Also gut, ich poste mal meine Rezi. Kurz vorweg: Sie ist an anderer Stelle im Internet publiziert, da unter meinem Pseudonym 'Sowan' (daher die Copyright-Hinweise) und unter meinem richtigen Namen. Also bitte nicht wundern, vielleicht seid Ihr schon einmal drüber gestolpert
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Hier der Bericht:
Vielleicht funktioniert unsere Gesellschaft wie ein Uhrwerk, das unausweichlich immer weiter läuft und voran getrieben wird ... Wir selbst sind eine formlose Masse, weich und nachgiebig - wie eine Orange. Nehmt die reife Orange in Eure Hand und drückt zu, bis sie an Form verliert und der Saft hinausläuft ... Ihr meint Sowan macht sich seltsame Gedanken? Nun, es sind Gedanken, die in mir aufsteigen, wenn ich mich mit einem außerordentlichen Film befasse, der einen äußerst seltsamen Titel trägt ... 'A Clockwork Orange' - 'Uhrwerk Orange'.
Der Film
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Als 1971 Stanley Kubricks 'A Clockwork Orange' in Großbritannien produziert wurde, ahnte vielleicht noch niemand der Mitwirkenden, daß dieser Film die westliche Kultur erschüttern würde. Schonungslos setzte der Regisseur sich mit Gewalt, Sex und dem freien menschlichen Willen auseinander. Eine Mischung, die bei den Moralaposteln der damaligen (sowie der heutigen) Gesellschaft einen Aufschrei des Entsetzens hervorrief. Es regnete negative Kritiken und Schelte für 'A Clockwork Orange'. Als gewaltverherrlichend, pornographisch und übermäßig brutal wurde der Film beschimpft. Wo sich damals die Geister schieden, sind sie sich auch heute noch nicht einig. Sicher ist aber eines: 'A Clockwork Orange' gehört ohne Zweifel zu einer der aufwühlendsten und erschütterndsten Zukunftsvision. Und der Film ist es wert einmal genauer unter die Lupe genommen zu werden.
Die - im übrigen sehr lohnenswerte - Literaturvorlage für diesen Film kommt von Anthony Burgess.
Die Geschichte
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In einer seltsamen Zukunft lebt Alex, ein jugendlicher Halbstarker. Sein Leben ist geprägt von einer trägen Eintönigkeit, die unterbrochen wird von Alkoholgelagen und Gewalt- und Sexorgien. Ein Verhältnis zu seinen Eltern ist so gut wie nicht vorhanden, doch wozu sind gute Freunde da? Gemeinsam mit seinen 'Droogs' - Kumpels - Georgie, Dim und Pete versteht Alex es sich seine Freizeit ungewöhnlich zu gestalten. Zunächst wird in der Korova-Milchbar richtig eingeschüttet, und danach geht es raus auf die Straße. Hier wird ein Obdachloser zusammengetreten, etwas weiter prügelt man sich mit einer rivalisierenden Jugendgang oder aber man vergewaltigt Frauen. Neben diesen etwas ungewöhnlichen Freizeitbeschäftigungen hat Alex zudem einen Hang zur Musik, sein Favorit ist Beethoven, den er sich immer wieder gerne anhört.
Der Schriftsteller Alexander ist gelähmt. Er und seine Frau leben zurückgezogen in einem Landhaus und werden eines Tages Opfer von Alex und seinen Droogs. Die Bande stürmt das Haus, der Autor wird verprügelt, die Ehefrau so lange missbraucht und vergewaltigt, bis sie stirbt.
Eines Tages jedoch wird Alex erwischt und eingebuchtet. Er muß eine langjährige Haftstrafe absitzen und beginnt zu lesen. Besonders fasziniert ihn dabei die Bibel, entdeckt er doch in ihr ein Buch voll von Gewalt, Sexorgien und Machtphantasien. Wahrlich, in seinen Kopf können nur die Filmzuschauer sehen, jedoch nicht der Gefängnispriester, welcher in Alex eine geläuterte Seele zu erkennen glaubt. So kommt es, daß Alex die Möglichkeit bekommt an einem Rehabilitierungsprogramm teil zu nehmen, das dazu führen soll, daß er wieder in die Gesellschaft entlassen werden kann.
Dem jungen Mann werden Gewaltvideos vorgespielt, dabei ist er auf einer Vorrichtung angeschnallt, aus der er sich nicht herausbewegen kann. Seine Augen werden ihm mit Klammern offen gehalten und er muß zu den Aufnahmen die Musik Beethovens hören.
