Das kleine Wunder aus dem Lichterwald
Mitten in Duttgart gibt es einen Wald, und der heißt Lichterwald. Auch wenn einige es nicht glauben würden, leben hier ganz versteckt viele Tiere, z.B. eine Bärenfami-lie, Dachse, eine muntere Wieselschar, natürlich Hirsche, Rehe und Wildschweine. Na ja, ich brauch wohl nicht alle Tiere aufzuzählen; ihr wisst ja selber, wer im Wald so alles wohnt.
In dem Winter, von dem ich Euch erzählen will, geschah im Lichterwald ein kleines Wunder. Ich sage deshalb klein, weil es wirklich eigentlich nicht gar so was Be-sonderes war. Und doch war es für die Tiere des Waldes so wichtig, dass sie mein-ten, darüber müsste diese Geschichte geschrieben werden.
Dieser Winter also war so kalt wie schon lange keiner vor ihm. Schwere Stürme wa-ren über das Land gezogen, hatten Äste von den Bäumen gerissen und manch alten morschen Stamm zum Fallen gebracht. Der Schnee lag ganz bestimmt einen halben Meter hoch, und da, wo der Wind den Schnee in die Häuserecken gepustet hatte, war er gar so hoch, dass ein Kindergartenkind darin versunken wäre!
Die Tiere im Wald lebten so, wie sie es von ihren Eltern gelernt hatten. Die Bären hatten es sich in ihrer Höhle gemütlich gemacht. Die ganze Familie lag eng anei-nandergekuschelt, und Vater Bär erzählte seinen eifrig lauschenden Kindern lustige Geschichten.
Die Hirsche und Rehe gingen bedächtig einmal am Tag zu der Futterkrippe, die die Menschen hingestellt hatten. Hier gab es leckeres frisches Heu und Getreide. Auch die Wildschweine wurden mit Eicheln und Bucheckern gefüttert. Die klugen Eich-hörnchen hatten sich schon im Sommer einen schönen Wintervorrat an Haselnüs-sen angelegt, von dem sie sich jetzt bedienen konnten.
Eigentlich waren alle Tiere zufrieden, denn schon im Herbst war den meisten ein dichter Winterpelz gewachsen, so dass ihnen die Kälte nicht viel bedeutete. Außer-dem hatten die Tierkinder, die in diesem Jahr geboren waren, noch keinen Schnee gesehen. Und da könnt Ihr Euch sicher vorstellen, wie sie begeistert im Schnee nach Spuren suchten, sich in dem unbekannten weißen Nass umherwälzten oder voller Freude Fangen spielten.
Die Eichhörnchenkinder hatten sich am Stamm einer Buche eine Rutschbahn ge-baut. Flink kletterten sie den Baum hinauf und sausten huiiii laut johlend die glat-te Eisfläche hinunter. Was für ein Spaß!
Da, schaut mal die Bärenkinder! Mit ihren dicken Tatzen formten sie geschwind Schneebälle und bewarfen die kleinen Eichhörnchen! Da entwickelte sich eine tolle Schneeballschlacht!
Ja, eigentlich waren alle Tiere zufrieden. Aber es lebte im Lichterwald auch ein Win-tertroll, ihr wisst schon, das sind diese kauzigen Wesen, die mit Beginn des Früh-jahrs wieder ihre Höhlen tief unter der Erde aufsuchen, weil es ihnen dann einfach viel zu warm wird. Wintertrolle kann man mit unseren menschlichen Augen fast gar nicht wahrnehmen, denn sie haben die Fähigkeit, die Gestalt und die Farbe von Baumstämmen oder großen Wurzeln anzunehmen, wenn ihnen ein menschliches Wesen zu nahe kommt. Sie gehören zur Gattung der guten Waldgeister und leben meist ein recht eigenbrötlerisches Leben.
Unser Wintertroll heißt übriges Weißfuß. Und Weißfuß gings mal gar nicht so gut. Denn der letzte Sturm hatte sein Winterdomizil auf der Erde zerstört. Ein besonders schwerer Ast war auf seine kleine Holzhütte gefallen und hatte diese komplett zer-trümmert. Nun habt ihr vielleicht schon gehört, dass Wintertrolle nicht gerade die geschicktesten Handwerker sind. Weißfuß hatte sich natürlich schon bemüht, den Schaden selbst wieder zu reparieren. Umständlich hatte er versucht, aus den Über-resten ein einigermaßen wohnliches Heim zu schaffen, doch der Ast war einfach zu schwer. Hinzu kommt, dass der Wintertroll schon recht betagt war, so dass ihm kör-perliche Arbeit nicht leicht von der Hand ging. Und die Augen wollten auch nicht mehr so!
