Hallo
Miratrix schrieb:
ich finde nicht, dass das menschliche verhalten unvorhersagbar ist. im gegenteil. es ist doch relativ vorhersagbar, wenn man von allgemeiner logik ausgeht.
Man kann vielleicht mit Mitteln der Statistik grob das durchschnittliche Verhalten einer großen Zahl von Menschen vorhersagen. Oder Computersimulationen von Massenpaniken erstellen, bei denen die Leute mehr oder weniger von ganz einfachen Urinstinkten gesteuert werden. Aber man kann doch nie das Verhalten einer einzelnen Person vorhersagen. Es gibt bestimmt viele Schwerverbrecher, deren Geschwister brave Bürger und gesetzestreue Steuerzahler sind. Obwohl beide im selben Umfeld mit den selben Einflüssen aufgewachsen sind. Wie könnte das sein, wenn menschliches Verhalten so einfach aus den Erfahrungen ableit- und damit auch vorhersagbar wäre?
Oder nimm das Rauchen. Der Preis für Zigaretten hat sich in den letzten 20 Jahren fast verdreifacht. Dazu massive Aufklärungs- und Präventionskampagnen. Wer hat nicht irgendwann schon Bilder von schwarzen, verklumpten Raucherlungen gesehen? Ein weitgehendes Werbeverbot wurde erlassen, Abschreckende Aufdrucke auf den Zigarettenschachteln. Es gibt zahlreiche Angebote, um mit dem Rauchen aufzuhören. Bei all diesen Maßnahmen über so einen langen Zeitraum hinweg müsste man den Gesetzen der Logik folgend doch annehmen, dass ausser einer Hand voll Spinnern niemand mehr raucht. Aber dem ist nicht so. Die Zahl der Raucher hat zwar abgenommen, aber immer noch raucht rund ein Drittel der Erwachsenen. Erkläre das mal mit Logik. Und erkläre mir das:
Quelle:
www.infantologie.de/raucher/statistik.php
Sportlehrer und Krankenschwestern? Ok, Menschen die im Pflegebereich arbeiten, steht oft unter großem körperlichem und seelischem Stress, das kann ich mir noch irgendwie erklären. Aber Sportlehrer?
Miratrix schrieb:
und wenn güter wie fleisch, die nunmal teuer sind, wenn die tiere gut gehalten werden, "kostbarer" werden, dann kann man eben nicht so viel fleisch essen und es würde niemandem schaden.
der kleine bauer könnte wieder mithalten und das gewissen bzw (höheres?) bewusstsein ist auch zufrieden.
wenn der "wert" also gesteigert wird, dann folgt auch das bewusstsein indem es tiere als "wertvoll" ansieht.
andersherum geht auch: wer tiere als wertvoll ansieht, dem erscheint logisch, dass der preis auch höher ist.
so werden zb werte (auch bewusstsein) durch politische vorgaben geschaffen (zb preis, gesetze gegen massentierhaltung usw)
Ich bin mir nicht sicher ob die Politik in der Lage ist, solche Vorgaben zu machen. Welche Wahlchancen räumst du einer Partei ein, die konsequent gegen Massentierhaltung ist und Fleisch drastisch verteuern will? Der Anteil von Biofleisch beträgt weniger als ein Prozent. Mit den Maßstäben die dort gelten (über die man auch noch streiten kann), könnte man nur wenige Prozent der heutigen Fleischproduktion decken, schon durch die Verknappung würde der Sonntagsbraten zum Luxusgut. Wollte man das verkitschte 20er Jahre Gutshof-Idyll aus den Werbespots für Windmühlen-Mettwurst etc. in die Realität umsetzen, hieße das schon rein mengenmäßig nur noch 1-2 Mal Fleisch im Monat für den Großteil der Bevölkerung, mehr könnte so nicht produziert werden. Das wäre zwar wünschenswert, ich glaube aber nicht, dass das von oben herab durchsetzbar wäre. Die älteren unter uns erinnern sich vielleicht noch an die 5-Mark-für-den-Liter-Benzin-Debatte.
Ich denke auch, dass es nicht unbedingt richtig ist den Wert eines Tieres am Fleischpreis zu messen. Fleisch war über Jahrtausende hinweg ein Luxusgut, den Reichen und Mächtigen vorbehalten, ganz einfach weil es so knapp war. Der Lehnsherr hatte das Jagdrecht und ass jeden Tag Fleisch, beim Bauern gab es nur Gerstenbrei. Während der Fabrikbesitzer seinen Schweinebraten verspeiste, mussten dem Arbeiter ein paar Kartoffeln genügen. Aus "wem es gut geht, der hat Fleisch" wurde irgendwann "wer Fleisch hat, dem geht es gut". Und diese Einstellung trifft nun auf die Möglichkeiten einer rücksichtslosen Massentierhaltung, die Folgen sind bekannt.
Deshalb müsste man vielleicht eher von der Vorstellung weg kommen, Fleisch zu essen sei ein Zeichen von Wohlstand. Dass es einem ja eigentlich noch gut geht, solange man jeden Tag sein Schnitzel auf dem Teller hat. Eine "künstliche" Verteuerung könnte aber genau diese Vorstellung noch verstärken. Das alte Dilemma - eigentlich sollte sich das Bewusstsein der Leute durch innere Einsicht ändern. Aber das geschieht manchmal so zäh, dass man versucht ist von außen oder von oben nachzuhelfen. Auch wenn das wegen der weiter oben angesprochenen Unvorhersagbarkeit menschlichen Verhaltens dann oft in die Hose geht.
Miratrix schrieb:
und meiner meinung nach haben wir ein so großes drogenproblem auch, weil uns unsere gesellschaft (auch: staat) in so vielen bereichen kein gutes vorbild ist, zb auch in sachen wertevermittlung.
Das finde ich etwas zu pauschal. Es gibt den Chefarzt, der Alkoholiker ist genauso, wie den vierzehnjährigen Kiffer aus dem Großstadtghetto und den rauchenden Sportlehrer. Die kann man doch nicht alle über einen Kamm scheren. Ich glaube nicht, dass ein vermeintlicher Werteverfall der Grund für steigenden Drogenkonsum ist, sondern dass beides vielmehr die Folge einer gemeinsamen, aber ganz anderen Ursache ist. Und mit den Vorbildern ist das so eine Sache, da gab es auch nicht immer nur gute.
Miratrix schrieb:
wenn du als jugendlicher hier und da merkst, wie es in der welt abgeht (geld über moral etc), warum solltest du dann selbst keine "laster" haben?
"ist doch eh alles egal, was man macht..."
Vielleicht hat das, was in der Welt so abgeht ja auch irgendwie etwas damit zu tun, wie wir mit Tieren umgehen. Weil es zeigt, wie einfach wir auf Durchzug stellen können, wenn es um die Wahrung des eigenen Vorteils geht. Wenn wir eine Wurst essen, können wir das Leid des Schweins ganz einfach ausblenden, wer Billigramsch aus China kauft, verschwendet keinen Gedanken an Menschenrechtsverletzungen. Dieses Verdrängen ist bis zu einem bestimmten Grad ja auch eine gute Sache, wir würden ja verrückt werden, wenn wir immer alle Folgen unseres Handelns analysieren müssten bevor wir etwas tun. Aber irgendwie wird scheint die Fähigkeit des Ausblendens etwas zu gut zu funktionieren. Das sehe ich nicht zuletzt immer wieder an meinem eigenen Verhalten.
Gruß
McCoy