Antike Stoiker & neuzeitlicher Stoizismus

Überzeugungen sind keine Beweise
Was weiß der winzige Mensch schon im Kontext des Kosmos. Ist er denn im Vergleich dazu nicht nur ein Einzeller? Was weiß schon die Ameise auf meinem Bein von mir als Mensch? Wie soll sie mich erkennen?

Es wundert mich immer wieder, wie selbstsicher sich Menschen geben in Sachverhalten, die ihnen nicht wirklich zugänglich sind. Was soll ich sagen, wenn jemand überzeugt ist: "Hinter dieser verschlossenen Tür gibt es NICHTS." Wie kann er das wissen, wenn er noch nicht durch diese Tür getreten ist?

Die ersten Atheisten waren überzeugt, dass NICHTS über der Wolkendecke existiere. Agnostizismus kann ich gut nachvollziehen, aber der Atheismus gibt sich selbst eine begrenzte Antwort, ohne nachzuschauen, und verwechselt vorübergehende, revidierbare und äußerst begrenzte Interpretationen der Realität mit der Realität selbst.

Allan Sandage, berühmter Astronom und zynischer Atheist, rückte letztlich auch von dieser Haltung ab angesichts der Ordnung des Kosmos. Seine eigenen authentischen Beobachtungen zum Kosmos waren ausschlaggebend und keine beliebigen Impulse, austauschbaren Theorien und "Meinungen der Vielen". Er kam zum gleichen Schluss wie Marc Aurel, der sich in seinen Selbstbetrachtungen wie folgt ausdrückt in VI.10:

"Entweder es ist alles ein Ergebnis des Zufalls, Verflechtung und Zerstreuung,
oder es gibt eine Einheit, eine Ordnung, eine Vorsehung.

Nehme ich das erstere an, wie kann ich wünschen,
in diesem planlosen Gemisch, in dieser allgemeinen Verwirrung zu bleiben?
Was könnte mir dann lieber sein, als so bald wie möglich Erde zu werden?
Denn die Auflösung wartete meiner, was ich auch anfinge.

Ist aber das andere, so bin ich mit Ehrfurcht erfüllt und heiteren Sinnes
und vertraue dem Herrscher des Alls."

Quelle: Gutenberg-Projekt.org

Schöne Weihnachtszeit!
Ich sage immer: Egal ob du an Gott glaubst, Gott glaubt an dich! :)
 
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Die ersten Atheisten waren überzeugt, dass NICHTS über der Wolkendecke existiere. "Das geozentrische Weltbild basierte auf der Annahme, dass die Erde und damit auch der Mensch im Universum eine zentrale Position einnehmen, so dass alle Himmelskörper (Mond, Sonne, die anderen Planeten und die Fixsterne) die Erde umkreisen. Das geozentrische Weltbild entspricht dem unmittelbaren Augenschein." Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Geozentrisches_Weltbild

Die damaligen Atheisten hätten es aber allesamt besser wissen müssen, wenn sie davon ausgehen, genau zu wissen, was existiert und was nicht. Die "Gläubigen" hatten wenigstens noch so viel Phantasie, sich mehr vorstellen zu können und es wie die Agnostiker nicht gleich zu verneinen, dass da noch mehr ist außerhalb dessen, was das menschliche Auge sehen kann. Von daher war z. B. ein Künstler, der sich ganze Welten von Galaxien vorstellte, der Realität näher als der Atheist zu der damaligen Zeit, der sich an das damalige beschränkte Weltbild hielt und nur das für möglich hielt, was seine Augen sehen konnten. Dasselbe gilt auch für heute. Es gibt noch vieles zu entdecken. Die heutige Wissenschaft wird später genauso altbacken erscheinen.