Weißfuß dachte Ei, ei, ei, es bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Ich muss die an-deren Waldbewohner aufsuchen und um Hilfe bitten, wenn ich nicht den ganzen Winter ohne gemütliches Haus verbringen will. Und das will ich nicht. Also, mach ich mich am besten sofort auf den Weg!
Gesagt, getan. Der Wintertroll stapfte langsam durch den tiefen Schnee und schlug die Richtung zur Bärenhöhle ein. Behäbig tappte er durch den Eingang und sagte zu den Bären:
Ich wünsche euch einen guten Tag, ihr Bären.
Mutter Bär staunte Ein Wintertroll. Was willst denn du bei uns?
Ich heiße Weißfuß erwiderte der Troll und würde euch gern um Hilfe bitten. Mein Häuschen ist nämlich durch den Sturm entzwei und allein schaffe ich es nicht, es wieder bewohnbar zu machen. Ihr seid doch große, starke Tiere. Für euch ist es doch eine Kleinigkeit, mal eben einen riesigen Ast beiseite zu räumen. Würdet ihr mir helfen?
Ach, weißt du antwortete der Vater Bär eigentlich nicht. Es ist so hübsch gemütlich hier. Ich erzähle unseren Kindern gerade, was ich als junger Bär auf Wanderschaft alles erlebt habe und .....uuuaaaaahhhh......so richtig fit bin im Winter gar nicht. Au-ßerdem bist du ein Troll und gehörst nicht so recht zu uns. Kannst du nicht die Trolle aus deiner Familie fragen?
Weißfuß sagte traurig Ich bin ja allein. Die nächste Trollfamilie wohnt in Unter-eschenbach. Trolle können nur sehr langsam wandern, wisst ihr. Bis die hier wä-ren......."
Nun denn, da kann ich dir nicht weiterhelfen. Aber versuch es doch mal bei dem Wildschwein sagte Vater Bär.
So verabschiedete sich Weißfuß und machte sich langsam stapf, stapf, stapf auf den Weg. Bei dem Wildschwein angekommen, grüßte er höflich und trug wieder sei-ne Bitte vor.
Hm meinte das Schwein ich verstehe dein Problem. Böse, böse. Aber auf mich kannst du leider nicht zählen. Ich suche den ganzen Tag nach Eicheln und habe überhaupt keine Zeit. Außerdem gehörst du als Troll eigentlich nicht zu uns, ja, wenn du ein Tier wärst, aber so, nee, tut mir leid.
Und mit den Worten wandte sich das Wildschwein ab.
So schnell gebe ich nicht auf dachte Weißfuß es gibt bestimmt jemanden in die-sem Wald, der mich erhören wird. Gehe ich also weiter. Er folgte dem Weg, denn er hatte in Erinnerung, dass in der Nähe ein Dachs wohnen müsste. Und tatsächlich kam er nach einiger Zeit zu dem Bau des Dachses.
Hallo, hallo rief der Dachs, der sich vor seiner Höhle die Wintersonne auf den Bauch scheinen ließ wen haben wir denn da. Einen Wintertroll. Hast du dich ver-irrt?
Nein sagte Weißfuß ich wollte schon zu dir. Und er erzählte seine Geschichte. Kannst du mir vielleicht helfen? fragte er zum Schluss.
Je nun der Dachs lachte verlegen ähem, ich würde ja, aber ich kriege gleich Be-such. Jedenfalls wahrscheinlich. Da kann ich doch hier nicht weg, verstehst du?
Ja, ja, ich versteh schon brummte der Troll tut mir leid, dich gestört zu haben. Weißt du denn, wen ich sonst noch fragen könnte? Nachdem der Dachs meinte, er könne es ja mal bei dem Hirsch versuchen, setzte sich Weißfuß vorsichtig in Bewe-gung.
