Weil ich diesem Dilemma aus dem Weg gehen wollte, bin ich weit weg gezogen. Wenn nun meine Eltern Hilfe brauchen, bin ich einfach nicht da.
Das klingt hart, aber als Kind musste ich mich auch um mich selbst kümmern - und ich habe ja noch zwei Brüder, die sich dann einbringen können (wär dann auch ok, wenn derjenige, der sich kümmert, mehr vom Erbe bekommt, das hat er sich dann verdient).
Ich sehe es nicht ein, meinen Eltern irgendwann das zu geben, was sie mir nicht gegeben haben - und fühle mich auch nicht verpflichtet dazu...
Aber ist das nicht altes Testament, Auge um Auge und Zahn um Zahn? Wie Du mir so ich Dir?
Was ist mit: Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem Ander'n zu?
"Aussöhnung" - das Wort wurde hier von jemandem genannt, ich las es und nun kommt es mir in den Sinn. Hat die denn tatsächlich stattgefunden, in realiter, wenn man sich abwendet und den Kontakt abbricht?
Ist es nicht eher ein innerer Over-Kill, den man da fabriziert hat, genau wie das die eigenen Eltern einem vorgemacht haben? Hat man sich also weiter entwickelt, hebt man sich von den Eltern ab und hat "Fortschritte" gemacht, menschlich? Realmenschlich?
Daß die Generationen unserer Familien zerfallen in unserer Kultur, das ist ja bekannt. Und daß das nur an Arbeitszusammenhängen und der Art des Lebens heute liege, ist ja eine klitzekleine Lüge. Der Kern der Sache ist wohl eher der, daß unsere Familien nicht gesund sind, ebenso wie unsere Gesellschaft über viele Krankheiten klagt. Man sieht es dann in den Krankenstatistiken, woran ein Volk krankt, es drückt sich im Einzelnen aus, was krank ist.
Wenn die Vergangenheit krank war und ich dieses Kranke aus mir löse, um zu heilen, ist es denn dann nicht wenn ich geheilt bin meine Aufgabe, mich um meine Familie zu kümmern? Sollte ich das dann nicht aushalten können, wenn ich geheilt bin? "Ausgesöhnt"?
Ich selber habe beinahe 5 Jahre keinen Kontakt zu meiner Familie gehabt, weil es gar nicht ging. Herrje, ich wäre krepiert, psychisch und körperlich vielleicht auch. Und ich habe mich schlecht gefühlt deshalb, weil ich meine Familie im Stich gelassen habe: ui ui ui.
Innendrin, spirituell und in meinen emotionalen Bestrebungen und Bewertungen war ich dann irgendwann so weit, nach der Trennung von meinem Lebensgefährten, wieder Kontakt zu meiner Familie aufzunehmen. Und dann ist erst die körperliche Heilung eingetreten, bei mir, bei meiner Mutter, bei der Familie meiner Schwester und so weiter. In dem Rahmen, in dem die Beziehung früher krank war, in dem Rahmen sind wir jetzt als Familie auf dem Wege der Heilung.
Mir ist klar, daß nicht jeder eine Familie hat, die ihn aufnimmt so wie er/sie ist. Auch ich habe mich in meiner Familie damals nicht so verhalten können, wie ich war. Aber das lag an
meiner Familie und an den Zusammenhängen, in denen sie lebte. Ich habe viel vermißt, aber mir ist das erst später klar geworden. Als es mir klar wurde machten sich in mir Vorwürfe gegen meine Mutter breit und mit diesen wollte ich sie nicht konfrontieren. Ich wußte, daß diese Vorwürfe nicht berechtigt sind, denn sie hat nur getan was sie konnte wie alle anderen Mütter dieser Erde hoffentlich auch. Und den frühen Tod meines Vaters haben wir mittlerweile auch verarbeitet und ich weiß jetzt, was es bedeutet, als Halbwaise aufgewachsen zu sein. Früher konnte ich es nur fühlen und fühlte eine Ablehnung gegen meine Familie. Erst durch das offene Gespräch konnte dieses Gefühl in mir heilen.
Unsere Familie sind unsere Wurzeln.