Das Programm schlägt an, Alex ist nicht einmal mehr dazu in der Lage sich selbst zu verteidigen. Gewalt widert ihn an, wenn er Beethoven hört wird ihm übel. Der junge Mann wird als 'geheilt' entlassen. Entlassen in eine Welt, in der er sich nicht mehr zu Recht findet. Seine Eltern haben sich inzwischen einen neuen Ziehsohn gesucht, der zu ihnen paßt. Seine ehemaligen Droogs sind entweder zur Polizei gegangen, wo sie fröhlich weiterprügeln, oder haben sich anderweitig ihr Leben gestaltet. Alex ist nun selbst ein Gewaltopfer, der einzige Mensch, der ihm beisteht ist Mr. Alexander, der Schriftsteller, dessen Frau Alex auf dem Gewissen hat. Hilfsbereit und ohne Alex zu erkennen gewährt er dem jungen Mann Einlaß und hört sich seine Geschichte an. Zunächst möchte er Alex helfen, doch dann erkennt er in ihm zufällig den Mörder seiner Frau ...
Mehr möchte ich, Sowan, an dieser Stelle zunächst nicht verraten, denn es soll tatsächlich noch einige geben, die diesen Streifen noch nicht gesehen haben.
Darsteller
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Der junge Malcom McDowell brilliert als Alex, in den Rollen seiner Droogs sind Warren Clarke (Dim), James Marcus (Georgie) und Michael Tarn (Pete) zu sehen.
Mr. Alexander wird dargestellt von Patrick Magee, Adrienne Corri ist in der Rolle der Mrs. Alexander zu sehen.
In weiteren Rollen sind Michael Bates, John Clive, Paul Farell, Carl Duering und andere zu sehen.
Alex und Mr. Alexander
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Die beiden Kontrahenten der Geschichte sind zugleich die beiden Seiten einer Münze. Beide stehen außerhalb der Gesellschaft und finden sich in ihr nicht zu Recht.
Alex als der Gewaltmensch, der Straftaten begeht, die falschen Freunde hat und im Elternhaus keinen Halt hat, symbolisiert den Aufschrei der Jugend.
Dem gegenüber steht Mr. Alexander, der Mann, der sich aus der Gesellschaft zurückgezogen hat. Er ist sozialkritischer Schriftsteller und beäugt die menschliche Kultur aus den Augen eines intellektuellen Kritikers. Seine Behinderung ist symbolischer Ausdruck seiner 'Gelähmtheit' gegenüber den Umständen. Obgleich ein gerühmter Schriftsteller ist er doch nicht in der Lage die Gesellschaft wirklich zu verändern.
Obgleich Feinde, verbindet Alex und Mr. Alexander viel mehr als nur einen Namensgleichheit ...
Resümee
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Dieser Film hat geschockt - auch mich, Sowan. Die Gewaltdarstellung sind roh und grausam - so wie Gewalt nun einmal zu sein pflegt. Deshalb konnte ich persönlich den Vorwurf der 'Gewaltverherrlichung' gerade an diesen Film nie verstehen.
Was aber macht diesen Film wirklich so 'hart', so erschreckend und so nüchtern?
Zunächst ist da Alex selbst: Die Figur ist sehr gut dargestellt und hervorragend in Szene gesetzt worden (Danke an Malcom McDowell!). Der Zuschauer MUSS sich mit ihm identifizieren. Und ich glaube genau hier liegt in Wahrheit das Hauptproblem der Kritiker: Alex ist ein Charakterschwein, er ist brutal, vergewaltigt Frauen, hält sich für unwiderstehlich - und dennoch ist und bleibt er ein Mensch. Kein besonders sympathischer, aber ein Mensch, mit dem ein anderer Mensch (in diesem Fall der Zuschauer) mitfühlt und mitfiebert. So sehr die Taten, die er begeht, auch abstoßen und Empörung hervorrufen, so sehr fiebert man letztendlich mit der Figur des Alex, als er durch den Staat umerzogen wird. Unweigerlich wird der Zuschauer vor die Frage gestellt: Sanktioniert die Gewalt eines einzelnen Gewalttäters automatisch jede Form von staatlicher Gewalt? Welche Form der Gewalt ist 'schlimmer'?
Und genau das ist es, was 'Uhrwerk Orange' tut: Der Film wirkt unangenehme Gefühle und Fragen in einem auf. Es ist ein Film, der unweigerlich konfrontiert. Diesen Film schaut mensch sich nicht 'einfach so an' und geht danach zur Tagesordnung über. Wer dies tut ist entweder gefühlskalt, oder bearbeitet all die Aspekte unausgesprochen in seiner Seele.
Ich weiß nicht wie oft ich diesen Film gesehen habe. Ich habe aufgehört zu zählen.
'Clockwork Orange' ist kein schöner Film, es ist weder unterhalten, noch entspannend.
Dennoch ist 'Clockwork Orange' ein guter Film, ein Stück menschlicher Kultur, erschreckend real - und doch extrem surreal.
Es gibt nur eine Wahl: 5 Sterne.
Spielzeit
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137 Minuten
Copyright Sowan (i.e. TheFallen)