Nun ja, für einen so alten Wintertroll war er schon sehr weit gelaufen. Mittlerweile spürte er jeden Knochen im Körper. Schließlich erreichte er aber die Lichtung, wo der Hirsch wohnte. Auch hier wiederholte er seine Geschichte, erzählte dem Hirsch von seiner Not und fragte Lieber Hirsch, kannst du mir bitte, bitte helfen?
Der Hirsch aber reckte stolz sein Geweih in die Luft und röhrte Ich muss schon sa-gen, du traust dich was. Weißt du denn nicht, wer ich bin? Nein? Ich bin der König des Waldes! Und fragt man einen König um Hilfe für solch niedere Arbeiten? Ich bitte dich, das kannst du nicht ernst meinen. Außerdem bist du ein Troll, ein kleiner, alter Wintertroll. Du gehörst nicht zu uns. Also, verschon mich gefälligst! Und hoch erhobenen Hauptes schritt er davon.
Weißfuß fragte danach noch die Eichhörnchen, die Mäuse und einige Waldvögel. Doch kein Tier war bereit, ihm beim Aufbau seiner Hütte zu helfen. Enttäuscht und traurig und sehr, sehr müde ließ sich der Troll in den Schnee sinken. Und wenn Win-tertrolle weinen würden, hätte er an dieser Stelle sicher bittere Tränen vergossen.
Jeder hat eine andere Ausrede dachte er betrübt und was soll das nur für ein Grund sein, dass ich anders, eben ein Wintertroll bin? Soll ich deshalb vielleicht schlechter sein? Und langsam, Schritt für Schritt, machte er sich auf zu den Über-resten seines Heimes.
Nun lebte im Lichterwald aber auch ein weiser Uhu, der so alt war, dass er selbst schon gar nicht mehr wusste, in welchem Jahr er geboren war.
Der Uhu hatte Menschenkriege gesehen, hatte miterlebt, wie sich die Zivilisation veränderte, hatte mal hier und mal dort gelebt und war sogar im Ausland gewesen. Er selbst erzählte gern von seinen Aufenthalten in Afrika und Asien; alle Tiere schar-ten sich dann um ihn und hörten staunend zu, wie die Tiere und Menschen und an-dere Wesen in fremden Welten leben.
Und diesem Uhu wurde nun die Geschichte von Weißfuß zugetragen. Ich kann Euch sagen, er wurde so zornig, dass er empört mit den Flügeln schlug und laut rief:
Eine Schande dies! Morgen ist Waldtierversammlung. Pünktlich um 9.00 Uhr. Sagt es allen Bewohnern! Und auch den König will ich sehen!
Aufgrund seiner unbestreitbaren Weisheit und Klugheit kamen am nächsten Morgen auch tatsächlich alle Tiere. Denn wenn man es genau nimmt, hatte der Uhu viel mehr zu sagen als der Hirsch, der sich ja gern für den König des Waldes hält. Da kann man mal sehen, was es mit so selbsternannten Königen auf sich hat, denn das volle Vertrauen schenkten die Tiere nur dem Uhu.
Der weise, alte Vogel hatte sich nun auch schon wieder etwas beruhigt und sagte Euer Verhalten gegenüber dem Wintertroll hat mich zum Nachdenken gebracht. Ihr wisst, ich habs ja oft genug erzählt, dass ich oft fern unseres Waldes, der meine Heimat ist, gewohnt habe. Und egal, wohin ich kam, bin ich meistens freundlich empfangen worden. Ich will nicht abstreiten, dass auch ich mit Vorurteilen zu kämp-fen hatte.
Was, haben manche gefragt, du kommst aus dem Lichterwald?
Was ist schon der Lichterwald?
Im Stadtteil Büchlingen? Was ist schon Büchlingen?
In Duttgart? Was ist schon Stuttgart?
In Deutschland? Was ist schon Deutschland?
Du bist ein Fremder! Und Fremde mögen wir hier nicht!
Und denen hab ich dann das gleiche erzählt wie euch heute:
Es ist egal, wie ein Lebewesen ausschaut, habe ich gesagt. Es ist auch egal, zu welcher Gattung oder Familie es gehört. Und es ist schon ganz egal, aus welchen Breiten unseres Planeten es herkommt. Ich will doch was dazulernen. Ich will hören, wie das Wesen lebt, will mich austauschen. Das ist doch höllisch interessant!!
