Heimkommen (eine Katzengeschichte)

Serenade

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18. März 2007
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Das Essen roch gut und schien abwechslungsreich zu sein. Die beiden schauten mich an. Irgendetwas Angenehmes war zu fühlen, irgendwas wie Heimat. Er erschien mir sehr gradlinig zu sein. Sie wirkte ziemlich emotional und deshalb auch ein wenig launisch. Aber ihr Blick sprach Bände. So als wollte sie mir etwas ganz Wichtiges sagen. So sah sie mich dann später oft an, besonders am Schluss.

Aber so weit sind wir noch nicht, denn ich kann mich an vieles erinnern, nachdem ich mich dazu entschlossen habe, bei diesem gut riechenden und abwechslungsreichen Essen zu bleiben und na ja, auch bei den beiden, wo ab und zu ein dritter dazu kam. Außerdem war es angenehm warm an diesem Ort.

Sie machte sie oft Sorgen um mich. Das erste Mal, als sie mich sanft hinaus schubsten, weil sie ausgingen und wahrscheinlich Angst hatten, ich würde in ihrem Revier etwas anstellen. Abwarten, denn bald ist es mein ganz privates Revier, - sagte ich mir und blickte ihnen aus einem Versteck nach, als sie davon gingen. Es war kalt und ziemlich windig. Genau deshalb machte sie sich Sorgen um mich. Seltsam, dass sie selbst bei so einem Wetter nach Draußen wanderten. Mir machte es nichts. Ich verbrachte schon einige Tage und Nächte im Draußen, als das Wetter noch grauslicher war. Es war ja nicht so schwer in dieser Gegend einen wärmeren Platz zu finden.

Gegenüber vom anderen Balkon, der an den Raum grenzt, in dem sie die guten und abwechslungsreichen Nahrungen zubereiten, war einer meiner Lieblingsorte. Es ist eine Wiese, auf der ich gerne jagte. Und weiter drüben stand ein altes, verfallenes Gebäude, in dem ich früher oft Schutz suchte und wo es einigermaßen warm war, wenn die Tage und Nächte eisig waren. Irgendwann gab es diese Wiese nicht mehr und auch das alte Gebäude wurde abgerissen. Klar war es schade, aber ich hänge nicht so sehr an Dingen, denn es gibt ja auch noch anderes zu erforschen.

Aber wieder greife ich zu weit vor. Irgendwie ist das normal, denn ich habe es nicht so mit der Zeit. Zeit ist für mich etwas Abstraktes. Nur, was ist nicht abstrakt in dieser Welt, in die hinein geboren wurde?

An meine Geburt erinnere ich mich nicht. Auch nicht an meine Mutter. Irgendwann war ich an diesem Ort, in diesem alten Gebäude, wo es wärmer war als im Draußen. Und dann kümmerte sich jemand um mich. Manchmal durfte ich sogar in ihr Revier. Aber es schien, als hätten sie kaum Zeit für mich. Sie gingen immer fort und wenn sie kamen, beachteten sie mich nur selten. Ab und zu durfte ich auf dem Schoß von jemandem sitzen und wurde gestreichelt. Auch das war selten. Aber es war mir egal, denn ich bekam Nahrung und hatte es warm, wenn es im Draußen kalt war. Ganz dunkel erinnere ich mich, dass ich manchmal abwechselnd einen der beiden sah, zu denen ich ein paar Jahre später zog. Ich war damals sehr schüchtern und blickte recht scheu zur Tür heraus.

Das nächste, woran ich mich erinnere, war ein Kollege von mir. Ich mochte ihn nicht. Er passte nicht in mein Revier. Außerdem fehlte irgendetwas an ihm, was ich damals noch hatte und was mich oft ruhelos machte. Ich war ein Kater. Er nicht mehr. Es entstand eine Rivalität, die mich ärgerte und mir zugleich Spaß machte. Manchmal war er bei den beiden, wo es das gute und abwechslungsreiche Essen gab. Aber es war nicht sein ganz privates Revier. Das war zwar im selben Gebäude, aber nicht an dem warmen Ort, wohin es mich mehr und mehr zog.

Es gibt für uns Katzen unterschiedliche Reviere. Im Draußen müssen wir uns die Plätze oft teilen und wenn wir mehrere sind, auch im Drinnen. Mit manchen teilte ich gerne, mit anderen eher ungern und ganz besonders mit diesem einen Kater nicht, dem etwas fehlte. Nur im Drinnen erkennen wir die ganz privaten Reviere. Das sind die Orte, an denen wir uns besonders wohl fühlen und wo wir auch gerne lange schlafen. Und gerade dort hielt sich dieser eine Kater auch ab und zu auf, was mich ziemlich wütend machte. Aber ich setzte mich durch. Und als eben dieser Blick von ihr auf mich fiel, wusste ich, dass ich eine Heimat gefunden habe, in der ich bleiben darf.

Die beiden gehörten buchstäblich mir. Sie lachten, als ich es ihnen demonstrierte, indem ich ihm auf den Rücken stieg und dort liegen blieb, als er auf der Couch lag. Er gehört jetzt mir, sagte ich mir und warf ihr einen dementsprechenden Blick zu, als sie lachte. Da war wieder dieses Gefühl, das ich an meinem früheren Ort nicht spürte. Hier war nicht nur gutes und abwechslungsreiches Essen, sondern auch Wärme. Das hat nichts mit Temperatur zu tun, das kam aus diesen beiden und manchmal aus dem dritten, den ich später nur mehr selten sah.

Als ich die erste Nacht bei ihnen im ganz privaten Revier verbrachte, war mir nicht ganz so wohl. Ich fühlte mich irgendwie eingesperrt, weil ich den Weg in weitere Reviere nach Draußen nicht fand. Aber auch da hatten sie Nachsicht mit mir und ließen später, solange es nicht zu kalt war, die Balkontür einen Spalt für mich offen.

Es war also Herbst, als ich meine neue Heimat als mein ganz privates Revier markierte. So Ende Oktober, Anfang November herum. Ich hab’s nicht so mit Daten und auch nicht mit bestimmten Reihenfolgen, weshalb es durchaus sein kann, dass ich manches nachtrage, was mir erst im Nachhinein wieder einfällt. Immerhin bin ich ein Geist und keine Katze mehr. Wer also schreibt hier? Teils sind es meine Gefühle, teils die Gedanken meiner Dosenöffnerin.

Ach, komm, so musst du dich nicht nennen. Du warst schon sehr viel mehr für mich und das kannst du getrost so tippen, ohne zuviel Interpretation zu befürchten.

Nun weiter mit meiner Geschichte und ich hoffe, ich komme im Gehirn meiner Freundin (das ist doch viel besser als Dosenöffnerin!) weiterhin gut durch und sie vertippt sich nicht zu oft.

Es war bereits Dezember, als ich mich so richtig eingewöhnt hatte und auch schon im Bett neben den beiden schlafen durfte. Das war vielleicht ein Spaß, als er mich das erste Mal in die weiche Decke legte! Da wusste ich sofort, wo von nun an mein Lieblingsschlafplatz sein wird. Nach der ersten Dezemberwoche standen plötzlich Koffer im Vorraum und die beiden kamen mir irgendwie nervös vor. Na ja, nicht negativ nervös, eher angenehm aufgeregt. Wir Katzen empfangen die Gefühle anderer ja ziemlich intensiv. Und der dritte war auch da. Er war ruhig. Ich hatte ihn gern. Er hatte so ein katzenhaftes Wurschtigkeitsgefühl und doch war er da, wenn ich meine Streicheleinheiten wollte und brauchte. Er war und ist der Sohn der beiden, der dann später in einem anderen Revier in einer anderen Stadt wohnte. Diesmal war er noch da. Extra für mich, um mich zu versorgen, während die beiden Urlaub machten. Es war übrigens ihr letzter Urlaub, als sie auf ihre Lieblingsinsel flogen. Ihr letzter deshalb, weil sie es nicht mehr übers Herz brachten, mich alleine zu lassen oder mich irgendwelchen Fremden zu überlassen. Der Sohn war dann ja weg und hätte keine Zeit gehabt.

War das dann eine Freude, als sie wiederkamen. Ich war gerade aufm Küchenbalkon, als sie mit ihren Koffern daher kamen, braun gebrannt und gut gelaunt. Aber ich erschrak, als sie die Jalousien hochzog. Es war ein so laut schmerzenden Geräusch und ich musste reiß aus nehmen. Und dann hörte ich schon ihre Stimme, wie sie mich leise rief. Sie kam mir hinterher und ich blieb stehen und ließ mich von ihr auf ihren Arm und ihre Schulter nehmen. Es war ein angenehmes Gefühl in ihren warmen Armen wieder in mein ganz privates Revier getragen zu werden.

Ich war froh, dass sie wieder da waren, aber es war auch eine schöne Zeit mit ihrem Sohn, der mich zwar nicht so verwöhnte, wie die beiden, der aber, wie Menschen heutzutage gerne sagen, echt cool war. Er machte Fotos von mir und spielte auch ab und zu mit mir. Auch saß er oft vorm Computer und ich hockte dann lässig auf seinem Schoß.

Ach, das muss ich unbedingt erwähnen! Mit mir hat früher niemand gespielt. Bevor die beiden wegflogen, setzte sie sich einmal zu mir auf den Boden runter und hielt eine Schnur über meinen Kopf. Sie nannten es Schuhband. Dieses Schuhband hatte an beiden Enden etwas Hartes. Es machte Spaß, daran zu knabbern. Zuerst verstand ich nicht wirklich, was sie von mir wollte, aber dann regte sich mein Jagdinstinkt (wie sie es nannten) und ich spielte mit. Es machte Spaß und ich erinnerte mich in den nächsten Tagen stets um die fast gleiche Zeit daran. Das hat jetzt nichts mit Daten zu tun, das ist die innere Uhr, die übrigens auch Menschen haben. Ich setzte mich dann stets vor sie hin und schaute sie mit großen Augen an. Sie verstand! Sie verstand mich ohnehin meistens. Auch beim Essen. Wenn ich mal Lust auf eine andere Dose hatte, machte sie tatsächlich eine andere auf. Ja, ich wurde wirklich angenehm verwöhnt und war so glücklich wie noch nie.

