Was mich vor allem stört, dass es psychologische Astrologen und Astrologinnen gibt, welche davon ausgehen, es gäbe im Leben keine Probleme und alles sei nur eitel Sonnenschein.
Hallo Pollux,
mich stört das durchaus auch. Wobei mich ebenso der Begriff "psychologische Astrologen" stört ... ich halte das wirklich für durchsichtiges Marketing ohne substanziellen Wert. Schnitzel ist gut, Himbeersaft ist gut ... also wie gut muss dann doch Schnitzel mit Himbeersaft sein!? Ich halte die Astrologie für ein faszinierendes und äußerst komplexes und vielschichtiges Feld und die Psychologie ganz genauso, und ich bin sehr dafür, dass beide einander befruchten und in der Anwendung kooperieren ... aber sie zu einer gemeinsamen Disziplin zusammenzuwerfen, halte ich für ziemlich undurchführbar. Und sinnlos.
Ich denke, kein Psychologe, der sein Hirn beisammen hat, wird Probleme leugnen und Schönfärberei betreiben. Es lief zum Beispiel, als Steve de Shazer noch lebte, eine freundschaftliche Auseinandersetzung zwischen ihm und Gunther Schmidt (beide Schüler von Milton Erickson, zu dem später noch) de Shazer vertrat die lösungsfokussierte Kurzzeittherapie und ging auf keinerlei Negativformulierungen seiner Klienten ein, während Schmidt darin eine Abwertung der Problemlage von Klienten sah, die mit ihrem Problem auch gewürdigt und ernst genommen werden wollen.
So würde nach meinem Dafürhalten auch ein Astrologe, der das Anliegen eines Klienten in astrologischen Mustern repräsentiert sieht, sich sowohl als Astrologe wie auch als Berater disqualifizieren, wenn er sich über die Dynamik hinwegschwindeln wollte, die sich da zeigt ... im Horoskop und in der Verwirklichung der astrologischen Kontexte durch den Klienten, in beidem. Warum betone ich beides? Weil da für mich ein Unterschied versteckt ist, der einen Unterschied macht: Ich gehe nicht von Kausalzusammenhängen aus ("Weil da ein Übeltäter ...."), sondern von systemischen Muster-Interferenzen. Wenn ich dann einem Klienten a) erklären kann, dass eine bestimmte Situation sich auch im astrologischen Bild zeigt und dass er quasi in Übereinstimmung mit seinen kosmischen Kontexten lebt, dass b) seine ganz konkrete Umsetzung der astrologischen Muster aber auch aus seinem bisher gelebten Leben, aus Umwelt, Erlerntem, vielleicht Verhärtetem, aus einer ziemlich bunten Mischung von durchaus veränderlichen Einflussgrößen entstanden ist und dass c) es Spielräume gibt, die auch andere Möglichkeiten der Realisierung seiner Muster erlauben, dann kann über vielleicht konstruktivere Schritte auf dem weiteren Weg gesprochen werden.
Ist das nun Schönfärberei? Ich glaube nicht. Ist das psychologische Astrologie? Ich würde es für mich nicht so bezeichnen. Es kann aber ein gerüttelt Maß an Psychologie hineinspielen, wenn ich mich darüber unterhalte, wie es zur konkreten Realisierung eines Musters gekommen sein mag und in welcher Weise es modifizierbar wäre.
Sie vergessen dabei auch, dass es Übeltäter und Wohltäter gibt (Planeten) und das jeder Planet in einem Radix die Rolle eines Übeltäters übernehmen kann. In der vedischen Astrologie gelten Saturn, Mars, Rahu und Ketu als Übeltäter, zum Teil auch die Sonne.
Ich vergesse nicht, dass es diese Elemente in manchen astrologischen Lehrmeinungen gibt, aber ich mache sie deshalb nicht zu meinen, aus Gründen, die ich weiter oben schon angedeutet habe. Das ändert nichts daran, dass ich solche anderen Schulen durchaus respektiere und mich auch anregen lasse davon ... nicht zuletzt auch auf dem Boden meiner konstruktivistischen Weltsicht, die auch meine eigenen Zugänge durchaus relativiert. Für mich "gibt" es tatsächlich keine Übeltäter, aber ich konzediere, dass es in manchen geschlossenen Systemen durchaus Sinn macht, sich solcher Sprache und Sichtweisen zu bedienen.
Leute haben Krebs, verlieren ihren Job, leiden unter chronischen Krankheiten, unter Armut und unter psychischen Problemen etc. Das sind nun mal leider Tatsachen und man sollte sie nicht schönreden! Viele Horoskopdeutungen psychologischer Astrologen/innen kommen daher wie eine Hypnoseeinleitung von Milton Erikson. Ja keinen Widerstand und Widerspruch beim Nativen erzeugen!
Milton Erickson liegt nun auch schon wieder ca. zwei Generationen zurück ... und oft wird die von ihm begründete Hypnotherapie mit einer Hypnosetherapie verwechselt, wie sie schon der olle Messmer versucht hat. Ich hab selbst bei einem Erickson-Schüler, Gunther Schmidt, Einiges gelernt unter anderem, dass bei einem Klienten nur das wirkungsvoll wird, was er als seine eigene Wirklichkeit zu sich nimmt und in allen vier Bereichen, bewusst und unbewusst, willkürlich und unwillkürlich, wirken lässt. Dafür braucht es keine Hypnose, es kann aber hilfreich sein, im therapeutischen Gespräch so etwas wie eine Lösungstrance aufkommen zu lassen, nachdem (!) das vorgebrachte Problem gebührend gewürdigt und untersucht wurde. In Summe halte ich das, was Erickson für zeitgemäße und hocheffiziente Therapieverfahren grundgelegt hat, für mindestens so bedeutsam wie die Mutmaßungen übers Unbewusste seitens Freud, Adler, Jung & Co.
An der Frage des Widerstands scheiden sich da oft die Geister ... klassische Psychotherapeuten (auch da gibt's ja eine Art Klassik) sehen im Widerstand ein Zeichen dafür, dass sie einen wunden Punkt beim Klienten getroffen haben, und fühlen sich in ihrer Expertise und in ihrer diagnostischen Potenz bestätigt. In der hypnosystemischen Therapie ist der Widerstand ein klares Hindernis dafür, dass ein Klient eine Botschaft nicht annimmt und nicht verinnerlicht ... für den Therapeuten ein Indiz dafür, dass er vielleicht eine stimmige Hypothese entwickelt hat, aber damit den Klienten nicht erreicht. Also wird er einen anderen Weg versuchen, mit dem Klienten zu kommunizieren. Und es geht auch nicht darum, etwas "von oben nach unten" einzutrichtern, weil's der Therapeut besser wüsste es geht darum, die Kompetenz des Klienten für sich selbst anzusprechen und ihn auf eine Reise einzuladen, sich quasi von sich selbst überraschen zu lassen ... beispielsweise.
Nur ist es manchmal gut, wenn man den Klienten die Wahrheit sagt und sie nicht mit zu viel Psychogerede einnebelt!
Die Wahrheit ist immer gut ... ich finde so ein manipulatives Psychogelaber zum Kotzen. Allerdings ist die Wahrheit für den Klienten immer nur das, was er als Wahrheit zu sich nimmt. Nicht nur als Lippenbekenntnis, sondern "mit Lieb und Seel". Die Differenzen zwischen seinen und meinen Wahrheiten bringen dann die Dynamik und machen's spannend.
So weit einmal ... und nebenbei, ich bin überrascht, wie sich der Thread entwickelt hat ... ich find's sehr anregend.
Liebe Grüße, Jake