Und meine Freunde suche ich danach aus, ob sie zu mir passen, ob ich Spaß mit ihnen haben kann. Wichtig ist auch, ob ich mich auf sie verlassen und ihnen ver-trauen kann. Ebenso in der Not muss ein Freund zu mir stehen, und ich natürlich auch zu ihm. Und ist das, ich frage euch, nicht ungleich wichtiger, als das Aussehen meines Freundes?
Mir ist doch wurschtpiepegal, ob er große Ohren hat, oder keine, oder kleine!
Mir ist es herzlich gleichgültig, ob er ein Gefieder trägt wie ich oder ein Fell!
Von mir aus kann er auch sechs oder acht Beine haben, wie zum Beispiel du da un-ten, liebe Spinne!
In Australien lebt ein alter Buschmann auf einem Baumhaus, der die Sprache der Tiere erlernt hat. Er ist ein Mensch mit dunkelbrauner Haut und einer meiner besten Freunde!
Ich kann und will euch zu nichts zwingen, das wisst ihr, aber ich bitte euch, einfach mal ein bisschen nachzudenken, nachzufühlen!
Nun senkte sich Stille über den Versammlungsort der Tiere. Es vergingen Minuten und noch einige Minuten. Der Uhu ließ seinen Blick über die Tierschar schweifen. Hatten sie ihn verstanden?
Langsam erhob sich Mutter Bär, streckte und dehnte sich und sagte Eins ist gewiss. Ich möchte, wenn ich jemals woanders hinkomme, freundlich behandelt werden. Was muss das für ein scheußliches Gefühl sein, abgewiesen zu werden. Und das aus keinem guten Grunde!
Das Schwein scharrte mit seinem Fuß und rief Ich habe auch was zu sagen. Es tut mir leid, wie ich mich verhalten habe. Ich glaube, Uhu, du hast uns einen Spiegel vorgehalten.
Auch der Dachs stimmte ein Ich möchte es wieder gut machen beim Wintertroll. Was meint ihr, sollen wir nicht alle zu ihm gehen und helfen, sein Häuschen wieder hinzustellen?
Sogar der Hirsch hatte sich alles noch mal überlegt, und die Tiere waren nun bereit, dem Troll zu helfen. Unser Lichterwald soll eine gastliche Stätte sein sagte das Eichhörnchen hier sollen sich alle Lebewesen wohlfühlen können. Los, lasst uns aufbrechen!
Und alle Tiere machten sich auf den Weg zu Weißfuß. Ihr könnt Euch sicher vorstel-len, wie überrascht der Wintertroll war, als plötzlich eine ganze Kolonne von Tieren bei ihm eintraf. Die Tiere berichteten ihm, was der Uhu ihnen erzählt hatte und dass ihnen nun klar geworden wäre, dass sie sich ganz und gar falsch verhalten hätten.
Lieber Weißfuß sagte der Dachs wir sind hier, um dir zu helfen. Sag, womit kön-nen wir anfangen?
In Nullkommanichts war der schwere Ast weggeräumt und das Häuschen wieder so-weit zusammengezimmert, dass sich ein Wintertroll darin wohlfühlen konnte. Mutter Bär hatte sogar eine hübsche rotkarierte Tischdecke mitgebracht, die sie nun auf dem Holztisch ausbreitete. Darauf stellte sie eine irdene Vase mit einem bunten Tro-ckenblumenstrauß. So, fertig!
Der Troll hatte einen Spaß! Ich bin so froh sagte er freudig meine Güte, das Haus ist ja schöner als zuvor! Ganz toll habt ihr das gemacht. Und dafür bedanke ich mich auch!
Wisst ihr was, mir kommt da eine tolle Idee. Was haltet ihr davon, wenn wir jetzt ein richtiges tolles Wald-Winterfest feiern würden? Wir können uns besser kennen ler-nen und jeder bringt einfach das mit, was er in der Speisekammer hat. Also, ich kann euch zum Beispiel eine leckere Gewürzpastete anbieten, dazu Farnkuchen, Buch-eckernstreusel und Ahornlimonade. Na, was sagt ihr?
Klar, dass alle Tiere begeistert waren, und sie feierten ein rauschendes Fest, das bis in die frühen Morgenstunden andauerte.
Der weise Uhu saß auf seinem Baum, knabberte an Bucheckernstreuseln und schaute zufrieden auf das muntere Treiben.
Und das wars, was ich meinte, das kleine Wunder aus dem Lichterwald!