Etwas lag in der Luft. Ich konnte es ganz genau spüren. Immerhin sind wir Katzen extrem empathisch. Man sagt, so nebenbei bemerkt, auch von uns, wir seien Autisten ohne Berührungsängste, was so sicher nicht stimmt. Wir leben zwar in unserer eigenen Welt, was ohnehin jedes Lebewesen tut, aber wir nehmen Gefühle, wie auch Gedanken anderer Lebewesen sehr viel mehr wahr als Menschen dies tun. Und dieses in der Luft liegen, war so in etwa vor oder kurz vor Frühlingsbeginn. Auf jeden Fall war die Winterkälte bereits vorüber. Genau konnte ich nicht feststellen, was meine beiden Freunde vorhatten, aber ich machte mich auf den Weg, um irgendein Abenteuer zu erleben. Es duftete überall so gut und die ganze Umgebung schien in Aufruhr zu sein. Es waren einige Tage und Nächte, in denen ich die Gegend um mein ganz privates Revier mied. Und ich genoss diese Zeit. Mehr verrate ich nicht. Ja, vielleicht auch noch, dass ich bei meiner alten Heimat vorbei geschaut habe. Aber die Menschen dort haben mich nicht vermisst, also zog ich weiter und trabte langsam, nach diesen abenteuerlichen Tagen und Nächten, über die Wiese zum Haus, in dem meine beiden Freunde wohnen. Und da stand schon mein Freund aufm Küchenbalkon und rief mir mit so viel Freude in seiner Stimme zu. Das war dann eine Begrüßung! Den beiden fehlte ich wirklich.

Dann kam der Tag, den ich schon vorher gespürt habe. Ich wehrte mich, als sie mich in einen so seltsamen Kasten stecken wollten. Das roch nicht angenehm und fühlte sich noch unangenehmer an. Aus diesem Kasten hatte ich zwar Ausblick, aber ich wollte nicht nur Ausblick – ich wollte raus!

Was weiter passierte, daran erinnere ich mich nicht mehr. Vielleicht, weil ich mich nicht daran erinnern wollte. Auf jeden Fall war ich froh, als sie mich von dort, wo sie mich in diesem Kasten hingebracht hatten, wieder abholten und mit nach Hause, in mein ganz privates Revier brachten. Obwohl ich noch ziemlich benebelt war, fühlte ich mich erleichtert, die gewohnte Umgebung wahrzunehmen.

Kastration nennen sie das und es sei besser für mich, da ich von wenigstens einer Sache erlöst wäre. Ich müsste nicht nach Weibchen suchen, wenn mich dieser Trieb überkommt. Als ob ich nach Weibchen gesucht hätte und deshalb kilometerweit weg gelaufen wäre und nicht mehr zurück gefunden hätte. Sie wussten noch nicht, welch fauler Kater ich bin. Na ja, ganz so faul war ich nie, da ich von klein auf gelernt habe, wie man auf Mäuse lauert und sie fängt. So viel wie von meinen Freunden habe ich ja nie zu essen bekommen und damals war eben so eine kleine Maus eine willkommene Zwischenmahlzeit. Manche verachtete ich auch später nicht und auch Vögel waren eine Spezialität für mich. Man nennt es Jagdtrieb und es war wirklich wie verhext, denn wenn sich im Draußen etwas in einem ganz bestimmten Rhythmus bewegte, musste ich hinterher. Genauso hinterher, wie hinter der Schnur, die meine Freundin über meinen Kopf tanzen und über den Boden schleichen ließ. Das weckte etwas in mir, was ich doch lieber Spieltrieb nennen möchte.

Nebenbei erkundete ich sehr oft die Nachbarschaft und so auch andere ganz private Reviere. Wir zogen uns immer gegenseitig auf und jagten uns gerne aus Spaß. Dort, im Garten, wo ein großer Grill stand, war eine sehr scheue Katze. Sie lief immer vor mir weg und schien manchmal sogar Angst vor mir zu haben, obwohl ich ihr sicher nie etwas getan hätte. Irgendwann war sie dann weg und kam nie wieder. Man sagte, ein Auto hätte sie getötet. Die Menschen, wo sie ihr ganz privates Revier hatte, waren dann sehr traurig. Aber sie waren nett, denn jedes Mal wenn sie am Grill Feuer machten, fiel für mich ein Stück Fleisch ab.

Daneben waren auch nette Menschen. Sie hatten einen sehr großen Kater, der etwas seltsam war. Vielleicht deshalb, weil er schon alt war. Er wusste nicht mehr so genau, wie er sich fühlen soll. Manchmal schnurrte und fauchte er zugleich. Nach ihm kam ein schwarzer, dicker Kater. Der war angenehm. Wenn ich draußen einen Platz für mich wollte, ging er ohne zu murren und überließ mir diesen Platz freiwillig.

Aber es gab eine Zeit lang noch immer diesen Tigerkater, mit dem nicht zu spaßen war. Er wollte immer wieder in mein ganz privates Revier und mein Essen klauen. Mit ihm konnte ich nicht spielen. Er sah in mir einen Rivalen und ich in ihm. Wenn wir zusammen kamen, wurde es ernst. Aber auch er war irgendwann mal weg und kam nie wieder und schließlich war ich alleiniger Herr im Draußen.

Einmal hatte ich sogar so etwas wie einen Freund. Nein, den hatte ich immer und auch die Freundin. Ich meine einen Katzenfreund. Er sah angeblich aus wie ich, ein schwarz-weißer Kater. Zwischen uns gab es absolut keine Rivalität. Er wohnte in derselben Siedlung, nur in einem anderen Haus. Er durfte sogar in mein ganz privates Revier und von meinem Essen kosten. Und ich machte dasselbe bei ihm. Wir waren echt Freunde und hätten sogar zusammen leben können. Aber dann war auch er auf einmal auch nicht mehr da. Ich suchte ihn und irgendwann glaubte ich seine Witterung aufgenommen zu haben. Aber in der Erde? Es war wieder mal ein Auto. Ein Auto hatte meinen Freund getötet.

Die Straße war zwar weiter weg, doch manchmal überkam es uns und wir spazierten durch die Gärten durch und befanden uns direkt vor der Straße. Gerade nachts waren die Lichter verwirrend und dann wussten wir nicht mehr, in welche Richtung wir laufen sollen, wenn der Lärm eines Autos näher kam. Ich hatte immer Glück. Vor allem Glück, vernünftigen Autofahrern zu begegnen, die langsamer wurden, wenn sie mich sahen. Aber die Nachbarkatze und mein schwarz-weißer Freund schienen Pech gehabt zu haben.

Man sagt von uns Katzen auch, dass wir Geister sehen können. Schwachsinn! Geister sind körperlos und unsichtbar, aber wahrnehmbar. Vielleicht sehen manche Menschen Geister, aber wir Katzen nehmen sie nur imaginär wahr. Damals habe ich meinen Freund, den Nachbarskater, bzw. seinen Geist, auch wahrgenommen, wie er noch immer in unserem gemeinsamen Revier herumstreifte. Die Straße mied er, da er anscheinend wusste, dass er tot war und dieses Ereignis sicher nicht wieder erleben wollte. Aber nach mehreren Tagen verschwand auch sein Geist.

Mein Leben mit meinen Freunden war auch ohne Katzenfreund etwas Wunderbares. Ich weiß, sie fragten sich oft, ob ich weiß, wie gut es mir bei ihnen geht. Ich weiß es, Freunde. Und ich genoss unser Beisammensein, besonders als mein Freund immer zu Hause war und nicht mehr arbeiten gehen musste. Da frühstückten wir immer zusammen. Ich durfte sogar auf den Küchentisch, was doch echt etwas Besonderes war. Übrigens, ich durfte überall hin. Es gab keinen Ort in meinem ganz privaten Revier, der für mich tabu gewesen wäre. Außer, wenn mein dritter Freund, der Sohn da war. Nachts ließ er mich nicht in sein Zimmer, da er in Ruhe schlafen wollte. Aber er war selten da, bloß an manchen Wochenenden. Und er wunderte sich stets, dass ich ihn nach Monaten wieder erkannte, weil ich ihn begrüßte und tagsüber nicht von seiner Seite wich. Ich mochte ihn, diesen coolen und doch so sanften Typ. Und als er mal mit seiner Freundin kam, war ich auch dabei in seinem Zimmer. Sie haben mich fotografiert und ich legte mich natürlich in Pose, eitel wie ich war. Immerhin sagte meine Freundin sehr oft zu mir, dass ich ihr schöner Kater bin, ihr Prinz, ihr Bärli. Na ja, Namen hatte ich viele und ich hörte eigentlich auf alle, wenn ich ihre Stimmen vernahm.

Ich wollte ja über das Essen erzählen. Mein Lieblingsthema. Ach, da gab es immer Gutes und sie nannten mich einen Feinschmecker, obwohl sie es waren, die das Zeug heim brachten. Mit ihm aß ich gerne, da er mehr die fleischliche Kost liebte. Ihr Käse, ihre Tomaten und Paprika und all das Gemüse und vor allem den Obstsalat durfte sie alleine essen, aber er hatte wirklich gourmetverdächtige Nahrung aufm Tisch, hauchdünner Schinken, Lachs, feiner Speck und gute Wurst. Ach, da läuft mir jetzt noch das Wasser im Maul zusammen. Und erst, als es Backhendl am Sonntag gab! Da aß sie auch mit und ich bekam ein großes, fein aufgeschnittenes Stück weißen Brustfleisches von meiner Freundin. Es war herrlich zu dritt beim Tischmahl zu sitzen. Ich gehörte einfach dazu. Ich war ein Familienmitglied und so fühlte ich mich auch. Wirklich, Freunde, auch wenn ihr manchmal zweifelt, ob primitive Katzen wie ich überhaupt etwas mitbekommen.

