nun das ist das Extrembeispiel: es ist eine spezielle ausgeartete Form von Empathie, wenn man sein Selbst so weit zurück nimmt, dass Ziele und Existenzsinn des Objektes (Objekt kann in dem Fall alles sein) angenommen werden. Der Flieger wird zum Objekt, es ist die Umkehrung der natürlichen Dualität, was wiederum eine gedrehte Dualität ist. Also der Mensch wird zum Werkzeug "Flieger".
Jetzt könnte man darüber diskutieren, ob der Kamikazeakt wirklich der Existenzsinn des Flugzeugs ist. Und Idealisten wenden ein, dass es keine tote Materie gebe und jede Gestalt beseelt, die Subjekt-Objekt-Trennung also selbst nur Illusion sei. Aber das betrifft die Details eines Beispielbildes, ist also zweitrangig.
Das ist dann aber nicht Auflösung der Dualität, in dem man sich mit Allem beispielsweise verbindet, sondern eher eine falsche Form von Empathie (anstatt 100% positive wird 100% negative Empathie angewendet), da das Selbst in diesem Fall nicht "los gelassen" wird sondern "eingesperrt" und mit dem Objekt ersetzt wird.
Das ist eine Interpretation, die ich verstehe, aber nicht teile. Zunächst gibt es im Leben keine Auflösung der Dualität in diesem Sinne. Die irdische Existenz - nein, jede Form von bewusster Existenz - schließt das aus. Der Kamikazeflieger, sofern er gegen seine Auslöschung keine Vorbehalte hegt, hat im Gegensatz zum lebenden Magier zumindest die Chance, jene Auflösung zu erfahren. Dann halte ich die Wertung für nicht zielführend. "Positiv" und "negativ" klingen im Zusammenhang widersinnig, denn sie sollen zur Auflösung der Dualität führen, indem sie eine Dualität zementieren. Das weist darauf hin, dass wir als Blinde von der Farbe reden.
Ja, man kann viele Spannungen auflösen und sich für alle möglichen Perspektiven öffnen, es gibt jede Menge Raum zur Bewusstseinserweiterung und auch die Möglichkeit, All-Einheit zu erahnen. Aber nein, wer in welcher Form auch immer bewusst existiert, hat gar nichts wirklich losgelassen. Und was das "einsperren" angeht: dafür braucht es keinen Flieger. Das geht jederzeit auch mit magisch-mystischen Paradigmen. Man merkt es besonders deutlich, wenn Menschen, die die All-Einheit erahnt haben, dies auf ihre magische Schule zurückführen und fortan damit prahlen, den richtigen Weg zu kennen. Das ist eine Falle, in die wir alle tappen - weil wir etwas suchen, was es nicht gibt.
ich habe mehrere Ritualen aus unterschiedlichsten Religionen und Gruppierungen erlebt und dabei hat sich bei mir innerlich kein sonderbarer Widerspruch aufgebaut, da sich in jeder Religion eine ähnliche Grundessenz findet. Vermutlich liegt es bei mir daran, dass ich keine besondere Bindung zu Religion habe. Daher fehlt die Tiefe der Bindung, um durch eine Gegesätzlichkeit die Reibung zu erzielen, die das Weltbild sprengt. In der Philosophie war dies für mich einfacher, mich in Weltbilder zu versetzen und durch Erleben eines diametralen anderen Weltbildes solch einen auflösenden Widerspruch, der das eigene System irgendwie ad absurdum führt, zu erleben.
Wenn du die Religionen wie Philosophien behandelt hättest - also mehr auf die Lehren als auf die Gebräuche der Gläubigen geachtet -, hättest du vielleicht mehr Unterschiede gefunden. Wie in der Politik: Auf den Stammtischen der Parteien erkennt man kaum Unterschiede, in den Programmen mehr, in den Grundsatztexten der dahinterstehenden Ideologien jede Menge. Letzten Endes ist es egal, wo man die großen Widersprüche findet.