Mitten in Duttgart gibt es einen Wald, und der heißt Lichterwald. Auch wenn einige es nicht glauben würden, leben hier ganz versteckt viele Tiere, z.B. eine Bärenfami-lie, Dachse, eine muntere Wieselschar, natürlich Hirsche, Rehe und Wildschweine. Na ja, ich brauch wohl nicht alle Tiere aufzuzählen; ihr wisst ja selber, wer im Wald so alles wohnt.
In dem Winter, von dem ich Euch erzählen will, geschah im Lichterwald ein kleines Wunder. Ich sage deshalb klein, weil es wirklich eigentlich nicht gar so was Be-sonderes war. Und doch war es für die Tiere des Waldes so wichtig, dass sie mein-ten, darüber müsste diese Geschichte geschrieben werden.
Dieser Winter also war so kalt wie schon lange keiner vor ihm. Schwere Stürme wa-ren über das Land gezogen, hatten Äste von den Bäumen gerissen und manch alten morschen Stamm zum Fallen gebracht. Der Schnee lag ganz bestimmt einen halben Meter hoch, und da, wo der Wind den Schnee in die Häuserecken gepustet hatte, war er gar so hoch, dass ein Kindergartenkind darin versunken wäre!
Die Tiere im Wald lebten so, wie sie es von ihren Eltern gelernt hatten. Die Bären hatten es sich in ihrer Höhle gemütlich gemacht. Die ganze Familie lag eng anei-nandergekuschelt, und Vater Bär erzählte seinen eifrig lauschenden Kindern lustige Geschichten.
Die Hirsche und Rehe gingen bedächtig einmal am Tag zu der Futterkrippe, die die Menschen hingestellt hatten. Hier gab es leckeres frisches Heu und Getreide. Auch die Wildschweine wurden mit Eicheln und Bucheckern gefüttert. Die klugen Eich-hörnchen hatten sich schon im Sommer einen schönen Wintervorrat an Haselnüs-sen angelegt, von dem sie sich jetzt bedienen konnten.
Eigentlich waren alle Tiere zufrieden, denn schon im Herbst war den meisten ein dichter Winterpelz gewachsen, so dass ihnen die Kälte nicht viel bedeutete. Außer-dem hatten die Tierkinder, die in diesem Jahr geboren waren, noch keinen Schnee gesehen. Und da könnt Ihr Euch sicher vorstellen, wie sie begeistert im Schnee nach Spuren suchten, sich in dem unbekannten weißen Nass umherwälzten oder voller Freude Fangen spielten.
Die Eichhörnchenkinder hatten sich am Stamm einer Buche eine Rutschbahn ge-baut. Flink kletterten sie den Baum hinauf und sausten huiiii laut johlend die glat-te Eisfläche hinunter. Was für ein Spaß!
Da, schaut mal die Bärenkinder! Mit ihren dicken Tatzen formten sie geschwind Schneebälle und bewarfen die kleinen Eichhörnchen! Da entwickelte sich eine tolle Schneeballschlacht!
Ja, eigentlich waren alle Tiere zufrieden. Aber es lebte im Lichterwald auch ein Win-tertroll, ihr wisst schon, das sind diese kauzigen Wesen, die mit Beginn des Früh-jahrs wieder ihre Höhlen tief unter der Erde aufsuchen, weil es ihnen dann einfach viel zu warm wird. Wintertrolle kann man mit unseren menschlichen Augen fast gar nicht wahrnehmen, denn sie haben die Fähigkeit, die Gestalt und die Farbe von Baumstämmen oder großen Wurzeln anzunehmen, wenn ihnen ein menschliches Wesen zu nahe kommt. Sie gehören zur Gattung der guten Waldgeister und leben meist ein recht eigenbrötlerisches Leben.
Unser Wintertroll heißt übriges Weißfuß. Und Weißfuß gings mal gar nicht so gut. Denn der letzte Sturm hatte sein Winterdomizil auf der Erde zerstört. Ein besonders schwerer Ast war auf seine kleine Holzhütte gefallen und hatte diese komplett zer-trümmert. Nun habt ihr vielleicht schon gehört, dass Wintertrolle nicht gerade die geschicktesten Handwerker sind. Weißfuß hatte sich natürlich schon bemüht, den Schaden selbst wieder zu reparieren. Umständlich hatte er versucht, aus den Über-resten ein einigermaßen wohnliches Heim zu schaffen, doch der Ast war einfach zu schwer. Hinzu kommt, dass der Wintertroll schon recht betagt war, so dass ihm kör-perliche Arbeit nicht leicht von der Hand ging. Und die Augen wollten auch nicht mehr so!