Ich spürte ja auch, wenn ihr euch Sorgen um mich gemacht habt, wenn ich etwas länger im Draußen war und auf euer Rufen nicht reagierte und erst Stunden später vor der Balkontür saß. Und als ich wieder in diese Kiste musste, und meine Freundin mit mir zu einer fremden Frau fuhr, weil ich eins meiner Vorderbeine beim Laufen hoch hielt, habt ihr euch wieder Sorgen gemacht. Es war ja nur ein Holzspan und als die fremde Frau ihn mit einer Pinzette herauszog, war alles wieder gut.

Manchmal brachte ich euch als Dankeschön meine Beute, aber mir schien, darüber wart ihr nicht gerade glücklich. Deshalb hab ich sie, wenn sie besonders knackig war, selbst aufgegessen. Einmal habe ich euch eine seltsame Beute gebracht. Ihr wart geradezu entsetzt. Wie hätte ich auch wissen sollen, dass Fledermäuse geschützt und nicht gejagt werden dürfen? Aber sie hat das Tierchen gerettet und nach Draußen gebracht, wo es wieder weg fliegen konnte. Immerhin habe ich es sehr sanft in meinem Maul getragen, ohne es ernsthaft zu verletzen. Und als wir mal gemeinsam draußen waren, wollte ich euch noch eine sehr seltsame Beute präsentieren. Ihr seid unter der Laube auf der Bank gesessen und habt mich ausgelacht, als sich die Eidechse an meiner Lefze festgebissen hat. Das war nicht nett, denn ich befürchtete, von nun an ständig mit einer Eidechse an meinem Maul herumlaufen zu müssen. Aber dann hattet ihr Mitleid und habt mich von dieser Bestie befreit. Es war immer schön, wenn ihr mit mir zusammen im Draußen wart. Ab und zu gingen wir sogar zusammen spazieren, vor zur Wohnstraße oder zum Parkplatz zum anderen Haus rüber in die Wiese, wo am Rand der Böschung mein Katzenfreund begraben war.

Ich saß und lag auch gerne aufm Balkon. Das war so ein gemütlicher Holzbalkon, wo ich mich sogar zwischendrin verstecken konnte und auf Vögel lauerte, wenn sie sich frech zu nah heran wagten. Erwischt hab ich nie einen. Leider wurde der Holzbalkon einige Jahre später durch etwas ersetzt, das gar nicht mehr gemütlich für mich war. Ich konnte nicht mehr nach oben springen, weil da nichts mehr war, was mir Halt gegeben hätte.

Es veränderte sich die Jahre über ohnehin sehr viel. Die Wiesen wurden immer weniger, wie auch meine Lieblingswiese, wo ich schon damals auf Mäuse lauerte, als ich noch die alte Heimat mein Revier nannte. Dort bauten sie mehrere Häuser und Zäune, die ich zwar überwand, die aber doch lästig waren. Mein absoluter Lieblingsplatz aber war auf meiner Freundin, wenn es sich beide auf der Couch beim Fernsehen bequem machten. Da schlief ich so lange, bis sie mich höchstpersönlich ins Schlafzimmer an ihre Seite trug, wo ich sofort wieder weiterschlief. Es stimmt tatsächlich, Katzen verschlafen einen Großteil ihres Lebens.


Es war irgendwann im Mai 2012, als plötzlich eine fremde Katze in meinem ganz privaten Revier auftrat. Da stand sie, sehr stämmig, langhaarig, sah aus, als wäre sie stets grantig und fauchte mich an. Mich! Aber ich kannte sie bereits. Und wie sie sich gewundert haben, dass ich sie toleriere und nicht weg scheuche, wie manch andere Katze, die es wagt, sich in die Nähe meines Reviers zu schleichen. Meine beiden menschlichen Freunde unterschätzen uns Katzen und wahrscheinlich auch alle anderen Tiere viel zu sehr. Wir sind den Menschen nicht nur instinktmäßig voraus, wir haben auch die Gabe, ohne Konversation zu erkennen, wo sich unsere menschlichen Freunde aufhalten, wenn sie nicht gerade in ihrem ganz privaten Revier sind.

Diese Katze, die nun in meinem ganz privaten Revier stand und mich, den alleinigen Herrscher dieses Domizils, anfauchte, habe ich damals schon länger gewittert. Es gab noch eine dort, wo meine beiden Freunde sich manchmal aufhielten, aber dem Katzenhimmel sei Dank, die kam nicht mit. Sozusagen spürte ich sofort, dass sich unsere Familie vergrößert hat und ich ließ die Katzendame gentlemanlike fauchen und ging vorsichtig langsam, jedoch mit stolz erhobenem Kopf an ihr vorbei zu meinem Fressnapf, wo nun zwei, statt einer stand. Das ist nicht ganz richtig. Es gab einen größeren Fressnapf mit ständigem Trockenfutterinhalt, einen kleineren aus Porzellan mit Katzenmilch, falls ich sie nicht zum Frühstück, zusammen mit meinem Freund, ausgetrunken hatte und schließlich gab es dann einen für Katzenfutter oder Frischfleisch. Und nun stand ein zweiter Napf für Katzenfutter oder Frischfleisch neben meinem. Auch das tolerierte ich. Ich verlor ja nichts. Der Platz auf meiner Freundin und neben ihr im Bett war noch immer meiner. Auch Essen bekam ich gleich viel wie immer und wurde weiterhin verwöhnt. Und es war gar nicht so schlecht, eine Katzenfreundin zu haben, mit der ich nachts durch die Gärten und Wiesen in der Umgebung streifen konnte. Aber sie war etwas zickig und vor allem immens stur. Sie folgte mir nur, wenn sie sich selbst ganz sicher war, eigenständig zurück zu finden. Das war gar nicht so dumm von ihr, obwohl ich sie sicher nie weggelockt hätte, damit sie nie wieder heim finden würde. Ehrlich nicht!

Meine beiden menschlichen Freunde hielten sie ohnehin für eine sehr intelligente Katze, während ich das weniger sein sollte, weil ich nicht auf die Türschnallen sprang, um mir Einlass in einen verschlossenen Raum zu verschaffen. Wozu denn? Wenn ich lange genug nach oben blicke, springt ohnehin sie oder er auf und öffnet die Tür.

Und dann dieser Steg zum Balkon hoch! Bisher bin ich immer höchst elegant diese winzige Strecke hoch gesprungen und nun, nur weil diese Katzendame da ist, muss ein Steg her. Der war mir nur im Weg, also sprang ich weiterhin hoch und mied es, auf das Holz zu treten. Ich beobachtete meine Mitbewohnerin, wie sie elegant hoch stolzierte und irgendwann probierte ich es auch aus. Es war bequem und ich musste nicht mehr genau zielen, um mir nicht die Stirn am Balkonholz anzuschlagen. Was ich mit all dem sagen möchte, ich war nicht viel dümmer als dieser Neuzuwachs und meine menschlichen Freunde haben manches, was Intelligenz betrifft, missinterpretiert.

Dann kam ohnehin das neue Balkongeländer, wo ich tatsächlich lange brauchte, um zu registrieren, dass ich da nicht mehr hochspringen kann, um mich auf dem breiten Holzgeländer zu sonnen oder mich in der Rille, wo bei manchen Nachbarn Blumen heraus blühten, zu verstecken und auf Vögel zu lauern. Das war nun vorbei. Ich konnte nur mehr unten durch einen Spalt durchschauen. Aber das hochklettern vom Draußen auf den Balkon funktionierte noch.

Alle anderen Veränderungen, wie statt Teppich- ein Holzboden, nahm ich leichter in Kauf, aber der Holzbalkon fehlte mir wirklich lange. Auch die Katzendame vermisste ihn, da wir oft zusammen drauf hockten und das Draußen sicher und gemütlich überblickten konnten. Das Liegebett auf dem Balkon, auch wenn ich gerne darauf lag, konnte das sicher nicht ersetzen.

Trotzdem war das Leben bei meinen menschlichen Freunden noch immer paradiesisch und ich genoss es Tag für Tag und Nacht für Nacht. Im Winter kuschelte ich mich stets an meine Freundin, während die Katzendame bei den Füßen meines Freundes schlief und wenn es warm wurde, verbrachten wir den Großteil der Nächte draußen, weil es da kühler war. Hitze mochte ich nie so wirklich und direkte Sonnenbestrahlung auch nicht, außer, es handelte sich um die Winter- oder Herbstsonne.

Es gab da im Draußen, wenn es arg heiß war, einen kühlen Platz unter den Zypressen der Nachbarn. Da war die Erde schön kühl. Der Nachteil waren diese kleinen Tierchen, die sich aus den Zypressen lösten und in meinen Pelz schlichen und mir dann das Blut aussaugten. Meine Freundin entfernte sie meistens und dafür war ich ihr wirklich mehr als dankbar. Es gab da auch so etwas Ekliges, was sie mir ins Genick strich, was angeblich diese kleinen Tierchen abhalten sollte, mich zu kitzeln und zu beißen, aber das kitzelte und biss noch mehr als die Tierchen. Die Katzendame hatte es etwas leichter, was wohl bedingt durch das lange Haar ihres Fells und der Weg den kleinen Tierchen bis zur Futterquelle zu lange war.

