Tarbagan
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Absolut. Ich kann durchaus sehen, dass es Fälle gibt, in denen der Markt womöglich versagt - auch, wenn es Leute gibt, die noch marktliberaler sind als ich sagen würden, dass der Markt solche Probleme durch Versicherungen und Generationenverträge lösen könnte. Das sind zwar schöne Ideen, aber andererseits sehe ich hier die Anwendung staatlicher Gewalt als gerechtfertigt. Du sagst oben: für dich ist Armut ein relativer Begriff.achso. war mir nicht sicher was du meinst, weil du ja oben sagtest "das muss auch so sein" (#77) in Bezug auf Kindergeld, Krankenversicherung, Pflege. Da wird dir das Geld durch eine Gewalt weggenommen, das scheinst du aber vertretbar zu finden.
Das halte ich für einen gefährlichen und dummen Gedanken. Ein Mensch, der einen ganzen Schrank voller Tommy Hilfiger und Ralph Lauren hat ist nicht arm, weil seine Nachbarn Balmain und Dior tragen. Ein Mensch, der sich einen Audi A4 hat ist nicht arm, nur weil seine Nachbarn Bentleys fahren. Ein Mensch, der eine Rolex trägt ist nicht arm, weil sein Nachbar eine Patek Philippe hat. Genau das sagst du aber; unabhängig, wie abartig reich man ist, wenn jemand noch abartig reicher ist, kann ich potentiell arm sein.
Damit bemisst du Dinge nur noch nach ihrem Preis und nicht mehr nach ihrem Nutzen. Der praktische Wert verliert sich völlig hinter irren Luftschlössern wie dem "Prestige" einer Marke oder ähnlichem. Das ist die abartige Seite des Kapitalismus bis zur höchsten Absurdität getrieben. Deswegen definiere ich Armut absolut, und nicht relativ. Und ich finde, das sollten mehr Leute. Denn das Problematische an dieser Ansicht ist, dass wir in unglaublichem Luxus leben, während ein großer Teil der Erde in für uns unvorstellbarer - echter! - Armut lebt. Aber wir können nicht helfen, weil wir selbst "arm" sind - denn wir haben imer noch so viel weniger als der nächste.
Wieso würdest du nicht sagen, dass eine Jäger- und Sammlergesellschaft "arm" ist? Finde ich schon. Ich würde Leute als arm bezeichnen, die nicht wissen, ob sie morgen Abend mit leeren Mägen einschlafen müssen.
Nicht "irgendeine finstere Instanz". Es sind die Leute selbst, die das machen. Es ist ein ungewollter Auswuchs des Kapitalismus. Ich bin ein großer Freund des freien Marktes und des Kapitalismus, aber die Welt wäre eine schönere, wenn Menschen die Wirtschaft dazu verwenden würden, wozu sie da ist - nämlich, um Waren zu verteilen und eine funktionierende Gesellschaft zu ermöglichen. Inzwischen definieren sich Menschen aber über ihre wirtschaftliche Position und dann, noch schlimmer, über die Relation zu der wirtschaftlichen Position der anderen. Das hat bestimmt auch damit zu tun, dass uns andere Werte über die Zeit abhanden gekommen sind. Dass die Medien das befeuern ist natürlich keine Verschwörung - die Medien stopfen uns nur das rein, was wir sehen wollen. Es wäre nötig, mit gutem Beispiel voranzugehen. Und gerade die politische Linke geht hier mMn den ganz falschen Weg, weil es da nämlich immer darum geht, was der andere hat, und warum er mehr hat als ich, als wäre das das wichtigste auf der Welt. Da ist es kein Wunder, dass die Menschen unglücklich werden.Und dein Zugang hat da ja schon fast verschwörerische Züge. Die Leute sollen nicht von irgendeiner finsteren Instanz unzufrieden gehalten werden, es liegt eher in der Logik der Politik Widersprüche unseres Wirtschaftens in irgendeinem vertretbaren Maß zu kaschieren.
In einer perfekten Welt nach meiner Vorstellung gäbe es noch immer Gehaltsunterschiede - einfach, weil ich das für gerecht halte. Manche arbeiten mehr und sind fleißiger, und das belohnt die Wirtschaft. Die Wirtschaft ist aber eben nicht alles, sondern einfach nur die Wirtschaft.
Das ist allerdings ein guter Punkt bzgl. deiner vorigen Aussage: du meintest, man müsse gewisse Dinge tun, um gesellschaftliche Unruhen zu vermeiden. Bist du dann auch dafür, die Grenzen zu schließen, um die große Menge an Pegida-Leuten zufriedenzustellen? Schließlich sorgen die für enorme gesellschaftliche Unruhe, und davon "hat niemand was".also wenn mir in den dreißiger Jahren Leute die Fensterscheiben einhauen weil ich Jude bin, dann bin ich für meine Probleme wohl nicht verantwortlich.
Das Problem an deinem Beispiel ist, dass hier schon jemand mit Gewalt in meine Interessen eingreift. Die Grundidee des Liberalismus ist aber, dass jeder Mensch sein Leben frei von Gewalt leben darf. Insbesondere ist auch staatliche Gewalt eine Form von Gewalt, die minimiert werden muss. Staatliche Gewalt hat z.B. dort ihre Berechtigung, wo Menschen anderen Menschen Gewalt antun. In deinem Beispiel müsste z.B. das Strafrecht eingreifen, um mich zu schützen. Insgesamt soll also Gewalt minimiert werden mit dem Ziel, die freie Entfaltung eines jeden zu ermöglichen. Das heißt auch, dass jeder seine Probleme nach seinen Vorstellungen regelt. Das erlaubt unser Staat aber nicht. Ich muss in eine Rentenversicherung einzahlen, mit der ich völlig unzufrieden bin und bei der gar nicht mehr sicher ist, ob ich, sobald es soweit ist, überhaupt was habe. Ich würde lieber mein Geld nehmen und es selbst anlegen, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dabei auch eine bessere Rendite erzielen würde. Das darf ich aber nicht. Stattdessen nimmt es mir jemand weg, der glaubt, er weiß besser als ich selbst, was gut für mich ist.