Weißfuß dachte Ei, ei, ei, es bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Ich muss die an-deren Waldbewohner aufsuchen und um Hilfe bitten, wenn ich nicht den ganzen Winter ohne gemütliches Haus verbringen will. Und das will ich nicht. Also, mach ich mich am besten sofort auf den Weg!
Gesagt, getan. Der Wintertroll stapfte langsam durch den tiefen Schnee und schlug die Richtung zur Bärenhöhle ein. Behäbig tappte er durch den Eingang und sagte zu den Bären:
Ich wünsche euch einen guten Tag, ihr Bären.
Mutter Bär staunte Ein Wintertroll. Was willst denn du bei uns?
Ich heiße Weißfuß erwiderte der Troll und würde euch gern um Hilfe bitten. Mein Häuschen ist nämlich durch den Sturm entzwei und allein schaffe ich es nicht, es wieder bewohnbar zu machen. Ihr seid doch große, starke Tiere. Für euch ist es doch eine Kleinigkeit, mal eben einen riesigen Ast beiseite zu räumen. Würdet ihr mir helfen?
Ach, weißt du antwortete der Vater Bär eigentlich nicht. Es ist so hübsch gemütlich hier. Ich erzähle unseren Kindern gerade, was ich als junger Bär auf Wanderschaft alles erlebt habe und .....uuuaaaaahhhh......so richtig fit bin im Winter gar nicht. Au-ßerdem bist du ein Troll und gehörst nicht so recht zu uns. Kannst du nicht die Trolle aus deiner Familie fragen?
Weißfuß sagte traurig Ich bin ja allein. Die nächste Trollfamilie wohnt in Unter-eschenbach. Trolle können nur sehr langsam wandern, wisst ihr. Bis die hier wä-ren......."
Nun denn, da kann ich dir nicht weiterhelfen. Aber versuch es doch mal bei dem Wildschwein sagte Vater Bär.
So verabschiedete sich Weißfuß und machte sich langsam stapf, stapf, stapf auf den Weg. Bei dem Wildschwein angekommen, grüßte er höflich und trug wieder sei-ne Bitte vor.
Hm meinte das Schwein ich verstehe dein Problem. Böse, böse. Aber auf mich kannst du leider nicht zählen. Ich suche den ganzen Tag nach Eicheln und habe überhaupt keine Zeit. Außerdem gehörst du als Troll eigentlich nicht zu uns, ja, wenn du ein Tier wärst, aber so, nee, tut mir leid.
Und mit den Worten wandte sich das Wildschwein ab.
So schnell gebe ich nicht auf dachte Weißfuß es gibt bestimmt jemanden in die-sem Wald, der mich erhören wird. Gehe ich also weiter. Er folgte dem Weg, denn er hatte in Erinnerung, dass in der Nähe ein Dachs wohnen müsste. Und tatsächlich kam er nach einiger Zeit zu dem Bau des Dachses.
Hallo, hallo rief der Dachs, der sich vor seiner Höhle die Wintersonne auf den Bauch scheinen ließ wen haben wir denn da. Einen Wintertroll. Hast du dich ver-irrt?
Nein sagte Weißfuß ich wollte schon zu dir. Und er erzählte seine Geschichte. Kannst du mir vielleicht helfen? fragte er zum Schluss.
Je nun der Dachs lachte verlegen ähem, ich würde ja, aber ich kriege gleich Be-such. Jedenfalls wahrscheinlich. Da kann ich doch hier nicht weg, verstehst du?
Ja, ja, ich versteh schon brummte der Troll tut mir leid, dich gestört zu haben. Weißt du denn, wen ich sonst noch fragen könnte? Nachdem der Dachs meinte, er könne es ja mal bei dem Hirsch versuchen, setzte sich Weißfuß vorsichtig in Bewe-gung.