2015/2016 war das letzte Feuerwerk in meinem Katzenleben, das ich vom Bett meiner Freundin aus hörte. Ich richtete mich auf und lauschte diesem furchtbaren Krach, den Menschen zu jedem Jahreswechsel machen. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, - damals wusste ich das natürlich nicht und auch manch anderes nicht, wovon ich so menschlich erzählte. Damals war es einfach ein Krach, so wie Gewitter, obwohl ich auch nicht wusste, was ein Gewitter ist. Ich kuschelte mich nach dem Krach noch inniger an meine Freundin, auch wenn sie das nicht so gerne mochte. Sie braucht Freiraum in jeder Beziehung. Aber ich brauchte ihre Nähe und manchmal, wenn nicht meistens, verstand sie das auch.

Mich verband sehr viel mit diesen beiden Menschen, die mich als ihresgleichen aufgenommen hatten. Und ich glaube, vor allem meine Freundin spürte in diesem Jahr, dass es vielleicht mein letztes sein könnte. Manchmal, wenn ich, wie selbstverständlich, vom Wohnzimmertischchen auf die Couch und direkt auf ihren Bauch stapfte, streichelte sie meinen Kopf und sah mich sehr seltsam an. Was sie sagte, verstand ich nicht, aber es hatte etwas mit dem Tod zu tun. Sie sah dann sehr traurig aus. Und ich glaube, ich auch, obwohl in Katzengesichtern sehr schwer zu lesen ist. Es dürfte unser beider höheres Gefühl gewesen sein, die Vorahnung oder wie auch immer dies genannt wird, was sie sagen ließ, dass ich noch nicht gehen dürfe und wenn, dann ohne Schmerzen, einfach einschlafen und das in ihren Armen, denn sie würde mich beim Sterben sicher nicht alleine lassen.

Es begann irgendwann Anfang oder Mitte August. Es war ein Unwohlsein im Bauch und ich wurde mehr und mehr hungrig. Meine beiden Freunde wunderten sich zwar, wie ich auf einmal nur so viel essen konnte. Na ja, ich aß immer etwas mehr und sah auch gut genährt, aber sicher nicht zu fett, aus. Aber in diesen Tagen übertrieb ich es wirklich. Sie wussten ja nichts von meinem Durchfall und dem Brennen beim Urinieren. Ich wusste natürlich auch nicht, was plötzlich mit mir los war. Ich war nur stets sehr hungrig und musste viel zu oft nach Draußen. Hinzu kam dann noch, dass mein Freund ebenfalls krank wurde und ins Krankenhaus musste. Und nebenbei wurden Vorraum und Küche erneuert, was mich ziemlich nervös machte. Es kam einfach viel zu viel zusammen, auch für meine Freundin, die diesmal sehr, sehr traurig war.

Im Jahr, bevor die Katzendame kam, war meine Freundin auch schon mal alleine, weil mein Freund im Krankenhaus war. Aber damals erschien sie mir ruhiger und zuversichtlicher, obwohl es damals etwas ernster war. Auch damals verbrachte ich mehr Zeit in ihrer Nähe. Wir Katzen spüren, wenn wir gebraucht werden, vor allem, wenn es sich um sehr sensible Katzen handelt. Und ich muss ganz offen sagen, dass ich eine sehr, sehr sensible Katze – pardon, ein sehr, sehr sensibler Kater war, auch wenn man mich meiner Männlichkeit beraubt hat.

Als meine Freundin mein mehrmaliges Bemühen zu Urinieren beobachtete, ging es ab zur Tierärztin, zu dieser fremden Frau, die mir einst einen Span aus der Pfote zog. Ich bekam eine Spritze, Medizin und musste dann zwei Tage in meinem ganz privaten Revier verbringen, während die Katzendame alles tun und lassen durfte, was sie wollte. Ein Entzug vom Draußen ist unverzeihlich! Ich wäre doch nicht davon gelaufen und außerdem war es mir peinlich, aufs Katzenklo zu gehen. Das Katzenklo mied ich so oft ich nur konnte. Es musste schon eine absolute Notsituation sein, dass ich das Katzenklo aufsuchte. Und diesmal war es eine und es war mir wirklich sehr, sehr peinlich. Immerhin hatte ich argen Durchfall und das duftete nicht besonders gut, was auch meine Freundin mit gerümpfter Nase feststellte.

Dann kam mein Freund wieder nach Hause und alles schien in Ordnung zu sein. Dachte ich zumindest, aber mein ständiger Hunger hörte nicht auf und der ständige Durchfall ebenso wenig. Und jetzt waren auch noch Handwerker in der Wohnung, um den neuen Vorraum und die neue Küche einzubauen. Ach ja, ein neuer Boden wurde auch gemacht, den ich sofort einweihte. Das war nicht bös gemeint. Ich konnte es einfach nicht mehr zurückhalten und schaffte es auch nicht mehr bis zum Katzenklo.

Die Fahrt zur Tierärztin stand abermals bevor, auch wenn ich sie noch so bittend ansah, mir einfach nur ständig Essen zu geben und mich dann in Ruhe zu lassen, bis ich sie um Essen anbettle. Die nächste Medizin war eine Qual, genauso wie die Prozedur bei der fremden Frau. Blutabnahme, Ultraschall, und dann diese garstige Medizin, wo mir alles hochkam. Es kam nichts hoch, da nichts drinnen war. Was hoch kam war mein bitterer Speichel. Ich sollte Diätfutter bekommen! Ich! Einst wog ich an die sieben Kilo und nun nicht mal mehr die Hälfte. Aber sie zogen es einige Tage beinhart durch, bis es beiden zu blöd wurde und sie sich sagte, wenn es schon die letzten Tage unseres Katzenfreundes ist, soll er sie auch genießen können. Ich glaube, dieser Moment kam ihnen, als ich ihnen beim Mittagessen auf den Tisch sprang und in den Teller stieg. Von da an bekam ich zu dem Diätfutter auch ein bisschen gewohntes Katzenfutter. Aber es änderte sich nichts an meinem Befinden. Der Hunger war ständig war und der schmerzliche Drang, das, was ich gerade gegessen hatte, hinten wieder raus zu lassen, ebenso. Und bald schaffte ich es nicht mehr nach Draußen und musste beschämenderweise aufs Katzenklo.

Mich interessierte auch nichts mehr da draußen. Es war sehr ermüdend für mich, trotz dem Steg, den sie für uns Katzen am Balkon angebracht haben. Die wärmende Sonne genießen. Das war noch drin, aber dann wollte ich nur mehr schlafen. Schlafen, essen und aufs Katzenklo. Am Morgen war ich immer besonders hungrig und weinte laut um mein Futter. Ich schlief auch nicht mehr im Bett neben meiner Freundin. Es war zu mühsam und ich spürte, dass ich sie sehr beunruhige.

Es war der dritte November 2016, als ich am Nachmittag wieder in diesen mir so verhassten Kasten verfrachtet wurde. Mein Freund ging schluchzend in ein anderes Zimmer, als mich meine Freundin nach draußen trug, wo bereits ein Auto wartete. Vorher durfte ich noch einen letzten Blick auf mein Revier werfen.

Ja, natürlich wusste ich nicht, was sie mit mir vorhatten! Aber es hört sie so wunderbar dramatisch an. Und das war es ja auch – damals. Nicht weil ich schon wieder Durchfall hatte und meine Notdurft im Kasten verrichtete, als ich in der Tierarztpraxis auf den Untersuchungstisch gesetzt wurde. Ich wollte wieder in den Kasten, nach Hause, aber da war dieser Gestank und ich blickte auf meine Freundin, bat sie, doch den Kasten zu reinigen, da wir wieder nach Hause sollten. Und dann hob sie mich hoch, als diese fremde Frau mit einer Spritze in der Hand kam. Sie drückte mich an sich und ich spürte die Injektion in meinem Bauch. Sekunden später war alles dunkel, ruhig und schmerzlos. Ich spürte nur noch, wie mein Kopf auf den linken Arm meiner Freundin fiel, dann war alles vorbei.

Und jetzt? Was soll ich viel sagen? Es waren wundervolle Katzenjahre, vor allem die letzten neun, die ich mit meinen beiden Freunden und die letzten vier, die ich mit der süßen Katzendame verbringen durfte. Selbst wenn die letzten Tage nicht mehr das Gelbe vom Ei waren, aber so ist es nun mal, wenn man alt und krank wird. Das Leben, sogar das Katzenleben, ist nicht ständig nur Honig schlecken.

Natürlich sind sie jetzt sehr traurig, meine Freunde. Ich wäre ja auch gerne noch länger geblieben, hätte noch weitere Frühstücke mit meinem Freund genossen, wie auch die köstlichen Zwischenmahlzeiten mit Lachs oder Schinken. Und die Momente, wenn mich meine Freundin liebevoll mit einem kleinen Löffel fütterte, was ich ebenso genoss. Aber – pscht! – so etwas verstehen nicht viele Menschen, dennoch muss ich es erwähnen, weil es mich noch mehr mit ihnen verband.

Ich bin noch bei euch, Freunde, also seid nicht traurig. Ich bin in der Wiese vor eurem Balkon, in den Bäumen, die in der Wiese stehen. Ich bin in den Krähen, die ihr noch immer füttert und vor allem in der süßen Katzendame, der ich natürlich Tage bevor es mir besonders schlecht ging, aufgetragen habe, auf euch zu achten. Ich bin in euch beiden, in euer beider Herzen. Ich bin in allem, wo und was immer ihr sehen und fühlen mögt. Und doch bin ich auch auf meinen Weg nach Hause Heimkommen – dorthin, woher ich einst gekommen bin. Und nun: Adieu, wie wir Katzen sagen!
 