Die meisten, ob nun gläubig, agnostisch oder atheistisch, können den heutigen naturwissenschaftlichen Stand in ihr Weltbild integrieren, da die Naturwissenschaft sowieso nicht untersuchen kann, was außerhalb des naturwissenschaftlich Messbaren liegt, d. h. die Naturwissenschaft prüft nur einen Teilbereich der Realität und muss einen methodischen Atheismus anwenden, weil Gott in dieser Gleichung von vornherein nicht vorkommen darf, da die naturwissenschaftlichen Kriterien dafür fehlen und dies deshalb ausgeklammert wird. Es gibt Wissenschaftler und Wissenschaftsgläubige, welche diesen naturwissenschaftlichen Teilaspekt und damit ein vereinfachtes, einseitiges Modell der Wirklichkeit mit der tatsächlichen Realität verwechseln und deshalb allgemein einen Atheismus entwickeln.

An diesem Punkt, wo die Naturwissenschaft endet, tritt die persönliche, qualitative Erfahrung im Gegensatz zu quantitativ verwertbaren Modellen und Theorien über die Wirklichkeit. Sozial selbstverständliche und erwünschte qualitative innerseelische Erfahrungen wie z. B. Liebe, Empathie, Altruismus sind genauso wenig beweisbar wie spirituelle Grenzerfahrungen (Nahtoderlebnisse, paranormale Phänomene, Wahrnehmung einer transzendenten göttlichen Ebene). Trotzdem gehört dies alles zum menschlichen Wahrnehmungsrepertoire, dies in ähnlichen Mustern seit Menschengedenken, sodass die Frage erlaubt sein darf, ob es dazu vielleicht doch eine Urquelle gibt, wovon die Stoa spricht als LOGOS, womit sich die antiken Stoiker verbunden fühlten und worin sie sich meditativ vertieften.
 
Youtube: Boris Grundl - So stoppen Sie Ihre quälenden Zweifel - Zwischen Zweifel und Sicherheit:
Wie gehen Sie mit der Hektik da draußen im Leben um? Jeder schreit nach Aufmerksamkeit. Alles soll sofort erledigt werden. Ansprüche und Anforderungen sind hoch bei viel zu wenig Zeit.

 
Fünf Jahrhunderte lang war der Stoizismus die vorherrschende Philosophie in der römisch-hellenischen Welt.
Die gebildete Elite Roms fand diesen Import sehr nach ihrem Geschmack. Der Stoizismus eignete sich hervorragend für die Erbauer des Imperiums.

Er mahnte
zu pflichtbewusster Selbstdisziplin,
zur Abkehr von den unbeständigen Leidenschaften,
zur Standhaftigkeit in der Freundschaft und
zur Tapferkeit im Unglück.

Er vertrat die Ansicht, dass
alle Menschen vom selben Gott abstammen
und daher Brüder sind und somit
alle Mitgefühl und Gerechtigkeit verdienen.

Der Stoizismus machte keine eitlen Versprechungen über ein Leben jenseits des Grabes,
obwohl einige Stoiker dies für möglich hielten.
Das Glück war im Inneren zu finden, in diesem Leben.
Der Stoizismus war menschlich, rational und gemäßigt.
Sein Lohn war Tugend - "das höchste Gut" - und vielleicht die Ehre eines Adelshauses.

Die Welt befand sich nicht in der Warteschleife und wartete auf einen christlichen Gott,
der sie Ethik und Moral lehren sollte.

"Wenn ein Mann bei seiner Frau liegt, als wäre sie eines anderen Mannes Frau, ist er ein Ehebrecher, sie aber keine Ehebrecherin.
- Seneca, Über die Festigkeit, vii.

"Wer eine Frau ansieht, um sie zu begehren, hat schon in seinem Herzen Ehebruch mit ihr begangen."
- Matthäus 5,28.
 
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Der Stoizismus entstand auf der Insel Zypern mit Zenon von Citium im späten 4. Jahrhundert v. Chr. auf dem Höhepunkt der griechischen Expansion, als die alten Götter in Verruf geraten waren. Sie erhielt ihren Namen von der "Stoa" oder Säulengang in Athen, wo Zeno lehrte. Obwohl der Stoizismus pantheistisch ist - er geht davon aus, dass der höchste Gott in allen Dingen gegenwärtig und nicht transzendent ist - lieferte er viele der Bausteine, auf denen die frühen Christen ihre Religion aufbauten.