Nun ja, für einen so alten Wintertroll war er schon sehr weit gelaufen. Mittlerweile spürte er jeden Knochen im Körper. Schließlich erreichte er aber die Lichtung, wo der Hirsch wohnte. Auch hier wiederholte er seine Geschichte, erzählte dem Hirsch von seiner Not und fragte Lieber Hirsch, kannst du mir bitte, bitte helfen?
Der Hirsch aber reckte stolz sein Geweih in die Luft und röhrte Ich muss schon sa-gen, du traust dich was. Weißt du denn nicht, wer ich bin? Nein? Ich bin der König des Waldes! Und fragt man einen König um Hilfe für solch niedere Arbeiten? Ich bitte dich, das kannst du nicht ernst meinen. Außerdem bist du ein Troll, ein kleiner, alter Wintertroll. Du gehörst nicht zu uns. Also, verschon mich gefälligst! Und hoch erhobenen Hauptes schritt er davon.
Weißfuß fragte danach noch die Eichhörnchen, die Mäuse und einige Waldvögel. Doch kein Tier war bereit, ihm beim Aufbau seiner Hütte zu helfen. Enttäuscht und traurig und sehr, sehr müde ließ sich der Troll in den Schnee sinken. Und wenn Win-tertrolle weinen würden, hätte er an dieser Stelle sicher bittere Tränen vergossen.
Jeder hat eine andere Ausrede dachte er betrübt und was soll das nur für ein Grund sein, dass ich anders, eben ein Wintertroll bin? Soll ich deshalb vielleicht schlechter sein? Und langsam, Schritt für Schritt, machte er sich auf zu den Über-resten seines Heimes.
Nun lebte im Lichterwald aber auch ein weiser Uhu, der so alt war, dass er selbst schon gar nicht mehr wusste, in welchem Jahr er geboren war.
Der Uhu hatte Menschenkriege gesehen, hatte miterlebt, wie sich die Zivilisation veränderte, hatte mal hier und mal dort gelebt und war sogar im Ausland gewesen. Er selbst erzählte gern von seinen Aufenthalten in Afrika und Asien; alle Tiere schar-ten sich dann um ihn und hörten staunend zu, wie die Tiere und Menschen und an-dere Wesen in fremden Welten leben.
Und diesem Uhu wurde nun die Geschichte von Weißfuß zugetragen. Ich kann Euch sagen, er wurde so zornig, dass er empört mit den Flügeln schlug und laut rief:
Eine Schande dies! Morgen ist Waldtierversammlung. Pünktlich um 9.00 Uhr. Sagt es allen Bewohnern! Und auch den König will ich sehen!
Aufgrund seiner unbestreitbaren Weisheit und Klugheit kamen am nächsten Morgen auch tatsächlich alle Tiere. Denn wenn man es genau nimmt, hatte der Uhu viel mehr zu sagen als der Hirsch, der sich ja gern für den König des Waldes hält. Da kann man mal sehen, was es mit so selbsternannten Königen auf sich hat, denn das volle Vertrauen schenkten die Tiere nur dem Uhu.
Der weise, alte Vogel hatte sich nun auch schon wieder etwas beruhigt und sagte Euer Verhalten gegenüber dem Wintertroll hat mich zum Nachdenken gebracht. Ihr wisst, ich habs ja oft genug erzählt, dass ich oft fern unseres Waldes, der meine Heimat ist, gewohnt habe. Und egal, wohin ich kam, bin ich meistens freundlich empfangen worden. Ich will nicht abstreiten, dass auch ich mit Vorurteilen zu kämp-fen hatte.
Was, haben manche gefragt, du kommst aus dem Lichterwald?
Was ist schon der Lichterwald?
Im Stadtteil Büchlingen? Was ist schon Büchlingen?
In Duttgart? Was ist schon Stuttgart?
In Deutschland? Was ist schon Deutschland?
Du bist ein Fremder! Und Fremde mögen wir hier nicht!
Und denen hab ich dann das gleiche erzählt wie euch heute:
Es ist egal, wie ein Lebewesen ausschaut, habe ich gesagt. Es ist auch egal, zu welcher Gattung oder Familie es gehört. Und es ist schon ganz egal, aus welchen Breiten unseres Planeten es herkommt. Ich will doch was dazulernen. Ich will hören, wie das Wesen lebt, will mich austauschen. Das ist doch höllisch interessant!!