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Das Essen roch gut und schien abwechslungsreich zu sein. Die beiden schauten mich an. Irgendetwas Angenehmes war zu fühlen, irgendwas wie Heimat. Er erschien mir sehr gradlinig zu sein. Sie wirkte ziemlich emotional und deshalb auch ein wenig launisch. Aber ihr Blick sprach Bände. So als wollte sie mir etwas ganz Wichtiges sagen. So sah sie mich dann später oft an, besonders am Schluss.

Aber so weit sind wir noch nicht, denn ich kann mich an vieles erinnern, nachdem ich mich dazu entschlossen habe, bei diesem gut riechenden und abwechslungsreichen Essen zu bleiben und na ja, auch bei den beiden, wo ab und zu ein dritter dazu kam. Außerdem war es angenehm warm an diesem Ort.

Sie machte sie oft Sorgen um mich. Das erste Mal, als sie mich sanft hinaus schubsten, weil sie ausgingen und wahrscheinlich Angst hatten, ich würde in ihrem Revier etwas anstellen. Abwarten, denn bald ist es mein ganz privates Revier, - sagte ich mir und blickte ihnen aus einem Versteck nach, als sie davon gingen. Es war kalt und ziemlich windig. Genau deshalb machte sie sich Sorgen um mich. Seltsam, dass sie selbst bei so einem Wetter nach Draußen wanderten. Mir machte es nichts. Ich verbrachte schon einige Tage und Nächte im Draußen, als das Wetter noch grauslicher war. Es war ja nicht so schwer in dieser Gegend einen wärmeren Platz zu finden.

Gegenüber vom anderen Balkon, der an den Raum grenzt, in dem sie die guten und abwechslungsreichen Nahrungen zubereiten, war einer meiner Lieblingsorte. Es ist eine Wiese, auf der ich gerne jagte. Und weiter drüben stand ein altes, verfallenes Gebäude, in dem ich früher oft Schutz suchte und wo es einigermaßen warm war, wenn die Tage und Nächte eisig waren. Irgendwann gab es diese Wiese nicht mehr und auch das alte Gebäude wurde abgerissen. Klar war es schade, aber ich hänge nicht so sehr an Dingen, denn es gibt ja auch noch anderes zu erforschen.

Aber wieder greife ich zu weit vor. Irgendwie ist das normal, denn ich habe es nicht so mit der Zeit. Zeit ist für mich etwas Abstraktes. Nur, was ist nicht abstrakt in dieser Welt, in die hinein geboren wurde?

An meine Geburt erinnere ich mich nicht. Auch nicht an meine Mutter. Irgendwann war ich an diesem Ort, in diesem alten Gebäude, wo es wärmer war als im Draußen. Und dann kümmerte sich jemand um mich. Manchmal durfte ich sogar in ihr Revier. Aber es schien, als hätten sie kaum Zeit für mich. Sie gingen immer fort und wenn sie kamen, beachteten sie mich nur selten. Ab und zu durfte ich auf dem Schoß von jemandem sitzen und wurde gestreichelt. Auch das war selten. Aber es war mir egal, denn ich bekam Nahrung und hatte es warm, wenn es im Draußen kalt war. Ganz dunkel erinnere ich mich, dass ich manchmal abwechselnd einen der beiden sah, zu denen ich ein paar Jahre später zog. Ich war damals sehr schüchtern und blickte recht scheu zur Tür heraus.

Das nächste, woran ich mich erinnere, war ein Kollege von mir. Ich mochte ihn nicht. Er passte nicht in mein Revier. Außerdem fehlte irgendetwas an ihm, was ich damals noch hatte und was mich oft ruhelos machte. Ich war ein Kater. Er nicht mehr. Es entstand eine Rivalität, die mich ärgerte und mir zugleich Spaß machte. Manchmal war er bei den beiden, wo es das gute und abwechslungsreiche Essen gab. Aber es war nicht sein ganz privates Revier. Das war zwar im selben Gebäude, aber nicht an dem warmen Ort, wohin es mich mehr und mehr zog.

Es gibt für uns Katzen unterschiedliche Reviere. Im Draußen müssen wir uns die Plätze oft teilen und wenn wir mehrere sind, auch im Drinnen. Mit manchen teilte ich gerne, mit anderen eher ungern und ganz besonders mit diesem einen Kater nicht, dem etwas fehlte. Nur im Drinnen erkennen wir die ganz privaten Reviere. Das sind die Orte, an denen wir uns besonders wohl fühlen und wo wir auch gerne lange schlafen. Und gerade dort hielt sich dieser eine Kater auch ab und zu auf, was mich ziemlich wütend machte. Aber ich setzte mich durch. Und als eben dieser Blick von ihr auf mich fiel, wusste ich, dass ich eine Heimat gefunden habe, in der ich bleiben darf.

Die beiden gehörten buchstäblich mir. Sie lachten, als ich es ihnen demonstrierte, indem ich ihm auf den Rücken stieg und dort liegen blieb, als er auf der Couch lag. Er gehört jetzt mir, sagte ich mir und warf ihr einen dementsprechenden Blick zu, als sie lachte. Da war wieder dieses Gefühl, das ich an meinem früheren Ort nicht spürte. Hier war nicht nur gutes und abwechslungsreiches Essen, sondern auch Wärme. Das hat nichts mit Temperatur zu tun, das kam aus diesen beiden und manchmal aus dem dritten, den ich später nur mehr selten sah.

Als ich die erste Nacht bei ihnen im ganz privaten Revier verbrachte, war mir nicht ganz so wohl. Ich fühlte mich irgendwie eingesperrt, weil ich den Weg in weitere Reviere nach Draußen nicht fand. Aber auch da hatten sie Nachsicht mit mir und ließen später, solange es nicht zu kalt war, die Balkontür einen Spalt für mich offen.

Es war also Herbst, als ich meine neue Heimat als mein ganz privates Revier markierte. So Ende Oktober, Anfang November herum. Ich hab’s nicht so mit Daten und auch nicht mit bestimmten Reihenfolgen, weshalb es durchaus sein kann, dass ich manches nachtrage, was mir erst im Nachhinein wieder einfällt. Immerhin bin ich ein Geist und keine Katze mehr. Wer also schreibt hier? Teils sind es meine Gefühle, teils die Gedanken meiner Dosenöffnerin.

Ach, komm, so musst du dich nicht nennen. Du warst schon sehr viel mehr für mich und das kannst du getrost so tippen, ohne zuviel Interpretation zu befürchten.

Nun weiter mit meiner Geschichte und ich hoffe, ich komme im Gehirn meiner Freundin (das ist doch viel besser als Dosenöffnerin!) weiterhin gut durch und sie vertippt sich nicht zu oft.

Es war bereits Dezember, als ich mich so richtig eingewöhnt hatte und auch schon im Bett neben den beiden schlafen durfte. Das war vielleicht ein Spaß, als er mich das erste Mal in die weiche Decke legte! Da wusste ich sofort, wo von nun an mein Lieblingsschlafplatz sein wird. Nach der ersten Dezemberwoche standen plötzlich Koffer im Vorraum und die beiden kamen mir irgendwie nervös vor. Na ja, nicht negativ nervös, eher angenehm aufgeregt. Wir Katzen empfangen die Gefühle anderer ja ziemlich intensiv. Und der dritte war auch da. Er war ruhig. Ich hatte ihn gern. Er hatte so ein katzenhaftes Wurschtigkeitsgefühl und doch war er da, wenn ich meine Streicheleinheiten wollte und brauchte. Er war und ist der Sohn der beiden, der dann später in einem anderen Revier in einer anderen Stadt wohnte. Diesmal war er noch da. Extra für mich, um mich zu versorgen, während die beiden Urlaub machten. Es war übrigens ihr letzter Urlaub, als sie auf ihre Lieblingsinsel flogen. Ihr letzter deshalb, weil sie es nicht mehr übers Herz brachten, mich alleine zu lassen oder mich irgendwelchen Fremden zu überlassen. Der Sohn war dann ja weg und hätte keine Zeit gehabt.

War das dann eine Freude, als sie wiederkamen. Ich war gerade aufm Küchenbalkon, als sie mit ihren Koffern daher kamen, braun gebrannt und gut gelaunt. Aber ich erschrak, als sie die Jalousien hochzog. Es war ein so laut schmerzenden Geräusch und ich musste reiß aus nehmen. Und dann hörte ich schon ihre Stimme, wie sie mich leise rief. Sie kam mir hinterher und ich blieb stehen und ließ mich von ihr auf ihren Arm und ihre Schulter nehmen. Es war ein angenehmes Gefühl in ihren warmen Armen wieder in mein ganz privates Revier getragen zu werden.

Ich war froh, dass sie wieder da waren, aber es war auch eine schöne Zeit mit ihrem Sohn, der mich zwar nicht so verwöhnte, wie die beiden, der aber, wie Menschen heutzutage gerne sagen, echt cool war. Er machte Fotos von mir und spielte auch ab und zu mit mir. Auch saß er oft vorm Computer und ich hockte dann lässig auf seinem Schoß.

Ach, das muss ich unbedingt erwähnen! Mit mir hat früher niemand gespielt. Bevor die beiden wegflogen, setzte sie sich einmal zu mir auf den Boden runter und hielt eine Schnur über meinen Kopf. Sie nannten es Schuhband. Dieses Schuhband hatte an beiden Enden etwas Hartes. Es machte Spaß, daran zu knabbern. Zuerst verstand ich nicht wirklich, was sie von mir wollte, aber dann regte sich mein Jagdinstinkt (wie sie es nannten) und ich spielte mit. Es machte Spaß und ich erinnerte mich in den nächsten Tagen stets um die fast gleiche Zeit daran. Das hat jetzt nichts mit Daten zu tun, das ist die innere Uhr, die übrigens auch Menschen haben. Ich setzte mich dann stets vor sie hin und schaute sie mit großen Augen an. Sie verstand! Sie verstand mich ohnehin meistens. Auch beim Essen. Wenn ich mal Lust auf eine andere Dose hatte, machte sie tatsächlich eine andere auf. Ja, ich wurde wirklich angenehm verwöhnt und war so glücklich wie noch nie.

