Es hat etwas gedauert, einen Termin zu bekommen. Schließlich war das nicht irgendein Hansel, sondern der leitende Oberarzt, der mich da verwurstet hat.
Nicht unsympathisch, der Kerl. Auch der Händedruck ist fest. Allerdings ist es der nasseste Händedruck, den ich jemals erlebt habe, er wäre mir fast weggerutscht. "Komme gleich, muss noch eben auf die Intensivstation." Ok, alles klar.
Dann, mit Schwester im Anhang und einer Menge Unterlagen, die Frage, was denn mein Problem sei. Tja, ich habe jetzt zwei Narben. Wieso das? Wieso nicht die alte Schnittführung? Herzeigen! Ich zeige, wohlwissend, dass aufgrund meiner Pflasterallergie immer noch alles völlig verquollen und die alte Narbe wirklich schlecht zu sehen ist. Aber sie ist da. Wo? fragt er. Ich seh' nix. Bei den Lichtverhältnissen in dem Raum hätte ich auch nix gesehen.
An dem Punkt ist mir klar, dass das nichts wird, ich werde wiederkommen müssen, wenn die Schwellung abgeklungen und das Kreuz aus zwei Narben deutlich zu sehen ist.
Er sagt, dass natürlich immer die erste Narbe genommen wird, das habe auch er getan. Wenn der Schnittverlauf der ersten Narbe so gewesen sei, wie ich behaupte (längs), dann hätte der Chirurg falsch geschnitten, so käme man nur sehr schlecht an die Vene. Wäre ihm das aufgefallen, hätte er sich den betreffenden Chirurgen sofort rangewunken und gerüffelt. Sowas ginge ja gar nicht. Falls das so gewesen wäre, dann hätte er natürlich trotzdem die erste Narbe genommen, auch wenn ihr Verlauf falsch ist. Für eine Portentfernung spiele das keine Rolle mehr und wesentlich sei, nur eine Narbe zu schneiden. Und genau das habe er ja getan, er habe quer geschnitten, wie es richtig ist, und er habe die Narbe genommen, die bereits da war. Das müsse ja auch so im ersten OP Bericht stehen. Er kramt zig Zettel durch, ah, hier steht's ja, Naht in der Grube.
Ich muss grinsen, da ist sie, die von dir erwähnte Grube, polarfuchs. Jaja, sage ich, in der Grube, ist schon klar, aber von der Schnittrichtung steht da nix. Doch, doch, sagt er, quer steht hier. Dann ist es gefälscht, was da steht, sage ich, der Schnitt verlief längs.
Darauf bringt er als Argument, dass es ja sein könne, dass er die Narbe nicht gesehen hat. *lool
Dann macht er einen auf nachdenklich und sinniert, dass er aber ohne Folie geschnitten habe, eine solche habe also seine Sicht auch nicht behindern können. Folie? frage ich. Er erklärt mir, dass, wenn der Port eingesetzt wird, mit Folie geschnitten wird. Also geht der Schnitt durch die Folie und die Haut? Ja. Ah, interessant.
Aber völlig daneben. Weil: Er kann die alte Narbe nicht übersehen haben, im Gegenteil, er muss sie suchen und auch finden- um sie dann wieder aufzuschneiden. Sucht er sie nicht, schneidet er irgendwo- es soll aber doch nur eine Narbe sein.
Er könne ja nun nicht einen dritten Schnitt machen, der die ersten zwei ungeschehen macht, sagt er. Was ich denn eigentlich will? Eine Entschuldigung will ich. Wenn weiter nichts ist, sagt er und streckt mir die Hand entgegen. Nein, sage ich, das ist keine richtige Entschuldigung, es fehlt ja die Einsicht. Ich komme in 3 Monaten wieder, dann ist das Kreuz deutlich zu sehen, dann reden wir weiter.
Er grummelt, schreibt alles auf und fragt, ob er Fotos machen dürfe. Klar. Ich unterschreibe und die Schwester macht Nahaufnahmen. Dann sagt er, ich solle dieses Jahr noch kommen, im Dezember. Ich werde dann kommen, wenn ich es für angemessen halte- das sage ich ihm aber nicht, weil ich mit ihm durch bin.
Leitender Oberarzt- und kein Arsch in Hose. Es war, wie ich mir dachte. Er hat an dem Pfusch seines Vorgängers nicht weiterarbeiten wollen- das war sein persönlicher Grund. Einen medizinischen Grund gab es nicht. Ich verstehe seinen Grund sogar, das geht mir nämlich genauso. Ich arbeite auch nicht gerne an etwas weiter, was mein Vorgänger verhunzt hat- dann lieber neu. Nur muss er hier an mich denken, was will ich, seine Patientin? Er hat an sich gedacht- an sich und seine bevorzugte Arbeitsweise. An mich hat er nicht gedacht, nicht daran, was ich will. Keine zweite Narbe! Das will ich.
Ich verabschiede mich und gebe ihm die Hand. Was für ein Unterschied! Das ist kein Händedruck mehr, er gibt mir eine Klaue. Die Finger nach vorne gekrümmt, als wolle er sich einhaken. Fühlt sich an wie der Beginn eines Begrüßungsrituals unter Gangsta-Rappern. *lach
Fortsetzung folgt ...