Und meine Freunde suche ich danach aus, ob sie zu mir passen, ob ich Spaß mit ihnen haben kann. Wichtig ist auch, ob ich mich auf sie verlassen und ihnen ver-trauen kann. Ebenso in der Not muss ein Freund zu mir stehen, und ich natürlich auch zu ihm. Und ist das, ich frage euch, nicht ungleich wichtiger, als das Aussehen meines Freundes?
Mir ist doch wurschtpiepegal, ob er große Ohren hat, oder keine, oder kleine!
Mir ist es herzlich gleichgültig, ob er ein Gefieder trägt wie ich oder ein Fell!
Von mir aus kann er auch sechs oder acht Beine haben, wie zum Beispiel du da un-ten, liebe Spinne!
In Australien lebt ein alter Buschmann auf einem Baumhaus, der die Sprache der Tiere erlernt hat. Er ist ein Mensch mit dunkelbrauner Haut und einer meiner besten Freunde!
Ich kann und will euch zu nichts zwingen, das wisst ihr, aber ich bitte euch, einfach mal ein bisschen nachzudenken, nachzufühlen!
Nun senkte sich Stille über den Versammlungsort der Tiere. Es vergingen Minuten und noch einige Minuten. Der Uhu ließ seinen Blick über die Tierschar schweifen. Hatten sie ihn verstanden?
Langsam erhob sich Mutter Bär, streckte und dehnte sich und sagte Eins ist gewiss. Ich möchte, wenn ich jemals woanders hinkomme, freundlich behandelt werden. Was muss das für ein scheußliches Gefühl sein, abgewiesen zu werden. Und das aus keinem guten Grunde!
Das Schwein scharrte mit seinem Fuß und rief Ich habe auch was zu sagen. Es tut mir leid, wie ich mich verhalten habe. Ich glaube, Uhu, du hast uns einen Spiegel vorgehalten.
Auch der Dachs stimmte ein Ich möchte es wieder gut machen beim Wintertroll. Was meint ihr, sollen wir nicht alle zu ihm gehen und helfen, sein Häuschen wieder hinzustellen?
Sogar der Hirsch hatte sich alles noch mal überlegt, und die Tiere waren nun bereit, dem Troll zu helfen. Unser Lichterwald soll eine gastliche Stätte sein sagte das Eichhörnchen hier sollen sich alle Lebewesen wohlfühlen können. Los, lasst uns aufbrechen!
Und alle Tiere machten sich auf den Weg zu Weißfuß. Ihr könnt Euch sicher vorstel-len, wie überrascht der Wintertroll war, als plötzlich eine ganze Kolonne von Tieren bei ihm eintraf. Die Tiere berichteten ihm, was der Uhu ihnen erzählt hatte und dass ihnen nun klar geworden wäre, dass sie sich ganz und gar falsch verhalten hätten.
Lieber Weißfuß sagte der Dachs wir sind hier, um dir zu helfen. Sag, womit kön-nen wir anfangen?
In Nullkommanichts war der schwere Ast weggeräumt und das Häuschen wieder so-weit zusammengezimmert, dass sich ein Wintertroll darin wohlfühlen konnte. Mutter Bär hatte sogar eine hübsche rotkarierte Tischdecke mitgebracht, die sie nun auf dem Holztisch ausbreitete. Darauf stellte sie eine irdene Vase mit einem bunten Tro-ckenblumenstrauß. So, fertig!
Der Troll hatte einen Spaß! Ich bin so froh sagte er freudig meine Güte, das Haus ist ja schöner als zuvor! Ganz toll habt ihr das gemacht. Und dafür bedanke ich mich auch!
Wisst ihr was, mir kommt da eine tolle Idee. Was haltet ihr davon, wenn wir jetzt ein richtiges tolles Wald-Winterfest feiern würden? Wir können uns besser kennen ler-nen und jeder bringt einfach das mit, was er in der Speisekammer hat. Also, ich kann euch zum Beispiel eine leckere Gewürzpastete anbieten, dazu Farnkuchen, Buch-eckernstreusel und Ahornlimonade. Na, was sagt ihr?
Klar, dass alle Tiere begeistert waren, und sie feierten ein rauschendes Fest, das bis in die frühen Morgenstunden andauerte.
Der weise Uhu saß auf seinem Baum, knabberte an Bucheckernstreuseln und schaute zufrieden auf das muntere Treiben.
Und das wars, was ich meinte, das kleine Wunder aus dem Lichterwald!