Etwas lag in der Luft. Ich konnte es ganz genau spüren. Immerhin sind wir Katzen extrem empathisch. Man sagt, so nebenbei bemerkt, auch von uns, wir seien Autisten ohne Berührungsängste, was so sicher nicht stimmt. Wir leben zwar in unserer eigenen Welt, was ohnehin jedes Lebewesen tut, aber wir nehmen Gefühle, wie auch Gedanken anderer Lebewesen sehr viel mehr wahr als Menschen dies tun. Und dieses in der Luft liegen, war so in etwa vor oder kurz vor Frühlingsbeginn. Auf jeden Fall war die Winterkälte bereits vorüber. Genau konnte ich nicht feststellen, was meine beiden Freunde vorhatten, aber ich machte mich auf den Weg, um irgendein Abenteuer zu erleben. Es duftete überall so gut und die ganze Umgebung schien in Aufruhr zu sein. Es waren einige Tage und Nächte, in denen ich die Gegend um mein ganz privates Revier mied. Und ich genoss diese Zeit. Mehr verrate ich nicht. Ja, vielleicht auch noch, dass ich bei meiner alten Heimat vorbei geschaut habe. Aber die Menschen dort haben mich nicht vermisst, also zog ich weiter und trabte langsam, nach diesen abenteuerlichen Tagen und Nächten, über die Wiese zum Haus, in dem meine beiden Freunde wohnen. Und da stand schon mein Freund aufm Küchenbalkon und rief mir mit so viel Freude in seiner Stimme zu. Das war dann eine Begrüßung! Den beiden fehlte ich wirklich.

Dann kam der Tag, den ich schon vorher gespürt habe. Ich wehrte mich, als sie mich in einen so seltsamen Kasten stecken wollten. Das roch nicht angenehm und fühlte sich noch unangenehmer an. Aus diesem Kasten hatte ich zwar Ausblick, aber ich wollte nicht nur Ausblick – ich wollte raus!

Was weiter passierte, daran erinnere ich mich nicht mehr. Vielleicht, weil ich mich nicht daran erinnern wollte. Auf jeden Fall war ich froh, als sie mich von dort, wo sie mich in diesem Kasten hingebracht hatten, wieder abholten und mit nach Hause, in mein ganz privates Revier brachten. Obwohl ich noch ziemlich benebelt war, fühlte ich mich erleichtert, die gewohnte Umgebung wahrzunehmen.

Kastration nennen sie das und es sei besser für mich, da ich von wenigstens einer Sache erlöst wäre. Ich müsste nicht nach Weibchen suchen, wenn mich dieser Trieb überkommt. Als ob ich nach Weibchen gesucht hätte und deshalb kilometerweit weg gelaufen wäre und nicht mehr zurück gefunden hätte. Sie wussten noch nicht, welch fauler Kater ich bin. Na ja, ganz so faul war ich nie, da ich von klein auf gelernt habe, wie man auf Mäuse lauert und sie fängt. So viel wie von meinen Freunden habe ich ja nie zu essen bekommen und damals war eben so eine kleine Maus eine willkommene Zwischenmahlzeit. Manche verachtete ich auch später nicht und auch Vögel waren eine Spezialität für mich. Man nennt es Jagdtrieb und es war wirklich wie verhext, denn wenn sich im Draußen etwas in einem ganz bestimmten Rhythmus bewegte, musste ich hinterher. Genauso hinterher, wie hinter der Schnur, die meine Freundin über meinen Kopf tanzen und über den Boden schleichen ließ. Das weckte etwas in mir, was ich doch lieber Spieltrieb nennen möchte.

Nebenbei erkundete ich sehr oft die Nachbarschaft und so auch andere ganz private Reviere. Wir zogen uns immer gegenseitig auf und jagten uns gerne aus Spaß. Dort, im Garten, wo ein großer Grill stand, war eine sehr scheue Katze. Sie lief immer vor mir weg und schien manchmal sogar Angst vor mir zu haben, obwohl ich ihr sicher nie etwas getan hätte. Irgendwann war sie dann weg und kam nie wieder. Man sagte, ein Auto hätte sie getötet. Die Menschen, wo sie ihr ganz privates Revier hatte, waren dann sehr traurig. Aber sie waren nett, denn jedes Mal wenn sie am Grill Feuer machten, fiel für mich ein Stück Fleisch ab.

Daneben waren auch nette Menschen. Sie hatten einen sehr großen Kater, der etwas seltsam war. Vielleicht deshalb, weil er schon alt war. Er wusste nicht mehr so genau, wie er sich fühlen soll. Manchmal schnurrte und fauchte er zugleich. Nach ihm kam ein schwarzer, dicker Kater. Der war angenehm. Wenn ich draußen einen Platz für mich wollte, ging er ohne zu murren und überließ mir diesen Platz freiwillig.

Aber es gab eine Zeit lang noch immer diesen Tigerkater, mit dem nicht zu spaßen war. Er wollte immer wieder in mein ganz privates Revier und mein Essen klauen. Mit ihm konnte ich nicht spielen. Er sah in mir einen Rivalen und ich in ihm. Wenn wir zusammen kamen, wurde es ernst. Aber auch er war irgendwann mal weg und kam nie wieder und schließlich war ich alleiniger Herr im Draußen.

Einmal hatte ich sogar so etwas wie einen Freund. Nein, den hatte ich immer und auch die Freundin. Ich meine einen Katzenfreund. Er sah angeblich aus wie ich, ein schwarz-weißer Kater. Zwischen uns gab es absolut keine Rivalität. Er wohnte in derselben Siedlung, nur in einem anderen Haus. Er durfte sogar in mein ganz privates Revier und von meinem Essen kosten. Und ich machte dasselbe bei ihm. Wir waren echt Freunde und hätten sogar zusammen leben können. Aber dann war auch er auf einmal auch nicht mehr da. Ich suchte ihn und irgendwann glaubte ich seine Witterung aufgenommen zu haben. Aber in der Erde? Es war wieder mal ein Auto. Ein Auto hatte meinen Freund getötet.

Die Straße war zwar weiter weg, doch manchmal überkam es uns und wir spazierten durch die Gärten durch und befanden uns direkt vor der Straße. Gerade nachts waren die Lichter verwirrend und dann wussten wir nicht mehr, in welche Richtung wir laufen sollen, wenn der Lärm eines Autos näher kam. Ich hatte immer Glück. Vor allem Glück, vernünftigen Autofahrern zu begegnen, die langsamer wurden, wenn sie mich sahen. Aber die Nachbarkatze und mein schwarz-weißer Freund schienen Pech gehabt zu haben.

Man sagt von uns Katzen auch, dass wir Geister sehen können. Schwachsinn! Geister sind körperlos und unsichtbar, aber wahrnehmbar. Vielleicht sehen manche Menschen Geister, aber wir Katzen nehmen sie nur imaginär wahr. Damals habe ich meinen Freund, den Nachbarskater, bzw. seinen Geist, auch wahrgenommen, wie er noch immer in unserem gemeinsamen Revier herumstreifte. Die Straße mied er, da er anscheinend wusste, dass er tot war und dieses Ereignis sicher nicht wieder erleben wollte. Aber nach mehreren Tagen verschwand auch sein Geist.

Mein Leben mit meinen Freunden war auch ohne Katzenfreund etwas Wunderbares. Ich weiß, sie fragten sich oft, ob ich weiß, wie gut es mir bei ihnen geht. Ich weiß es, Freunde. Und ich genoss unser Beisammensein, besonders als mein Freund immer zu Hause war und nicht mehr arbeiten gehen musste. Da frühstückten wir immer zusammen. Ich durfte sogar auf den Küchentisch, was doch echt etwas Besonderes war. Übrigens, ich durfte überall hin. Es gab keinen Ort in meinem ganz privaten Revier, der für mich tabu gewesen wäre. Außer, wenn mein dritter Freund, der Sohn da war. Nachts ließ er mich nicht in sein Zimmer, da er in Ruhe schlafen wollte. Aber er war selten da, bloß an manchen Wochenenden. Und er wunderte sich stets, dass ich ihn nach Monaten wieder erkannte, weil ich ihn begrüßte und tagsüber nicht von seiner Seite wich. Ich mochte ihn, diesen coolen und doch so sanften Typ. Und als er mal mit seiner Freundin kam, war ich auch dabei in seinem Zimmer. Sie haben mich fotografiert und ich legte mich natürlich in Pose, eitel wie ich war. Immerhin sagte meine Freundin sehr oft zu mir, dass ich ihr schöner Kater bin, ihr Prinz, ihr Bärli. Na ja, Namen hatte ich viele und ich hörte eigentlich auf alle, wenn ich ihre Stimmen vernahm.

Ich wollte ja über das Essen erzählen. Mein Lieblingsthema. Ach, da gab es immer Gutes und sie nannten mich einen Feinschmecker, obwohl sie es waren, die das Zeug heim brachten. Mit ihm aß ich gerne, da er mehr die fleischliche Kost liebte. Ihr Käse, ihre Tomaten und Paprika und all das Gemüse und vor allem den Obstsalat durfte sie alleine essen, aber er hatte wirklich gourmetverdächtige Nahrung aufm Tisch, hauchdünner Schinken, Lachs, feiner Speck und gute Wurst. Ach, da läuft mir jetzt noch das Wasser im Maul zusammen. Und erst, als es Backhendl am Sonntag gab! Da aß sie auch mit und ich bekam ein großes, fein aufgeschnittenes Stück weißen Brustfleisches von meiner Freundin. Es war herrlich zu dritt beim Tischmahl zu sitzen. Ich gehörte einfach dazu. Ich war ein Familienmitglied und so fühlte ich mich auch. Wirklich, Freunde, auch wenn ihr manchmal zweifelt, ob primitive Katzen wie ich überhaupt etwas mitbekommen.