In der Tat hatten sich die ersten "heidnischen", hellenistischen Christen in der stoischen Tradition ausgebildet (Pantaenus, Clemens u.a.) und trugen die Askese, die Abgeschiedenheit, die grobe Kleidung und das struppige Äußere, die allesamt Kennzeichen des stoischen Weisen auf seinem Weg zur "Vollkommenheit" waren, in den neuen Glauben hinein.

Der Stoizismus lieferte den Christen sowohl die Theorie als auch die Praxis. Zenos primäres Schöpfungsmittel, ein materieller "Geist" in der Gestalt eines ätherischen, aber belebenden "Feuers", war im Zeitalter des Cleanthes (Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr.) zu "pneuma" oder "Geist" geworden - und würde sich als "feuriger Heiliger Geist" von Pfingsten zeigen.

"Und es erschienen ihnen gespaltene Zungen wie von Feuer, und es setzte sich auf einen jeden von ihnen."
- "Apostelgeschichte" 2,3.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Stoizismus versucht meiner Meinung nach zwar viele Dinge universell zu betrachten, doch macht er meiner Meinung nach den Fehler, dass alles und jeder seinen Platz finden müsse. Gott muss seinen Platz nicht finden, insofern ist der Stoizismus aus meiner Sicht in seiner grundlegenden Annahme nur eine Anleitung für Menschen zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten in bestimmten Umgebungen und Situationen nicht aber universell gültig.
 
Seneca: ein "großer moralischer Lehrer"

"Der Höchste Herr ist dir nahe, er ist mit dir, er ist in dir. Das ist es, was ich meine, Lucilius:
ein heiliger Geist wohnt in uns,
der unsere guten und schlechten Taten kennzeichnet und
unser Wächter ist.

Wie wir diesen Geist behandeln, so werden wir von ihm behandelt.
In der Tat kann kein Mensch ohne die Hilfe des Höchsten Herrn gut sein.
Kann sich jemand über das Glück erheben, wenn der Höchsten Herr ihm nicht hilft, sich zu erheben? "

- Seneca, Epistel 41.


Zur gleichen Zeit, als Philo in Alexandria die Grundlagen der christlichen Theologie legte, formulierte in Rom ein anderer gebildeter Aristokrat, Seneca, die hoch entwickelte Moral und Ethik des Stoizismus. Die beiden Philosophen könnten sich sogar begegnet sein: Seneca hielt sich im Jahr 31 n. Chr. Rechn. für längere Zeit in Alexandria auf.
 
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Seneca und die "große Schar" der Christen

Lucius Annaeus Seneca (4 v. Chr. - 65 n. Chr.) war ein hervorragender Schriftsteller. Sein Vermächtnis umfasst Satiren, Tragödien, mehrere Bücher über Naturphänomene und mindestens 124 aufschlussreiche Briefe (Epistulae morales). Ein Dutzend philosophischer Abhandlungen enthält erbauliche
Traktate über die Kürze des Lebens, das menschliche Schicksal, die Milde und die Tugend.

In Über die Milde beschreibt Seneca den Fürsten, der das Leben seiner Untertanen schützt, als "gottgleich".
In Über die Ruhe des Geistes plädiert er für eine Zufriedenheit,
die durch Sparsamkeit erreicht wird,
statt durch eine unaufhörliche Leidenschaft für Reichtum.

Zufälligerweise war das Leben von Seneca, wie auch das von Philo von Alexandria, zeitgleich mit dem des "Jesus" der "Christen". Doch obwohl Seneca ausführlich über viele Themen und Personen schrieb,
hat er nie "Jesus" oder die "Christen" erwähnt.
und er macht auch keine Angaben über eine "riesige Menge" von Christen, die angeblich für den Brand von Rom im Jahr 64 n. Chr. bestraft wurden, wie die Christen im 4. Jahrhundert erfunden haben.
 
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