Hallo Eidechsenkönig,
unsterblich wird man mitunter im Kleinen durch alle nachfolgenden Generationen, die ihrer Ahnen in Liebe gedenken oder im Großen, wenn man etwas erschaffen hat, dessen sich die Menschen erinnern werden, manche sogar über Jahrhunderte oder Jahrtausende. Alle großartigen Menschen leben so in unserer Erinnerung weiter.
Alles, das du Jemandem in Liebe vermitteln konntest, bleibt so lange bestehen und in der Erinnerung lebendig, solange dieser Mensch wiederum lebt und diese lebendige Erinnerung wiederum in Liebe an den nächsten Menschen weiter gibt. Diese lebendige Erinnerung kann auch durch Gegenstände, die weitervererbt wurden erhalten werden. Wann immer man diesen Gegenstand eines Ahnen in die Hände nimmt, werden die Erinnerungen an ihn wach und mitunter im Geist sehr lebendig. Es werden Geschichten oder mitunter sogar Mythen daraus gewoben.
Ja, so in etwa hat mir mal auch ein alter Kameltreiber erzählt.
Das wäre aber nur der eine Punkt.
Der andere Punkt ist nämlich der (Geistes)zustand, in dem man hinübergeht; er ist letztendlich für die Qualität des nachtödlichen Lebens entscheidend. Bist du in Ruhe und Frieden gegangen, genießt du diesen Zustand dann so lange, bis jemand hier auf Erden sich an deine Heldentaten (oder einfach nur an dich) erinnert. Je mehr davon es gibt, desto besser für dich, desto mehr Lebenskraft hast du da drüben. Ob diese Erinnerungen gut oder schlecht sind, ob du von den Hintergebliebenen liebevoll angebetet oder verflucht wirst, ist Einerlei: es zählt nur die Erinnerungsenergie sie ist wie Sprit für deine Karre (er sagte: Futter für dein Kamel). Ist der allerletzte von ihnen weg und damit auch die letzte Erinnerung an dich erlöscht, ziehst du dich dort im jenseits zusammen und verdunstest wie eine Pfütze in hellem Sonnenschein.
Dieser Zustand ist wie ein Tor, durch das man geht. Es gibt viele davon - wie die spiegelnden Splitter an einer Discokugel, die wie die Türchen jedesmal auf- und zugehen, wenn jemand hinein oder hinaus will. Das ganze Leben hier ist nur Bewegung zu einer bestimmten Tür hin; ist man durch eine hinaus, kann man die Richtung nicht mehr ändern. Wenn du also in einem unfriedlichem, erdrücktem oder gar panischem Zustand hinübergegangen bist, hast du mit deinen (Helden)taten sozusagen dir selbst ein Bein gestellt: du möchtest dann natürlich, daß es schneller aufhört, wärest ja froh endlich verdunsten zu dürfen, "die da" weinen dir aber immer noch nach und nach (oder erzählen den Enkeln die Mythen) und gießen, und gießen damit immer weiter den Sprit auf die Wunden. Diese Einsicht sollte auch einer der Gründe sein, warum es von der Kirche verboten wurde, Selbstmörder auf die übliche Weise zu begraben und zu betrauern.
Die Frage ist natürlich, ob dies gleich für alle gilt.
Die andere Frage: in wie weit einer es erstrebenswert findet, selbst in einem glückseeligem Zustand verweilend, an diese Welt gebunden zu bleiben; ob es nicht andere Discokugel gibt usw. usf.
Es entstehen noch viele, unzählige, Fragen, die ich dem alten Kameltreiber so gerne gestellt hätte, wären wir uns damals nicht aus den Augen verloren gegangen...