Ich spürte ja auch, wenn ihr euch Sorgen um mich gemacht habt, wenn ich etwas länger im Draußen war und auf euer Rufen nicht reagierte und erst Stunden später vor der Balkontür saß. Und als ich wieder in diese Kiste musste, und meine Freundin mit mir zu einer fremden Frau fuhr, weil ich eins meiner Vorderbeine beim Laufen hoch hielt, habt ihr euch wieder Sorgen gemacht. Es war ja nur ein Holzspan und als die fremde Frau ihn mit einer Pinzette herauszog, war alles wieder gut.

Manchmal brachte ich euch als Dankeschön meine Beute, aber mir schien, darüber wart ihr nicht gerade glücklich. Deshalb hab ich sie, wenn sie besonders knackig war, selbst aufgegessen. Einmal habe ich euch eine seltsame Beute gebracht. Ihr wart geradezu entsetzt. Wie hätte ich auch wissen sollen, dass Fledermäuse geschützt und nicht gejagt werden dürfen? Aber sie hat das Tierchen gerettet und nach Draußen gebracht, wo es wieder weg fliegen konnte. Immerhin habe ich es sehr sanft in meinem Maul getragen, ohne es ernsthaft zu verletzen. Und als wir mal gemeinsam draußen waren, wollte ich euch noch eine sehr seltsame Beute präsentieren. Ihr seid unter der Laube auf der Bank gesessen und habt mich ausgelacht, als sich die Eidechse an meiner Lefze festgebissen hat. Das war nicht nett, denn ich befürchtete, von nun an ständig mit einer Eidechse an meinem Maul herumlaufen zu müssen. Aber dann hattet ihr Mitleid und habt mich von dieser Bestie befreit. Es war immer schön, wenn ihr mit mir zusammen im Draußen wart. Ab und zu gingen wir sogar zusammen spazieren, vor zur Wohnstraße oder zum Parkplatz zum anderen Haus rüber in die Wiese, wo am Rand der Böschung mein Katzenfreund begraben war.

Ich saß und lag auch gerne aufm Balkon. Das war so ein gemütlicher Holzbalkon, wo ich mich sogar zwischendrin verstecken konnte und auf Vögel lauerte, wenn sie sich frech zu nah heran wagten. Erwischt hab ich nie einen. Leider wurde der Holzbalkon einige Jahre später durch etwas ersetzt, das gar nicht mehr gemütlich für mich war. Ich konnte nicht mehr nach oben springen, weil da nichts mehr war, was mir Halt gegeben hätte.

Es veränderte sich die Jahre über ohnehin sehr viel. Die Wiesen wurden immer weniger, wie auch meine Lieblingswiese, wo ich schon damals auf Mäuse lauerte, als ich noch die alte Heimat mein Revier nannte. Dort bauten sie mehrere Häuser und Zäune, die ich zwar überwand, die aber doch lästig waren. Mein absoluter Lieblingsplatz aber war auf meiner Freundin, wenn es sich beide auf der Couch beim Fernsehen bequem machten. Da schlief ich so lange, bis sie mich höchstpersönlich ins Schlafzimmer an ihre Seite trug, wo ich sofort wieder weiterschlief. Es stimmt tatsächlich, Katzen verschlafen einen Großteil ihres Lebens.


Es war irgendwann im Mai 2012, als plötzlich eine fremde Katze in meinem ganz privaten Revier auftrat. Da stand sie, sehr stämmig, langhaarig, sah aus, als wäre sie stets grantig und fauchte mich an. Mich! Aber ich kannte sie bereits. Und wie sie sich gewundert haben, dass ich sie toleriere und nicht weg scheuche, wie manch andere Katze, die es wagt, sich in die Nähe meines Reviers zu schleichen. Meine beiden menschlichen Freunde unterschätzen uns Katzen und wahrscheinlich auch alle anderen Tiere viel zu sehr. Wir sind den Menschen nicht nur instinktmäßig voraus, wir haben auch die Gabe, ohne Konversation zu erkennen, wo sich unsere menschlichen Freunde aufhalten, wenn sie nicht gerade in ihrem ganz privaten Revier sind.

Diese Katze, die nun in meinem ganz privaten Revier stand und mich, den alleinigen Herrscher dieses Domizils, anfauchte, habe ich damals schon länger gewittert. Es gab noch eine dort, wo meine beiden Freunde sich manchmal aufhielten, aber dem Katzenhimmel sei Dank, die kam nicht mit. Sozusagen spürte ich sofort, dass sich unsere Familie vergrößert hat und ich ließ die Katzendame gentlemanlike fauchen und ging vorsichtig langsam, jedoch mit stolz erhobenem Kopf an ihr vorbei zu meinem Fressnapf, wo nun zwei, statt einer stand. Das ist nicht ganz richtig. Es gab einen größeren Fressnapf mit ständigem Trockenfutterinhalt, einen kleineren aus Porzellan mit Katzenmilch, falls ich sie nicht zum Frühstück, zusammen mit meinem Freund, ausgetrunken hatte und schließlich gab es dann einen für Katzenfutter oder Frischfleisch. Und nun stand ein zweiter Napf für Katzenfutter oder Frischfleisch neben meinem. Auch das tolerierte ich. Ich verlor ja nichts. Der Platz auf meiner Freundin und neben ihr im Bett war noch immer meiner. Auch Essen bekam ich gleich viel wie immer und wurde weiterhin verwöhnt. Und es war gar nicht so schlecht, eine Katzenfreundin zu haben, mit der ich nachts durch die Gärten und Wiesen in der Umgebung streifen konnte. Aber sie war etwas zickig und vor allem immens stur. Sie folgte mir nur, wenn sie sich selbst ganz sicher war, eigenständig zurück zu finden. Das war gar nicht so dumm von ihr, obwohl ich sie sicher nie weggelockt hätte, damit sie nie wieder heim finden würde. Ehrlich nicht!

Meine beiden menschlichen Freunde hielten sie ohnehin für eine sehr intelligente Katze, während ich das weniger sein sollte, weil ich nicht auf die Türschnallen sprang, um mir Einlass in einen verschlossenen Raum zu verschaffen. Wozu denn? Wenn ich lange genug nach oben blicke, springt ohnehin sie oder er auf und öffnet die Tür.

Und dann dieser Steg zum Balkon hoch! Bisher bin ich immer höchst elegant diese winzige Strecke hoch gesprungen und nun, nur weil diese Katzendame da ist, muss ein Steg her. Der war mir nur im Weg, also sprang ich weiterhin hoch und mied es, auf das Holz zu treten. Ich beobachtete meine Mitbewohnerin, wie sie elegant hoch stolzierte und irgendwann probierte ich es auch aus. Es war bequem und ich musste nicht mehr genau zielen, um mir nicht die Stirn am Balkonholz anzuschlagen. Was ich mit all dem sagen möchte, ich war nicht viel dümmer als dieser Neuzuwachs und meine menschlichen Freunde haben manches, was Intelligenz betrifft, missinterpretiert.

Dann kam ohnehin das neue Balkongeländer, wo ich tatsächlich lange brauchte, um zu registrieren, dass ich da nicht mehr hochspringen kann, um mich auf dem breiten Holzgeländer zu sonnen oder mich in der Rille, wo bei manchen Nachbarn Blumen heraus blühten, zu verstecken und auf Vögel zu lauern. Das war nun vorbei. Ich konnte nur mehr unten durch einen Spalt durchschauen. Aber das hochklettern vom Draußen auf den Balkon funktionierte noch.

Alle anderen Veränderungen, wie statt Teppich- ein Holzboden, nahm ich leichter in Kauf, aber der Holzbalkon fehlte mir wirklich lange. Auch die Katzendame vermisste ihn, da wir oft zusammen drauf hockten und das Draußen sicher und gemütlich überblickten konnten. Das Liegebett auf dem Balkon, auch wenn ich gerne darauf lag, konnte das sicher nicht ersetzen.

Trotzdem war das Leben bei meinen menschlichen Freunden noch immer paradiesisch und ich genoss es Tag für Tag und Nacht für Nacht. Im Winter kuschelte ich mich stets an meine Freundin, während die Katzendame bei den Füßen meines Freundes schlief und wenn es warm wurde, verbrachten wir den Großteil der Nächte draußen, weil es da kühler war. Hitze mochte ich nie so wirklich und direkte Sonnenbestrahlung auch nicht, außer, es handelte sich um die Winter- oder Herbstsonne.

Es gab da im Draußen, wenn es arg heiß war, einen kühlen Platz unter den Zypressen der Nachbarn. Da war die Erde schön kühl. Der Nachteil waren diese kleinen Tierchen, die sich aus den Zypressen lösten und in meinen Pelz schlichen und mir dann das Blut aussaugten. Meine Freundin entfernte sie meistens und dafür war ich ihr wirklich mehr als dankbar. Es gab da auch so etwas Ekliges, was sie mir ins Genick strich, was angeblich diese kleinen Tierchen abhalten sollte, mich zu kitzeln und zu beißen, aber das kitzelte und biss noch mehr als die Tierchen. Die Katzendame hatte es etwas leichter, was wohl bedingt durch das lange Haar ihres Fells und der Weg den kleinen Tierchen bis zur Futterquelle zu lange war.

2015/2016 war das letzte Feuerwerk in meinem Katzenleben, das ich vom Bett meiner Freundin aus hörte. Ich richtete mich auf und lauschte diesem furchtbaren Krach, den Menschen zu jedem Jahreswechsel machen. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, - damals wusste ich das natürlich nicht und auch manch anderes nicht, wovon ich so menschlich erzählte. Damals war es einfach ein Krach, so wie Gewitter, obwohl ich auch nicht wusste, was ein Gewitter ist. Ich kuschelte mich nach dem Krach noch inniger an meine Freundin, auch wenn sie das nicht so gerne mochte. Sie braucht Freiraum in jeder Beziehung. Aber ich brauchte ihre Nähe und manchmal, wenn nicht meistens, verstand sie das auch.