Wieso sollte sich die Wirklichkeit nach einer Erwartungshaltung richten? Erwartungen verzerren die Realität und sind subjektbezogen. Die Wirklichkeit zu erleben ist wohl eine große Herausforderung und ob dies jemals jemand hat, bleibt fraglich.
Wir wissen nicht einmal, ob es so etwas wie eine unverzerrte Realität gibt. Das sind alles nur Annahmen, hervorgebracht von einer Logik, die auf ihnen basiert. Wir wissen allerdings, dass das, was wir wahrnehmen, stark mit unserer Erwartungshaltung zusammenhängt, und darauf kommt es im Zusammenhang an. Wie stark Erwartung und Wirklichkeit einander bedingen, erkennt man, wenn man genügend einander widersprechende Perspektiven eingenommen (und nicht wieder vergessen) hat.
also vertiefen sich Chaosmagier vermehrt in die intellektuelle wissenschaftliche Richtung bzgl. der physiklaischen Erklärung der Wirkweise von Magie? Naja, so verkehrt ist das nicht.
Zumindest zum Schein. Dass ihre geliebte materialistische Wissenschaft nach wie vor nicht den geringsten Grund sieht, ihre Behauptungen in Betracht zu ziehen, ist ihnen herzlich egal. Sie wissen einfach, dass sie etwas wissen, was noch nicht bewiesen ist - wie gewöhnliche Gläubige. Aus meiner Sicht ist die Chaosmagie ein Versuch, den Aberglauben der Vergangenheit mittels Pseudoverwissenschaftlichung in die Neuzeit zu retten. Die Mühe, die Fundamente selbst auf den Kopf zu stellen - also nicht nur aus religiösen Paradigmen auszubrechen, sondern auch aus dem großen metapyhsischen, das Materie über Bewusstsein stellt, das Wahrnehmungen in "wirklich wahr" und "nur Einbildung" teilt und unangefochten dominiert -, hat sie sich nie gemacht. Das ist allerdings verständlich, denn solche Versuche stören alles, worauf wir gründen, und zwar nachhaltig. Jeder gesunde Verstand weiß sich zu zügeln und die Wahnsinnigen sind abschreckende Vorbilder.
Meine große Grundannahme wiederum ist eine Frage, die kein Mensch beantworten kann: die nach der Natur der Wirklichkeit. Und sie lässt mir gleichzeitig null und unendlich viel Spielraum, aber nichts dazwischen. Haben die Materialisten recht? Dann ist jede Form von Magie bis zum wissenschaftlichen Beweis ihrer Wirksamkeit Unfug. Haben die Idealisten recht? Dann gibt es keinen Unfug, sondern nur Ideen, die entweder Gestalt annehmen - sei's subjektiv, intersubjektiv, oder "objektiv" (d.h. konsensuell) - oder eben nicht.
Von ihr komme ich tatsächlich nicht mehr weg, denn sie überragt meinen Horizont - und macht mir jede Diskussionsgrundlage kaputt, denn wenn entweder alles wahr oder alles unwahr ist, was für eine Position könnte ich dann noch ernsthaft vertreten? Nur die des Clowns, und die nervt mit der Zeit. Dies ist mein Gefängnis und jede Perspektive, die ich einnehme, steht unter dessen Vorbehalt. All die heißen Debatten über die richtige Art, etwas zu interpretieren oder zu praktizieren, kommen mir vor wie Streiterein über die genauen Namen der Flöhe im imaginären Bart Gottes. Ich bin schon dankbar, wenn mal jemand wie du kommt, der mich nicht zum unverbesserlichen Trottel erklärt, weil seiner Meinung nach alle Flöhe Bernd heißen und ich ernsthaft auch den einen oder anderen Gustav in Betracht ziehe - oder einfach über den Bernd-Fanatismus lache.