Dämonen nutzen find ich lustig, erkennen wäre angebrachter.
DÄMONEN Es hat für den Liebenden manchmal den Anschein, als verfügte er über einen Sprachdämon, der ihn antreibt, sich selbst zu verletzen und — nach einem Wort Goethes — aus dem Paradies zu vertreiben, das die Liebesbeziehung zu anderen Zeiten für ihn bildet.
1. Eine genau bestimmbare Kraft treibt meine Sprache dem Bösen entgegen, das ich mir selbst antun kann: die Drehzahl meines Diskurses ist der Freilauf: die Sprache bläht sich, ohne jede taktische Realitatsprüfung. Ich versuche mir wehzutun, ich vertreibe mich selbst aus meinem Paradies, indem ich mich bemühe, in mir die Bilder (der Eifersucht, des Verlassenwerdens, der Demütigung) wachzurufen, die mich verletzen können; und die offene Wunde schüre ich, tränke ich mit anderen Bildern, bis eine neue Wunde mir Ablenkung verschafft.
2. Der Dämon ist vielköpfig (»Und Jesus fragte ihn und sprach: Wie heißest du? Er sprach: Legion.« [Lukas 8,30]). Wenn ein Teufel vertrieben ist, wenn ich ihm endlich (durch Zufall oder Kampf) Schweigen geboten habe, erhebt gleich daneben ein anderer sein Haupt und beginnt zu reden. Das dämonengegehetzte Leben des Liebenden ähnelt der Oberfläche einer Solfatare; große Blasen (kochend und schlammig) zerplatzen eine nach der anderen; wenn die eine zusammenfällt und einschrumpft, in die Masse zurücksinkt, bildet sich gleich daneben schon eine neue und bläht sich auf. Die Blasen »Verzweiflung«, »Eifersucht«, »Ausgeschlossensein«, »Begierde«, »Verhaltensunsicherheit«, »Angst vor Gesichtsverlust« (der bösartigste aller Dämonen) machen eine nach der anderen »ploff«, in unfaßbarer Ordnung: eben der Unordnung der Natur.
3. Wie vertreibt man einen Dämon (altes Problem)? Die Dämonen, vor allem, wenn sie sprachlicher Herkunft sind (und was wären sie sonst?), werden mit Mitteln der Sprache bekämpft. Ich darf also hoffen, das dämonische Wort auszutreiben, das mir (von mir selbst) eingeflüstert worden ist, wenn ich es (vorausgesetzt, ich habe das Sprachtalent dazu) durch ein anderes, friedfertigeres ersetze (ich greife zur Euphemie). Nämlich so: ich glaubte mich endlich der Krise entronnen, und da werde ich auch schon — unter dem Einfluß einer langen Autofahrt — von uferloser Redseligkeit übermannt, ich höre nicht auf, mich in Gedanken an den Andern, im Verlangen nach ihm, in der Sehnsucht, in der Aggression ihm gegenüber zu ereifern; und ich bin gezwungen, über diese Wunden hinaus entmutigt konstatieren zu müssen, daß ich einen Rückfall erleide; aber das französische Vokabular ist ein wahres Arzneibuch (einerseits Gift, andererseits Heilmittel): nein, das ist kein Rückfall, das ist lediglich ein letztes Zucken des vorigen Dämons.
GOETHE: Wir sind unsere eigenen Teufel, wir vertreiben uns aus unserem Paradiese.