Mich verband sehr viel mit diesen beiden Menschen, die mich als ihresgleichen aufgenommen hatten. Und ich glaube, vor allem meine Freundin spürte in diesem Jahr, dass es vielleicht mein letztes sein könnte. Manchmal, wenn ich, wie selbstverständlich, vom Wohnzimmertischchen auf die Couch und direkt auf ihren Bauch stapfte, streichelte sie meinen Kopf und sah mich sehr seltsam an. Was sie sagte, verstand ich nicht, aber es hatte etwas mit dem Tod zu tun. Sie sah dann sehr traurig aus. Und ich glaube, ich auch, obwohl in Katzengesichtern sehr schwer zu lesen ist. Es dürfte unser beider höheres Gefühl gewesen sein, die Vorahnung oder wie auch immer dies genannt wird, was sie sagen ließ, dass ich noch nicht gehen dürfe und wenn, dann ohne Schmerzen, einfach einschlafen und das in ihren Armen, denn sie würde mich beim Sterben sicher nicht alleine lassen.

Es begann irgendwann Anfang oder Mitte August. Es war ein Unwohlsein im Bauch und ich wurde mehr und mehr hungrig. Meine beiden Freunde wunderten sich zwar, wie ich auf einmal nur so viel essen konnte. Na ja, ich aß immer etwas mehr und sah auch gut genährt, aber sicher nicht zu fett, aus. Aber in diesen Tagen übertrieb ich es wirklich. Sie wussten ja nichts von meinem Durchfall und dem Brennen beim Urinieren. Ich wusste natürlich auch nicht, was plötzlich mit mir los war. Ich war nur stets sehr hungrig und musste viel zu oft nach Draußen. Hinzu kam dann noch, dass mein Freund ebenfalls krank wurde und ins Krankenhaus musste. Und nebenbei wurden Vorraum und Küche erneuert, was mich ziemlich nervös machte. Es kam einfach viel zu viel zusammen, auch für meine Freundin, die diesmal sehr, sehr traurig war.

Im Jahr, bevor die Katzendame kam, war meine Freundin auch schon mal alleine, weil mein Freund im Krankenhaus war. Aber damals erschien sie mir ruhiger und zuversichtlicher, obwohl es damals etwas ernster war. Auch damals verbrachte ich mehr Zeit in ihrer Nähe. Wir Katzen spüren, wenn wir gebraucht werden, vor allem, wenn es sich um sehr sensible Katzen handelt. Und ich muss ganz offen sagen, dass ich eine sehr, sehr sensible Katze – pardon, ein sehr, sehr sensibler Kater war, auch wenn man mich meiner Männlichkeit beraubt hat.

Als meine Freundin mein mehrmaliges Bemühen zu Urinieren beobachtete, ging es ab zur Tierärztin, zu dieser fremden Frau, die mir einst einen Span aus der Pfote zog. Ich bekam eine Spritze, Medizin und musste dann zwei Tage in meinem ganz privaten Revier verbringen, während die Katzendame alles tun und lassen durfte, was sie wollte. Ein Entzug vom Draußen ist unverzeihlich! Ich wäre doch nicht davon gelaufen und außerdem war es mir peinlich, aufs Katzenklo zu gehen. Das Katzenklo mied ich so oft ich nur konnte. Es musste schon eine absolute Notsituation sein, dass ich das Katzenklo aufsuchte. Und diesmal war es eine und es war mir wirklich sehr, sehr peinlich. Immerhin hatte ich argen Durchfall und das duftete nicht besonders gut, was auch meine Freundin mit gerümpfter Nase feststellte.

Dann kam mein Freund wieder nach Hause und alles schien in Ordnung zu sein. Dachte ich zumindest, aber mein ständiger Hunger hörte nicht auf und der ständige Durchfall ebenso wenig. Und jetzt waren auch noch Handwerker in der Wohnung, um den neuen Vorraum und die neue Küche einzubauen. Ach ja, ein neuer Boden wurde auch gemacht, den ich sofort einweihte. Das war nicht bös gemeint. Ich konnte es einfach nicht mehr zurückhalten und schaffte es auch nicht mehr bis zum Katzenklo.

Die Fahrt zur Tierärztin stand abermals bevor, auch wenn ich sie noch so bittend ansah, mir einfach nur ständig Essen zu geben und mich dann in Ruhe zu lassen, bis ich sie um Essen anbettle. Die nächste Medizin war eine Qual, genauso wie die Prozedur bei der fremden Frau. Blutabnahme, Ultraschall, und dann diese garstige Medizin, wo mir alles hochkam. Es kam nichts hoch, da nichts drinnen war. Was hoch kam war mein bitterer Speichel. Ich sollte Diätfutter bekommen! Ich! Einst wog ich an die sieben Kilo und nun nicht mal mehr die Hälfte. Aber sie zogen es einige Tage beinhart durch, bis es beiden zu blöd wurde und sie sich sagte, wenn es schon die letzten Tage unseres Katzenfreundes ist, soll er sie auch genießen können. Ich glaube, dieser Moment kam ihnen, als ich ihnen beim Mittagessen auf den Tisch sprang und in den Teller stieg. Von da an bekam ich zu dem Diätfutter auch ein bisschen gewohntes Katzenfutter. Aber es änderte sich nichts an meinem Befinden. Der Hunger war ständig war und der schmerzliche Drang, das, was ich gerade gegessen hatte, hinten wieder raus zu lassen, ebenso. Und bald schaffte ich es nicht mehr nach Draußen und musste beschämenderweise aufs Katzenklo.

Mich interessierte auch nichts mehr da draußen. Es war sehr ermüdend für mich, trotz dem Steg, den sie für uns Katzen am Balkon angebracht haben. Die wärmende Sonne genießen. Das war noch drin, aber dann wollte ich nur mehr schlafen. Schlafen, essen und aufs Katzenklo. Am Morgen war ich immer besonders hungrig und weinte laut um mein Futter. Ich schlief auch nicht mehr im Bett neben meiner Freundin. Es war zu mühsam und ich spürte, dass ich sie sehr beunruhige.

Es war der dritte November 2016, als ich am Nachmittag wieder in diesen mir so verhassten Kasten verfrachtet wurde. Mein Freund ging schluchzend in ein anderes Zimmer, als mich meine Freundin nach draußen trug, wo bereits ein Auto wartete. Vorher durfte ich noch einen letzten Blick auf mein Revier werfen.

Ja, natürlich wusste ich nicht, was sie mit mir vorhatten! Aber es hört sie so wunderbar dramatisch an. Und das war es ja auch – damals. Nicht weil ich schon wieder Durchfall hatte und meine Notdurft im Kasten verrichtete, als ich in der Tierarztpraxis auf den Untersuchungstisch gesetzt wurde. Ich wollte wieder in den Kasten, nach Hause, aber da war dieser Gestank und ich blickte auf meine Freundin, bat sie, doch den Kasten zu reinigen, da wir wieder nach Hause sollten. Und dann hob sie mich hoch, als diese fremde Frau mit einer Spritze in der Hand kam. Sie drückte mich an sich und ich spürte die Injektion in meinem Bauch. Sekunden später war alles dunkel, ruhig und schmerzlos. Ich spürte nur noch, wie mein Kopf auf den linken Arm meiner Freundin fiel, dann war alles vorbei.

Und jetzt? Was soll ich viel sagen? Es waren wundervolle Katzenjahre, vor allem die letzten neun, die ich mit meinen beiden Freunden und die letzten vier, die ich mit der süßen Katzendame verbringen durfte. Selbst wenn die letzten Tage nicht mehr das Gelbe vom Ei waren, aber so ist es nun mal, wenn man alt und krank wird. Das Leben, sogar das Katzenleben, ist nicht ständig nur Honig schlecken.

Natürlich sind sie jetzt sehr traurig, meine Freunde. Ich wäre ja auch gerne noch länger geblieben, hätte noch weitere Frühstücke mit meinem Freund genossen, wie auch die köstlichen Zwischenmahlzeiten mit Lachs oder Schinken. Und die Momente, wenn mich meine Freundin liebevoll mit einem kleinen Löffel fütterte, was ich ebenso genoss. Aber – pscht! – so etwas verstehen nicht viele Menschen, dennoch muss ich es erwähnen, weil es mich noch mehr mit ihnen verband.

Ich bin noch bei euch, Freunde, also seid nicht traurig. Ich bin in der Wiese vor eurem Balkon, in den Bäumen, die in der Wiese stehen. Ich bin in den Krähen, die ihr noch immer füttert und vor allem in der süßen Katzendame, der ich natürlich Tage bevor es mir besonders schlecht ging, aufgetragen habe, auf euch zu achten. Ich bin in euch beiden, in euer beider Herzen. Ich bin in allem, wo und was immer ihr sehen und fühlen mögt. Und doch bin ich auch auf meinen Weg nach Hause Heimkommen – dorthin, woher ich einst gekommen bin. Und nun: Adieu, wie wir Katzen sagen!

Schön geschrieben, Punktie :thumbup:

Schön und traurig :cry:
 
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Die Geschichte hab ich ein paar Tage, nachdem wir Punktie einschläfern lassen mussten, als eine Art Trauerarbeit geschrieben. Ich hab mich damals, zum Teil heute auch noch teilweise, wie eine Mörderin gefühlt, obwohl ich gleichzeitig wusste, wie er gelitten hat und der Tod nur mehr eine Erlösung war.
Danke für eure Anteilnahme.
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