Leidzufügung im 3. Reich - ich kann nicht wirklich mitreden, da ich weder aus D. noch aus Ö. komme.
Meine Grossmutter mütterlicherseits war jedoch Deutsche, verliess D. aber schon vor dem 2. Weltkrieg, der Liebe wegen.
Sie hat in den 60er das Haus ihres Onkels geerbt u. ist wieder nach D. umgezogen, da inzwischen von ihrem Mann getrennt lebend.
So habe ich als Kind in den 70ern meine Schulferien in D. verbracht.
Das Haus ist jedoch frei stehend, auf ca. 2 km keine Nachbarn u. ich hatte dadurch sehr wenig Kontakt mit "Einheimischen".
Es gab auf dem Anwesen einen Holzschuppen, die "Werkstatt" wie Oma sagte. Wir Kinder haben auf Nachfrage herausgefunden, dass es sich um eine Wehrmachtsbude handelte, die mein Grossonkel sich während dem Krieg zu persönlichen Zwecken aufrichten liess. Naja, er war Ingenieur u. Architekt, hatte so seine Beziehungen. Wir Kinder haben daraufhin gelästert, er wäre sicher ein Nazi gewesen, was meine Grossmutter vehement abstritt. Wie auch immer.
In einem der Zimmer hingen alte Fotos. Das ganze Haus war eigentlich eine Zeitkapsel. Einrichtung aus den 20er, 30er Jahren des 20. Jh., sogar ein Zeppelin aus Elfenbein (?) hing über dem ausladendem Sekretär des verstorbenen Onkels.
Ein Foto sah sehr alt aus, aus den Anfängen der Fotografie. Eine alte Frau mit Kleinkind auf dem Schoss. Biedermeierkleid, mit passender Haube. Sehr schön. Auf meine Fragen wer das sei, welche Verwandte? erhielt ich immer nur "wir wissen es nicht" zur Antwort.
Erst vor ca. 7 Jahren habe ich auf meine Frage eine Antwort bekommen. Ich hatte das Zimmer neu streichen lassen u. als ich die Bilder wieder aufhängen wollte, sagte meine Mutter "Nein, nicht dieses Foto."
Warum? Ist doch Familie, selbst wenn wir nicht mehr wissen wer das ist...
Meine Mutter druckste herum u. kam endlich raus mit der Sprache: "Dein Vater hat in den 60ern auf dem Speicher einen alten Koffer gefunden, da lag es drin."
Ein jüdischer Bekannter meines Grossonkels hatte diesem den Koffer zur Aufbewahrung gegeben, wollte ihn nach dem Krieg wieder abholen. Er kam nie wieder.

Mein Vater hatte das Foto zur Mahnung aufgehängt, ging aber nicht so weit, es uns Kindern zu erklären. Ich finde das unendlich schade.
Das Foto ist nun in meiner Wohnung u. jedem den es interessiert, erzähle ich die Geschichte, denn
Erinnerungskultur finde ich sehr wichtig um neues Leid zu vermeiden.