2.1.3. Vorliterarische Überlieferung
Signifikante Spannungen innerhalb der Grundschicht weisen auf einen älteren, in der Paradieserzählung verarbeiteten Wissensstoff. Zunächst fällt das doppelte Strafhandeln Gottes in den Strafsprüchen (
Gen 3,14-19*) und der Entlassung aus dem Garten (
Gen 3,23) auf, wobei die Vertreibung nur den Menschen betrifft, die Strafsprüche sich aber an den Menschen und seine Frau richten. Dabei hängt der Fortgang der „jahwistischen“ Urgeschichte am Fluch (vgl.
Gen 3,17;
Gen 4,11;
Gen 8,21), dem Menschen und seiner Frau. Die ältere Überlieferung hatte es offensichtlich wie auch
Ez 28,11-19 (vgl.
Hi 15,7-8) nur mit dem „Menschen“ zu tun. Weiterhin zeigen die Differenzen zwischen
Gen 2,16-17 und
Gen 3,3.5, dass der Erkenntnisbaum (
Gen 2,9.17) nicht von vornherein mit dem „Baum, der in der Mitte des Gartens ist“ (
Gen 3,3; vgl.
Gen 2,9) identisch gewesen ist. Dabei kann das in der Form theologischer Verbotspromulgation gestaltete Verbot des Essens vom Erkenntnisbaum (
Gen 2,16-17;
Gen 3,3) kaum Anspruch auf ältere Herkunft erheben (Otto 1996, 182). Der ursprüngliche Paradiesbaum ist der Baum in der Mitte des Gartens (
Gen 3,3). Die Traditionsgeschichte erweist ihn als →
Weltenbaum (vgl.
Ez 31,3-9;
Gen 28,11-19; →
Eden). Erst die literarische Fassung der Erzählung hat aus ihm den Erkenntnisbaum werden lassen (
Gen 2,17; vgl.
Gen 2,9). Später ist er um den Lebensbaum ergänzt worden (
Gen 2,9;
Gen 3,22.24). Der „Fall“ in der älteren Überlieferung besteht nicht im Essen, sondern im (gewaltsamen) Berühren (נגע) des Baumes in der Mitte des Gartens (
Gen 3,3). Die Folge ist nicht der Tod (
Gen 2,17), sondern das ‚Sein wie Gott’ und die Fähigkeit zur Erkenntnis von Gut und Böse (
Gen 3,5). Im Hintergrund der literarisch gestalteten Erzählung werden somit folgende Überlieferungsbausteine sichtbar: „die Erschaffung des Menschen" (
Gen 2,7), „seine Versetzung in den Garten Eden" (
Gen 2,8), in dessen Zentrum der Weltenbaum steht (
Gen 3,3), „die (gewaltsame) Berührung des Paradiesbaumes" (
Gen 3,3), „der Erwerb der Gottgleichheit und Erkenntnisfähigkeit" (
Gen 3,5; vgl.
Gen 3,22) sowie „die Entlassung des Menschen aus dem Garten" (
Gen 3,23).