in der Hand. In mittelalterlichem Deutsch verfasst, also statt z.B. "Weib" für Frau wurde es "Wip" geschrieben. Es war erstaunlich, diese Bibel mit den aktuellen Bibelausgaben zu vergleichen; es wurden in den neuen Ausgaben etliche Passagen umgeschrieben oder ganz weggelassen.
Wenn ich mich recht entsinne, stand in der "alten" Bibel tatsächlich irgendwas von "und die Götter sahen, dass die Menschentöchter schön waren, und nahmen sie sich zur Frau" oder so ähnlich. Diese Passage gibt es in den neuen Ausgaben nicht mehr. Die Rede war tatsächlich von "Götter", also Mehrzahl, nicht wie heute "Gott", also Einzahl.
P.S.: Ich bin nicht "bibelfest", also fragt mich nicht nach den genauen Textstellen
Luther hatte die Bibel so übersetzt, dass sie auch von den damaligen Menschen verstanden werden konnte. Viele Dinge lassen sich aus dem Griechischen nur sinngemäß aus dem Kontext übersetzten, wie das mit jeder anderen Sprache auch der Fall ist. So wie auch manche mittelalterlichen Worte oder Redewendungen aus der deutschen Sprache verschwunden sind, so ist das auch im Griechischen.
So steht zum Beispiel im Codex Sinaticus*, dass Jesus der Sohn des Tecton sei. Diesen Beruf gab es jedoch schon in Luthers Zeiten nicht mehr also suchte Luther einen Beruf in seiner Zeit, mit dem sich dieses Wort verbinden ließe.
Tecton umschreibt einen Beruf, den man als Häuserbauer umschreiben könnte, der auch mit einem architektonischen Verständnis verbunden sein konnte. In der Zeit Luther wurden Fachwerkhäuser gebaut, bei dem der Zimmermann das maßgebliche Handwerk darstellte – also wurde aus dem Tecton ein Zimmermann. Die Frage ist nun, ob diese Übersetzung zu einer wesentlichen Veränderung beigetragen hatte.
Ein anderes Beispiel dafür ist das griechische Wort Logos, das sich eigentlich nicht wörtlich übersetzen ließe. Man könnte das mit einem gesprochenen Gedanken gemeint und deshalb hatte es Luther mit dem deutschen Begriff „Wort“ übersetzt. Heute wäre diese Übersetzung noch schwieriger, weil sich dieser Begriff inzwischen etwas verselbstständigt hat und auch noch andere Interpretationen zuließe.
Ich habe eine Lutherbibel aus dem Jahr 1862 geerbt und da lassen sich auch die unterschiedlichen Schreibweisen zu den Bibeln aus dem Jahr 1912 oder1994 erkennen.
Heute ist man in den Sprachwissenschaften ein gutes Stück weitergekommen und deshalb liegen die aktuellen Ausgaben, den griechischen Texten of näher als jene Luthers. Du kannst ja in den Originalen einer Bibel aus der Zeit um 324 selbst nachlesen, was da konkret geschrieben steht und wie schwierig es ist, solche Dinge zu übersetzen (*Codex Sinaiticus):
http://www.codex-sinaiticus.net/de/...hapter=20&lid=de&side=r&verse=23&zoomSlider=0
Nur noch kurz zu den Texteinschüben in den Evangelien, aber die sind auch bekannt und lassen sich auch zeitlich eingrenzen.
So endet zum Beispiel das Evangelium nach Markus bis ins 4./5. Jahrhundert mit dem Vers 16[8]. Erst nach diesem Zeitpunkt tauchen dann in den Quellen die Verse 16[9-20] auf. So endet auch der Codex Sinaitikus mit diesem Vers, dem dann der Buchtitel „Evangelium nach Markus“ folgt.
http://www.codex-sinaiticus.net/de
Überarbeitung: Merlin
Es ist aber nicht ganz klar, ob hier neue Texte eingefügt wurden oder eine ältere Version wieder aufgetaucht war. Das Evangelium nach Markus dürfte das älteste der vier Evangelium sein und wohl der Realität noch am nächsten liegen.
Das Evangelium endet also, nachdem Magdalena das leer Grab Jesus vorfand und die Botschaft der Engel erhalten hatte:
Markus 16[8] Und sie gingen schnell hinaus und flohen vor dem Grab ...
Die nun folgende Erzählungen zu den Begegnungen mit dem auferstandenen Jesus fehlen da also gänzlich. Das Evangelium nach Markus dürfte das älteste der vier Evangelien sein und wohl der Realität noch am nächsten liegen. Ich könnte mir also gut vorstellen, dass man hier das unrühmliche Verhalten der Apostel zu ihren Gunsten etwas relativieren wollte (rein spekulativ).
Die meisten Überarbeitungen weist das Evangelium nach Johannes auf, die ich aber jetzt wegen der Fülle hier nicht auch noch anfügen möchte.
Merlin