Ich komme noch einmal auf die Wiedergeburt zu sprechen. Mir scheint, dass die Beschreibung der Wiedergeburt, so wie wir sie zuvor besprochen haben und wie ich sie von wikipedia.org übernommen habe, eigentlich die Wiedergeburt im Sinne des Hinduismus darstellt, obwohl sie bei wikipedia.org als buddhistische Wiedergeburt beschrieben ist, wenn ich das jetzt richtig verstanden habe.
Im Hinduismus gibt es ein Selbst, eine Seele. Für dieses Selbst ist sowohl eine Wiedergeburt, als auch ein Karma denkbar.
Im Buddhismus hingegen existiert kein Selbst. Das besagt ja auch Buddhas Anatta-Lehre. Es existiert ein zeitweiliges Körper-Geist-System, das aber kein Selbst besitzt. Demzufolge kann es auch keine Wiedergeburt und kein Karma geben.
Buddhadasa sagt dazu folgendes:
Wenn es kein Selbst gibt, was ist dann das, was wir "Person" nennen? Was sind wir? Wir können sagen, daß es sich bei 'uns' um eine Ansammlung von Zutaten handelt, daß 'wir' aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt sind. Wir können wenn wir wollen wie oben über den Körper und den Geist, die zwei Hauptzutaten, sprechen. Wir können auch über die fünf khandhas sprechen: Körper, Gefühl, Wiedererkennen, Gedankenformationen und Sinnesbewußtsein. Wir können die 'Person' auch anhand der physischen und nicht-physischen Elemente (dhatus) besprechen. Was wir "eine Person" nennen, sind diese Zutaten und Bestandteile, die zusammengekommen sind. Sie jedoch sind anatta. Wenn keines dieser Bestandteile, khandhas oder Elemente, ein Selbst ist, dann ist auch eine Kombination aus ihnen kein Selbst. Das reine Vorhandensein einer Ansammlung von Dingen die für kurze Zeit zusammenhalten heißt noch nicht, daß darin ein Selbst zu finden ist.
Die zweite Frage ist: Wenn es kein Selbst gibt, wer handelt dann? Wer bringt alle diese körperlichen, sprachlichen und geistigen kammas (gewollte Handlungen) hervor und empfängt die Resultate dieser Handlungen)? Wer erfährt Glück und dukkha (Leid)? Der "WER" ist "NIEMAND"? Es besteht gar kein Bedarf für irgend jemand. Tatsächlich brauchen wir das Wort "wer" überhaupt nicht benutzen. Der Geist kann fühlen, gewahr sein und denken. Er hat seine Bedürfnisse und kann den Körper sich entsprechend bewegen oder den Mund entsprechend reden lassen. Der Geist denkt und als Ergebnis dieses Denkens kommt es zu einer Handlung: eine physische, verbale oder mentale Tat (kamma) findet statt. Der Geist, der denkt ist kein Selbst, der Körper, der sich bewegt ist kein Selbst, der Mund, der spricht ist kein Selbst, also sind auch diese Handlungen durch kein Selbst verursacht. Die Aktion findet wirklich statt, aber ohne ein handelndes Selbst.
Dann erfolgt eine Reaktion, die als kamma-vipa - ka (Früchte der Handlung) auftritt. Wenn sie irgend etwas beeinflußt, dann ist nur dieses beeinflußte Etwas, und nicht ein 'Selbst', der Empfänger der Früchte von kamma. In Wirklichkeit aber, wenn wir korrekt und geradeheraus sprechen, gibt es niemand, der das Resultat von kamma empfängt.
Wenn wir genau hinsehen sehen wir, daß es einen Geist gibt der denkt, der die Absicht, die hinter einer Handlung steht, hat. Die Reaktion auf diese Handlung wird jedoch von einem anderen Geist erfahren. Von einem Moment zum nächsten, unterscheidet sich ein Geisteszustand völlig vom darauffolgenden. Es ist niemals der selbe Geist, geschweige denn ein Selbst oder ein "wer". ("Wer" impliziert ein Selbst.) DIESER citta (Geist) ist der Schöpfer des kamma (Karma); die Frucht des kamma geschieht JENEM citta. Es ist nicht mehr der selbe citta. Ohne jedwedes atta (Selbst) - kann der citta (Geist) kamma erzeugen, kann er handeln. Und der citta, der kein Selbst ist, kann die Frucht von kamma erfahren. Ob Freud oder Leid erfahren wird, es gibt nur den Geist, der es erfährt. Es ist kein atta - vonnöten, Erleben findet einfach statt. Es gibt jedoch Dummheit oder Intelligenz im Umgang damit. Wird ein Erlebnis vom Geist als freudvoll aufgefaßt, so ist es Glück (sukha); wird es als leidvoll auffaßt, so ist es dukkha. Der Geist allein fühlt sukha und dukkha, er braucht dazu kein atta (Selbst). Also können wir, wenn wir im Einklang mit den buddhistischen Prinzipien sprechen, sagen: "niemand macht kamma". Obwohl eine Handlung stattfindet, gibt es niemand, der sie ausführt. Niemand erfährt ihre Auswirkungen.Niemand ist der Glückliche oder der Unglückliche. Es ist einfach nur ein citta in Verbindung mit einem Körper vorhanden; das ist alles, was für eine Erfahrung nötig ist. Und das alles ist Nicht-Selbst.
Soviel erst einmal zum Nicht-Selbst.
Anatta und Wiedergeburt